
Montenegro: Überraschender Wahlausgang

Die vorgezogenen Parlamentswahlen in Montenegro sind am Sonntag (22.04.) ohne klares Votum für die Unabhängigkeit von Serbien ausgegangen. Es kam zu keinen Zwischenfällen. Laut CVP- Nationalrat und Wahlbeobachter Remo Galli gab es einzig Unklarheiten über bestimmte Wahl-Vorschriften.
Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen in Montenegro haben die Verfechter einer staatlichen Unabhängigkeit um Präsident Milo Djukanovic nur eine knappe Mehrheit bekommen. Die Befürworter der Abspaltung von Jugoslawien (Serbien/Montenegro) können auf etwa 51 Prozent der Stimmen bauen, sind aber von einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament weit entfernt, wie die staatliche Wahlkommission am Montag in der Hauptstadt Podgorica mitteilte. Damit schien ein Streit um die von Djukanovic angekündigte Volksabstimmung zur Unabhängigkeit vorprogrammiert.
Die nach Unabhängigkeit strebende Djukanovic-Koalition «Sieg von Montenegro» erhielt nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmen in der kleineren jugoslawischen Teilrepublik 42,05 Prozent. Der Liberale Bund, der ebenfalls ein selbstständiges Montenegro befürwortet, kommt auf 7,65 Prozent. Lokale Albanerparteien erhielten gut 2,4 Prozent. Dagegen kann das pro-serbische Bündnis «Gemeinsam für Jugoslawien» 40,67 Prozent der abgegebenen Stimmen für sich verbuchen. Die Wahlbeteiligung betrug 81 Prozent – ein Rekordergebnis.
Überrascht über Verlauf und Ergebnis
CVP-Nationalrat und Wahlbeobachter Remo Galli zeigte sich überrascht über den friedlichen und problemlosen Verlauf der Wahlen.»Wir waren alle erstaunt darüber, wie friedlich die Menschen verschiedenster Ethnien zusammen sassen und gemeinsam wählten», sagte er gegenüber swissinfo. Auch nach der Wahl, als das Ergebnis bekam war, sei es entgegen aller Vermutungen zu keinen Ausschreitungen gekommen.
Galli beobachtete die Wahlen in einem kleinen Bergdorf naher der kosovo-albanischen Grenze. «Es war kalt und es schneite. Die Leute leben dort in sehr einfachen Verhältnissen.»
Djukanovic gibt nicht auf
Obwohl Djukanovic hinter Wahlumfragen deutlich zurückblieb und jetzt eine Koalitionsregierung bilden muss, erklärte er sich zum Sieger. «Es ist ein wichtiger Sieg für die Parteien, die die Eigenstaatlichkeit wollen», sagte er vor seinen Anhängern. Indirekt räumte er aber ein, dass er ein besseres Ergebnis erwartet hatte. «Wir sind uns bewusst, dass wir uns der Vereinigung der politischen Kräfte versichern müssen, um unser Ziel zu erreichen», sagte er.
Nach Angaben von unabhängigen Wahlbeobachtergruppen dürfte die Verteilung der Mandate im 77-sitzigen Parlament wie folgt aussehen: «Sieg von Montenegro» 35, «Gemeinsam für Jugoslawien» 33, Liberale 6 und zwei kleinere Albaner-Parteien zusammen 3 Mandate.
Belgrad zufrieden
Belgrad reagierte mit Zufriedenheit auf das gute Abschneiden des pro-serbischen Blocks. Djukanovic könne jetzt vom Referendum «nicht mal träumen», sagte Dragoljub Micunovic, Präsident der Bürgerkammer des jugoslawischen Parlaments. Deswegen sollten umgehend Verhandlungen über eine neue Verfassung des gemeinsamen Bundesstaates zwischen Serbien und Montenegro beginnen.
In der Bundesrepublik Jugoslawien ist die Teilrepublik Montenegro neben dem acht Mal grösseren Serbien der Juniorpartner. Die Regierung in Podgorica erkennt die politischen Entscheidungen aus Belgrad nicht mehr an. Sie hat ein eigenes Wirtschaftssystem mit der D-Mark als Währung aufgebaut. Vor dem Sturz des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic ist Montenegro finanziell und politisch erheblich aus dem Ausland unterstützt worden.
swissinfo und Agenturen

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