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Das Demagogen-Handbuch kommt nach Zürich

ZVG

Ein Professor aus Österreich analysiert die Kommunikation Jörg Haiders und findet in der Schweiz dieselben Muster beim SVP-Nationalrat Christoph Blocher. Am Donnerstag (05.07.) stellt Walter Ötsch sein Handbuch für Demagogen in Zürich vor. swissinfo wollte schon vorher von ihm wissen, ob die SVP eine FPÖ-light sei.

Sprache, Weltbild und Aktionsformen der Schweizerischen Volkspartei (SVP) seien jenen der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) ähnlich, konstatiert Professor Walter Ötsch. «Ich habe einige Reden von Herrn Blocher studiert und das sieht sehr, sehr ähnlich aus wie in der FPÖ.»

In seinem Buch «Haider light – Handbuch für Demagogie» deckt der Wirtschafts-Professor der Universität Linz die Kommunikations-Strategien von Demagogen am Beispiel des FPÖ-Landeshauptmannes Haider auf. In Österreich wurde es zum Bestseller, der sich über 20’000 mal verkaufte.

Erlöser sein

Das Wichtigste für einen Politiker, der den demagogischen Diskurs verfolgen wolle, fasst Ötsch so zusammen: «Er muss die Ängste der Bevölkerung gut studieren, er soll versuchen alle Resentissements zu wecken, Sündenböcke nennen und Strukturprobleme ansprechen.» Das Ziel müsse der Wahltag sei, wo die Leute in erregter Stimmung ihre Stimmzettel abgeben sollen. «Er soll sich dabei als Erlöser von all den Ängsten anpreisen.»

Angreifer- und Opferrolle

Und sollte mal etwas falsch laufen, dann haben die Polit-Demagogen bereits Muster auf Lager. «Haider hat ein grosses Geschick, auch aus Misserfolgen gut auszusteigen oder Angriffe auf ihn in seinem Weltbild umzudeuten. Er geht also sehr, sehr aggressiv vor, und sobald ihm Widerstand erwächst, schlüpft er in die Opferrolle. Beide Rollen werden gut inszeniert und werden von seiner Gefolgschaft abgenommen.» So geht Ötsch davon aus, dass Nationalrat Blocher selbst aus der Beinahe-Aufhebung seiner parlamentarischen Immunität Kapital schlagen können wird.

Verschwörungen finden Anklang

Dabei werden untermauernde Verschwörungs-Theorien nicht nur bei Angriffen serviert, sondern sie sind völlig im Weltbild der Beteiligten integriert: «Diese Schwarz-Weiss-Welt, diese Inszenierung ‚wir und die anderen‘ ist ein einziger Verschwörungs-Mythos.» Ein Teil der Bevölkerung, die sich emotional mit der FPÖ-Führung verbunden fühle, nehme diese auf.

Grenzen der Demokratie?

Oft erscheint es so, als ob die Demokratie den Demagogen in die Hände spielt. Wer erinnert sich nicht an die Messerstecher-Albaner-Einbrecher-Plakate der SVP, die öffentlich gebrandmarkt werden und so nur umso mehr Aufmerksamkeit erregen. Hier kommt, so Ötsch, den Medienschaffenden besondere Bedeutung zu: «Die Medien sollten nicht in der Inszenierung mitmachen. Sie sollen also nicht in einer sehr erregenden Weise darüber berichten.» Stattdessen sollten in einer nüchternen Berichterstattung die Politik-Muster beschrieben werden. «Nur so können die Unterschiede zu einem demokratischen Diskurs aufgezeigt werden.»

Professor Walter Ötsch spricht am Donnerstag (05.07.) um 18.15 Uhr an der Universität Zürich auf Einladung des «Melting Pot», dem Uni-Webzine für Publizistik und Politikwissenschaft, zu seinem Buch.

Philippe Kropf

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