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Bundesrat will weiterhin Kriegsmaterial-Exporte

Keystone

Die Landesregierung lehnt die GSoA-Initiative "für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten" ab – vorab aus finanziellen Gründen. Der Bundesrat stellt dem Volksbegehren auch keinen Gegenvorschlag entgegen.

Die GSoA-Initiative fordert ein Verbot für die Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial, besonderen militärischen Gütern (wie zum Beispiel militärischen Trainingsflugzeugen oder militärischen Simulatoren).

Zudem soll die Vermittlung und der Handel solcher Güter an Empfänger im Ausland verboten werden. Ausgenommen wären Jagd- und Sportwaffen, Geräte zur humanitären Entminung und Güter, die von den schweizerischen Behörden vorübergehend ins Ausland ausgeführt werden.

Volkswirtschaftsministerin Doris Leuthard begründet die ablehnende Haltung des Bundesratskollegiums gegenüber der 2007 eingereichten Initiative vor allem mit wirtschaftlichen Argumenten.

Ein Exportverbot würde nach Ansicht des Bundesrates der Schweizer Rüstungsindustrie die Existenzgrundlage entziehen und damit die Landesverteidigung in Frage stellen. Weiter würden Tausende von Arbeitsplätzen in Frage gestellt, es ginge Know-how verloren, und dem Bund würden Kosten in der Höhe von 500 Mio. Franken verursacht.

Diese Argumentation lassen die Initianten der Initiative nicht gelten. Da lediglich 10% der von der Armee verwendeten Rüstungsgüter in der Schweiz hergestellt werden, könne das Exportverbot nicht dermassen gravierende Auswirkungen haben, wie vom Bundesrat skizziert.

Befriedigte Wirtschaft

Der Wirtschaftsdachverband economiesuisse und der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) reagieren dagegen positiv auf die Botschaft der Landesregierung. Die Kriegsmaterialausfuhr sei bereits streng geregelt. Ein komplettes Verbot würde dem Innovationsstandort Schweiz schaden.

Für den SGV würde eine Annahme der Initiative Tausende von Arbeitsplätzen in kleinen und mittleren Unternehmen vernichten. Er ist mit dem Bundesrat der Ansicht, dass die Initiative praktisch ausschliesslich Randregionen betreffen würde. Und eine Transformation der Arbeitsplätze in der Rüstung in solche im zivilen Bereich koste zu viel.

Auch verschiedene militär- und wehrpolitische Vereine und Arbeitsgruppen warnten vor der Initiative. Die Arbeitsgemeinschaft für eine wirksame und friedenssichernde Milizarmee etwa teilte mit, die “Armeeabschaffer” wollten die wehrtechnische Industrie und ihre Zulieferer “unterminieren”.

Fünf Ausschlusskriterien

Laut Doris Leuthard will die Landesregierung den Initianten ein wenig entgegen kommen. Sie habe deshalb die heutige Kriegsmaterialverordnung präzisiert und den Rahmen für Kriegsmaterialexporte mit fünf neuen Ausschlusskriterien enger abgesteckt. Damit wollte der Bundesrat wohl auch auf die Kritik aus den Reihen des eidgenössischen Parlaments reagieren.

Nicht bewilligt werden Kriegsmaterialausfuhren, wenn das Bestimmungsland in einen internen oder internationalen Konflikt verwickelt ist, im Bestimmungsland Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzt werden, das Bestimmungsland auf der OECD-Empfängerlands-Liste unter den am wenigsten entwickelten aufgeführt wird oder im Bestimmungsland ein hohes Risiko besteht, dass die auszuführenden Waffen an ein unerwünschtes Empfängerland weitergegeben werden.

Bei der Erfüllung eines dieser Kriterien darf zwingend keine Bewilligung erteilt werden. Damit ist der Bundesrat überzeugt, dass diese Präzisierung in Zukunft zur Vermeidung von Fällen umstrittener Ausfuhren beitragen werde.

Augenwischerei?

Doris Leuthard musste auf Anfrage allerdings zugeben, dass alle Rüstungsgeschäfte der letzten Jahre – auch die umstrittenen – mit den neuen Präzisierungen gleichwohl genehmigt worden wären. Die GSoA verurteilt diese bereits im Frühjahr angekündigte Präzisierung als “Augenwischerei”.

“Gesuche um Kriegsmaterialausfuhren aus der Schweiz in Staaten, die in kriegerische Konflikte verwickelt sind und die Menschenrechte verletzen, werden demnach auch künftig bewilligt”, schreibt die GSoA. Sie denkt dabei an Länder wie die USA, Pakistan, die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi Arabien oder Südkorea.

Die Initiative sei aufgrund einer weit verbreiteten Kritik an der Ausfuhrpraxis zustande gekommen. Die Revision trage dieser Kritik jedoch kaum Rechnung.

swissinfo, Etienne Strebel

Der Bund unterstützt und fördert internationale Bestrebungen für Abrüstung und Rüstungskontrolle.

Ausfuhr und Durchfuhr folgender Güter sind verboten: Kriegsmaterial einschliesslich Kleinwaffen, leichte Waffen und zugehörige Munition, besondere militärische Güter sowie Immaterialgüter einschliesslich Technologie, die für Entwicklung, Herstellung oder Gebrauch von Kriegsmaterial von wesentlicher Bedeutung sind.

Verboten sind auch die Vermittlung von Kriegsmaterial und der Handel damit.

Der Bund unterstützt während zehn Jahren Regionen und Beschäftigte, die vom Verbot von Rüstungs-Exporten betroffen sind.

Die von der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GsoA) lancierte Volksinitiative zielt auf das Kriegsmaterial im engeren Sinn, einschliesslich der Technologie, die es braucht, um solches Material herzustellen.

Im Fadenkreuz befinden sich auch Simulatoren, Trainings-Flugzeuge, Kleinkaliber-Waffen inklusive Munition und Gebrauchtwaren.

Pazifisten und Linke betreten mit dieser Initiative kein Neuland. 1997 war eine ähnlich lautende, von der Sozialdemokratischen Partei (SP) lancierte Initiative mit 77,5% der Stimmen abgelehnt worden.

2006 exportierte die Schweiz Waffen und Rüstungsgüter für rund 400 Millionen Franken. Die Schweizer Rüstungsindustrie beschäftigt etwa 1000 Mitarbeitende.

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