Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Börsianer reissen sich um Internetradio Pandora

NEW YORK (awp international) – Die Musik spielt im Internet: Nach dem beruflichen Online-Netzwerk LinkedIn hat nun auch das Internetradio Pandora einen grandiosen Börsenstart hingelegt. In den ersten Handelsminuten in New York sprang die Aktie um 63 Prozent auf 26 Dollar hoch. Später am Morgen lag das Papier immer noch um 35 Prozent im Plus bei 22 Dollar. Die Anleger setzen auf das scheinbar unaufhaltsame Wachstum von Pandora – jede Sekunde kommt ein neuer Nutzer hinzu. Dabei ist der Dienst in Europa noch gar nicht verfügbar.
Pandora wurde nach dem Kurssprung am Mittwoch mit zuletzt rund 3,6 Milliarden Dollar bewertet. Das Preisschild wirkt wie eine Ohrfeige für die traditionelle Musikbranche: Die Plattenfirma Warner Music, kommerzielle Basis von Künstlern wie Phil Collins oder Eric Clapton, wurde jüngst für vergleichsweise schlappe 1,3 Milliarden Dollar verkauft. Allerdings musste der Käufer, ein russischstämmiger Geschäftsmann, bei Warner Music auch noch fast zwei Milliarden Dollar Schulden übernehmen.
Die Plattenfirmen leiden unter dem schrumpfenden CD-Absatz. Die Musikliebhaber laden sich ihre Songs lieber im iTunes-Shop von Apple herunter oder hören sie zumeist gratis bei Pandora an. Der Dienst ist eine Art Internet-Radio, dass sich auf den Musikgeschmack einstellt. Laut Marktforschern hält Pandora etwa die Hälfte des Marktes für kommerzielles Internetradio in den USA. Andernorts fehlen indes die Lizenzen. Mit einem Teil der Einnahmen aus dem Börsengang von 235 Millionen Dollar könnte nun das Auslandsgeschäft in Angriff genommen werden.
Pandora hat bei seinem Börsengang das extrem günstige Klima für Internetfirmen ausgenutzt. Nicht wenige Börsenexperten warnen aber vor dem Einstieg. Denn Pandoras Geschäftsmodell, so sagen die Kritiker, könne gar nicht funktionieren, selbst wenn das Unternehmen weiterhin kräftig wachse. Pandora muss für die Musikstücke Lizenzgebühren zahlen – hören mehr Leute die Musik, muss Pandora auch tiefer in die Tasche greifen. Geld kommt vor allem durch Werbung in die Kasse.
Im April hatte Pandora nach eigenen Angaben 90 Millionen registrierte Nutzer. Jede Sekunde komme ein neuer hinzu, hiess es. Im ersten Geschäftsquartal von Februar bis April verdoppelte sich der Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf 51 Millionen Dollar. Dennoch schaffte es Pandora nicht aus den roten Zahlen und verlor zuletzt mehr als 9 Millionen Dollar.
Verluste hat Pandora mit vielen Internetfirmen gemein; die Investoren setzen auf klingelnde Kassen in der Zukunft. Aber mancher Beobachter fühlt sich derzeit an die Blase zu Zeiten der New Economy erinnert. Als das berufliche Online-Netzwerk LinkedIn Mitte Mai an die Börse ging, schoss die Aktie von 45 auf bis zu 122,70 Dollar hoch. Inzwischen sackte das Papier aber ab und stand zuletzt bei unter 75 Dollar.
Wegen eines Gebührenstreits mit der Musikindustrie stand Pandora 2007 sogar schon kurz vor dem Aus. Der Erfolg der App für Apples iPhone brachte die Firma zurück ins Spiel.
Pandora war an der Börse so begehrt, dass das Unternehmen den Ausgabepreis für die Aktien mehrfach verteuern konnte. Zuerst sollte ein Papier maximal 9 Dollar kosten, dann maximal 12 Dollar und am Ende mussten die Investoren 16 Dollar berappen – und machten immer noch ihren Schnitt, wenn sie gleich wieder verkauften. Als Börsenkürzel hat Pandora als kleines Bonbon den einprägsamen Buchstaben P bekommen./das/so/DP/fn

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft