Nationalrat sagt Ja zu Armee-Einsatz für G8-Gipfel

Nach ausgedehnter Debatte hat sich die grosse Parlamentskammer für einen Einsatz der Armee am G8-Gipfel in Evian ausgesprochen.
Vorstösse von rechts und links hatten keine Chance. Mehrere Soldaten wollen nicht einrücken.
Die Schweizer Armee unterstützt die zivilen Polizeikräfte während des G8-Gipfels im französischen Evian am Genfersee. Dort werden sich vom 1. – 3. Juni die Chefs der acht führenden Industrienationen treffen – darunter George W. Bush und Tony Blair.
Kritik kam am Donnerstag im Nationalrat von links und rechts: Sie richtete sich nicht nur gegen den geplanten Armee-Einsatz, sondern auch gegen den Gipfel selber sowie gegen dessen Gastgeberland Frankreich.
«Ein Affront»
«Wenn die Franzosen diesen Gipfel wollen, sollen sie ihn in Paris veranstalten und die Lasten allein übernehmen», sagte Ulrich Schlüer von der Schweizerischen Volkspartei (SVP). Es sei ein Affront, das Treffen an der Grenze zur Schweiz durchzuführen.
Auch der Sozialdemokrat Paul Günter monierte, Frankreich habe der Schweiz mit der Standortwahl eine grosse Last aufgebürdet.
Weitere Votanten wollten den Bundesrat verpflichten, die Grundrechte der Bevölkerung zu garantieren, sich am globalisierungskritischen Dialog zu beteiligen und die Zahl der eingesetzten Soldaten zu beschränken.
Und die Sozialdemokratin Jacqueline Fehr doppelte nach: «Es stellt sich tatsächlich die Frage, ob sich die Armee nicht einfach ein buntes Jahresprogramm zusammenstellt, um ihre Existenz zu rechtfertigen – erst das WEF, dann die Ski-WM in St. Moritz, nun Evian, und wer weiss, welch spektakuläre Einsätze noch folgen.»
«Nicht aus der Verantwortung stehlen»
Nach der harschen Kritik folgten am Montag die Antworten des Departementchefs Samuel Schmid. Der Verteidigungsminister machte klar, dass die Armee nur soweit gehe, als sie einen Auftrag von Kantonen, Behörden und Parlament erhalte.
Der Einsatz sei kaum mit dem am World Economic Forum (WEF) in Davos vergleichbar. Dort hätte nur ein Ort geschützt werden müssen. Total würden für Evian 5’600 Armeeangehörige eingesetzt.
Die Schweiz sei ihrerseits bei internationalen Konferenzen auch auf nachbarschaftliche Hilfe angewiesen und dürfe sich nicht aus der Verantwortung stehlen, sagte Schmid.
Ausserdem würden sich die G8-Staaten in Evian nicht allein, sondern zusammen mit dem «Nouveau Partenariat pour le Développement de l’Afrique» treffen. Und dies sei durchaus im Interesse der Ärmsten.
Soldaten wollen verweigern
Derweil hatten einige aufgebotene Soldaten in der Sonntagspresse gedroht, zum Einsatz nicht einzurücken. Auf einer Internet-Site hatten sie zur Verweigerung aufgerufen.
Schmid machte deutlich: «Während eines Militärdienstes darf der Angehörige der Armee das Tragen von Waffen mit scharfer Munition nicht verweigern. Eine solche Verweigerung hätte für ihn disziplinar- oder strafrechtliche Konsequenzen.»
Der Nationalrat, die grosse Kammer, sagte schliesslich mit 11 gegen 46 Stimmen bei 12 Enthaltungen ja zum Einsatz der Armee. Das Geschäft wird am Mittwoch in der kleinen Kammer, dem Ständerat, beraten.
swissinfo, Christian Raaflaub
In Evian-Les-Bains treffen sich vom 1. bis 3. Juni die Staatschefs der acht führenden Industrienationen.
Die Schweiz hat Frankreich zugesichert, im Rahmen ihres Prinzips «Sicherheit durch Kooperation» bei der Durchführung des Gipfeltreffens mitzuhelfen.

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