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DEZA: Entwicklungshilfe in Krisenzeiten

Martin Dahinden, DEZA-Direktor, sieht in der Krise auch Chancen für die Zusammenarbeit mit den armen Ländern. Keystone

Die Schweiz will mit Blick auf die Wirtschaftskrise ihre Entwicklungshilfe flexibler gestalten. Möglicherweise müsse ein stärkeres Gewicht auf die Armutsbekämpfung gelegt werden, sagte DEZA-Direktor Martin Dahinden.

Die Schweizer Entwicklungshilfe sieht sich den grossen Herausforderungen gewachsen, die die Finanz-, Ernährungs-und Klimakrisen mit sich bringen, sagte der Chef der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) an der Jahresmedienkonferenz am Mittwoch in Bern.

Die Zeichen standen im vergangenen Jahr laut Dahinden schon seit längerem auf Krise: Blockade der Doha-Welthandelsrunde, Nahrungsmittelkrise und Klimawandel. Die Finanzkrise verstärke nun die Probleme für die Länder im Süden und Osten massiv. Entwicklungs- und Schwellenländer erhielten kaum noch Kredite.

Dahinden illustrierte den verheerenden Kreislauf der Krise für ärmere Länder am Beispiel von Bolivien, das zu den Schwerpunktländern der DEZA gehört:

Zerfall der Rohstoffpreise und somit Einbruch des Wirtschaftswachstums, sowie Rückkehr der im Ausland lebenden Bolivianer.

Weniger Überweisungen aus dem Ausland

Mit den Heimkehrern gingen die dringend benötigten Gelder verloren, die sie nach Hause überwiesen hätten, so Dahinden. Bolivianer im Ausland überweisen wie alle anderen einen Teil ihres Einkommens an ihr Herkunftsland (Remittences).

Gegenwärtig betragen diese rund 7,5% des Bruttosozialprodukts in Bolivien, was rund dem Doppelten der Gesamtsumme der internationalen Entwicklungszusammenarbeit an Bolivien entspricht.

Gleichzeitig steige die Arbeitslosigkeit. Die Armutsrate von 60% werde sich wegen der wirtschaftlichen Misere weiter erhöhen.

Immer mehr Menschen werden Hunger leiden, da die Lebensmittel zu teuer seien. Gerade der Wegfall der Überweisungen aus dem Ausland könne ein Land schwer treffen.

Weltweit werde die Summe solcher Auslandüberweisungen laut Dahinden auf 300 Mrd. Dollar geschätzt.

Weniger Entwicklungshilfe-Gelder

Zudem gingen die Nichtregierungsorganisationen von einem Rückgang der Spendeneinnahmen aus.

Im Norden der Welt, wo die Krise ausgelöst worden sei, stünden wegen Konjunkturprogrammen und Steuerausfällen bald weniger Mittel für Entwicklungshilfe zur Verfügung.

Demgegenüber rechnet der DEZA-Direktor vorderhand nicht damit, dass es in der öffentlichen Entwicklungshilfe zu einem Einbruch komme.

Trotz dieser tiefgehenden Krise bleibe er zuversichtlich. Laufende Hilfsprogramme könnten notfalls angepasst werden, etwa für Armutsbekämpfung.

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Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) ist die Agentur für internationale Zusammenarbeit im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Sie ist Teil der Schweizer Behörden (Verwaltung) und zuständig für die Gesamtkoordination der Entwicklungs- und Ostzusammenarbeit mit andern Bundesämtern sowie für die humanitäre Hilfe der Schweiz.

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Reorganisation der DEZA

Auch sieht Dahinden die DEZA mit der im vergangenen Jahr begonnenen Reorganisation besser gerüstet für die neuen Herausforderungen.

In einer ersten Phase wurde die Direktion intern umgestaltet. In vier Monaten wurden laut Dahinden für 340 Mitarbeitende neue Stellenprofile ausgearbeitet und 700 Dossiers überprüft.

Auch wurden die Zahl der Schwerpunktländer, Sonderprogramme und Themen gesenkt. Nach erfolgreichem Abschluss der internen Reorganisation geht es nun in diesem Jahr an die Neugestaltung der Beziehungen der Zentrale mit den Kooperationsbüros.

Günstige Zeit für grosse Würfe

Die schwere internationale Krise begreift der DEZA-Chef auch als Chance. Die Voraussetzungen seien günstig für grosse Würfe, sagte Dahinden vor den Medien.

So könnte die Krise einen Abschluss der Doha-Welthandels-Runde bewirken, zu einer neuen Finanzordnung verhelfen oder Fortschritte in der Klimapolitik ermöglichen. Dies hätte Folgen bis in den Alltag der DEZA.

Auf dem internationalen Parkett gehe es beispielsweise darum, die UN-Reform und die neue Finanzarchitektur voranzutreiben. Die Schweiz trage im Rahmen der Entwicklungs- und Ostzusammenarbeit sowie der Humanitären Hilfe zur Krisenlinderung bei.

Weiter setze die vom Parlament beabsichtigte Erhöhung der Entwicklungshilfe auf 0,5% des Bruttonationaleinkommens ein positives Signal zur richtigen Zeit.

Das Parlament in Bern werde voraussichtlich im kommenden Herbst über die zusätzlichen Budgetmittel beraten.

swissinfo und Agenturen

Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) ist die Agentur für internationale Zusammenarbeit im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA).

Sie ist Teil der Schweizer Behörden (Verwaltung) und zuständig für die Gesamtkoordination der Entwicklungs- und Ostzusammenarbeit mit andern Bundesämtern sowie für die humanitäre Hilfe der Schweiz.

Sie erbringt ihre Leistungen mit rund 600 Mitarbeitenden und rund 1000 lokalen Angestellten.

Von den 600 Mitarbeitenden haben 340 mit der Reorganisation neue Stellenprofile erhalten.

Das DEZA-Jahresbudget 2008 betrug 1,4 Mrd. Franken.

Regionale Zusammenarbeit: Sie konzentriert sich auf 17 Schwerpunktländer und 7 Sonderprogramme.

Humanitäre Hilfe: Ihr Ziel ist es, Leben zu retten und Leiden zu lindern.

Ostzusammenarbeit: Sie unterstützt demokratische und marktwirtschaftliche Reformen in Partnerländern des Westbalkans und der ehemaligen Sowjetunion.

Die Schweiz hat bisher rund 136 Mio. Franken für Projektfinanzierungsgesuche der neuen EU-Staaten genehmigt.

2009 und 2010 ist laut Deza mit einem massiven Anstieg der Gesuche zu rechnen.

Beantragt wurden beispielsweise Mittel zur Reorganisation von Kinderheimen, zur Modernisierung des Gerichtswesens, zur Förderung erneuerbarer Energien und zur Sanierung der öffentlichen Infrastruktur.

Bei den Ländern handelt es sich um Estland, Lettland, Litauen, Polen, die Tschechien, die Slowakei, Slowenien, Ungarn, Zypern und Malta.

Zur Vorbereitung des Erweiterungsbeitrags zu Gunsten von Bulgarien und Rumänien wurde 2008 ein Zusatz zur Vereinbarung mit der EU unterzeichnet.

Die Botschaft soll dem Bundesrat voraussichtlich im Frühjahr unterbreitet werden.

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