
Die Ernte wird eingefahren

Das Parlament will vor den nationalen Wahlen vom Herbst möglichst viele der offenen Vorlagen abschliessen.
Im Programm der Sommersession der beiden Kammern tauchen denn auch kaum neue Geschäfte auf.
Die Sommersession vom 2. bis 20. Juni ist für National- und Ständerat die zweitletzte vor den Wahlen im Herbst. Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier wollen daher möglichst viele hängige Vorlagen unter Dach bringen. Im Bundeshaus nennt man dies Differenzbereinigung.
Abschliessen wollen die Räte die 11. Revision der AHV und die 1. Revision der beruflichen Vorsorge (BVG). Am Zug ist zunächst der Ständerat. Streitpunkt ist die finanzielle Abfederung des vorzeitigen Altersrücktritts für weniger gut Verdienende.
Hingegen soll nun die zweite Säule (Pensionskasse) auch kleinen Einkommen geöffnet werden. Von dieser Massnahme könnten hauptsächlich Frauen profitieren, da diese oft nur Teilzeitjobs haben.
Sozialabbau umstritten
Die jüngsten Vorschläge, mit denen Bundespräsident Pascal Couchepin die Sozialwerke längerfristig sanieren möchte (darunter das Rentenalter 67), werden die Diskussion beleben. Die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) hat dazu eine dringliche Debatte verlangt.
Nach dem Schiffbruch vom letzten Dezember nimmt die grosse Kammer, der Nationalrat, erneut Anlauf zur Revision des Krankenversicherungs-Gesetzes (KVG). Neu soll die Prämienlast so weit gemildert werden, dass sie für Familien mit Kindern und für andere wenig Verdienende maximal 2 bis 12% des Haushalteinkommens ausmacht.
Gleichzeitig zeichnet sich ab, dass der Staat künftig die Prämie für das zweite Kind zur Hälfte und ab dem dritten Kind gänzlich übernehmen muss.
Steuerpaket und Agrarreform
Mit den letzten Differenzen beim Steuerpaket befasst sich die kleine Kammer, der Ständerat. Lenkt dieser etwa bei der Frage der Wohneigentums-Besteuerung nicht auf die nationalrätliche Linie ein, muss die Einigungskonferenz darüber entscheiden.
Auch bei der Agrarpolitik 2007, welche die Landwirtschaft näher an den Markt bringen soll, zeichnet sich eine Annäherung zwischen den beiden Räten ab. Einzig in der Frage eines bis 2009 dauernden Moratoriums für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) in der Landwirtschaft herrscht noch Uneinigkeit.
Den letzten Schliff verpassen die Räte dem verschärften Kartellgesetz, dem DNA-Profil-Gesetz (genetischer Fingerabdruck) und dem Jugendstrafrecht.
Föderalismusreform mit NFA
Zwei Tage reserviert hat sich der Nationalrat für die Debatte zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA). Die vom Ständerat bereits gut geheissene «Revitalisierung des Föderalismus» missfällt dem links-grünen Lager. Es befürchtet «mehr Kantönligeist» und einen Sozialabbau.
Zudem reichten Behindertenorganisationen eine Petition mit 178’000 Unterschriften gegen den NFA ein. Sie fordern, dass Invalidenversicherung (IV) und Ergänzungsleistungen (EL) aus der Vorlage gestrichen werden. Die bewährte Behindertenpolitik werde durch den NFA aufs Spiel gesetzt.
«Kiffen» im Nationalrat
Auch zum neuen Betäubungsmittel-Gesetz kündigt sich eine Grossdebatte an. Im Einklang mit Bundesrat und Ständerat soll nun auch der Nationalrat das «Kiffen», genauer den Konsum von Cannabis, für straffrei erklären. Dies empfiehlt die vorberatende Kommission.
Neu schlägt sie eine Lenkungsabgabe auf Cannabis vor, die den Preis eines Joints etwa verdoppeln und rund 300 Millionen Franken für die Alters- und Hinterbliebenen-Versicherung (AHV), die IV und die Suchtprävention einbringen soll.
Mutterschaftsurlaub bald Realität?
Der Mutterschaftsurlaub von 14 Wochen – ein überparteiliches Projekt aus dem Nationalrat – wird mit einigen Korrekturen wohl auch die Hürde im Ständerat nehmen. Um die Akzeptanz beim Volk zu erhöhen, wird sie mit der neuen Vorlage für höhere Entschädigungen an die Rekruten verknüpft.
Ohne Referendum könnte die Mutterschaftsversicherung damit auf Anfang 2004 in Kraft gesetzt werden, ansonsten etwas später. Damit würde ein vom Volk abgelehntes Projekt über den Weg durchs Parlament schliesslich doch noch wahr.
Bürgerrecht im Zweitrat
Enge Entscheide zeichnen sich im Ständerat zur Revision des Bürgerrechts ab. Laut Entscheid der Ständeratskommission sollen Ausländer der dritten Generation nur auf ausdrückliches Begehren der Eltern hin das Bürgerrecht erhalten.
Jährlich werden in der Schweiz rund 10’000 Kinder geboren, die der dritten Generation zugerechnet werden. Die Frage ist, ob die Schweiz ein Land sein will, in dem die meisten Einwohner auch Staatsbürger sind, oder ein Land, in dem viele Menschen ohne die Rechte und Pflichten von Staatsbürgern leben.
Riesenloch im Budget
Wie immer im Sommer nehmen sich beide Räte zudem den Geschäftsbericht des Bundesrates und die Staatsrechnung vor. Der Einnahmeneinbruch hat 2002 aus dem budgetierten Minus von 294 Millionen ein Defizit von 3,3 Milliarden Franken gemacht.
Zumindest das bürgerliche Lager wird deshalb die Dringlichkeit des neuen Sparpakets unterstreichen.
swissinfo und Agenturen
Schwerpunkte der Sommersession im Nationalrat:
Rüstungsprogramm 2003
Bundesgesetz über die Verwendung von DNA-Profilen
Änderung Kartellgesetz
Geschäftsbericht des Bundesrates 2002
Neugestaltung des Finanzausgleichs (NFA)
Änderung Betäubungsmittelgesetz
Teilrevision Krankenversicherungsgesetz
Schwerpunkte der Sommersession im Ständerat:
Steuerpaket 2001
Geschäftsbericht des Bundesrates 2002
11. AHV-Revision
1. BVG-Revision
Agrarpolitik 2007
Bundesgesetz über die Verwendung von DNA-Profilen
Änderung Kartellgesetz
Volksinitiative. «Avanti – für sichere und leistungsfähige Autobahnen»
Revision Erwerbsersatzgesetz: Ausweitung der Erwerbsersatzansprüche auf erwerbstätige Mütter
Kulturgütertransfergesetz
Revision Bürgerrechtsregelung

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