Kernen sah Gold und fand Bronze
Walchhofer, Aamodt, Kernen. Die Schweiz holt an der WM-Abfahrt der Männer in St. Moritz die erste Medaille. Österreich seine dritte Goldene.
Die Königsdisziplin wurde ihrem Namen gerecht. Gutes Wetter, 38’000 Zuschauer und eine tolle Stimmung im Ziel und im Dorf.
Einige Minuten lang erreichte die Stimmung im Zielraum Goldniveau. Dann nämlich, als auf der Anzeigetafel 1. Kernen, 2. Cuche stand und der grosse Favorit, der Super-G-Sieger Stefan Eberharter aus Österreich, hinter den beiden Schweizern ins Ziel fuhr.
Zeit liegen gelassen
Doch sahen die Zuschauerinnnen und Zuschauer, welche im Ziel die Fahrten der Fahrer auf einem riesigen Bildschirm verfolgten, dass Bruno Kernen, der Weltmeister von Sestriere 1997, im technisch schwierigen Mittelteil etwas Zeit liegen liess. Kernen sagte denn auch: «An dieser Stelle habe ich etwas zu wenig attackiert, da ich im Training dort immer Fehler machte.»
Ebenfalls sahen die Leute im Ziel deutlich, dasss Didier Cuche, verglichen mit der Konkurrenz, oben etwas viel Zeit liegen liess. Dass er im oberen Teil Zeit verlieren würde, wurde allgemein auch erwartet, aber über vier Zehntel, das war dann doch zu viel.
Didier Cuche, der Glücklose
Vier Medaillen, so das Minimalziel der Schweizer Delegation. Noch bleiben der Schweiz die Abfahrt der Damen und die beiden Riesenslaloms um Medaillen zu gewinnen. Eine Medaille im Slalom wäre eine grosse Überraschung. Drei kapitale Möglichkeiten noch, doch nur noch eine für Didier Cuche, der noch im Riesenslalom an den Start geht.
Ausgeschieden ist er in der Abfahrt der letzten WM in St. Anton und ausgeschieden ist er auch im Super-G in Salt Lake City. Jetzt in St. Moritz hatte der Neuenburger den Fuss am Podest.
«Tant pis», sagte Cuche am Ziel, ein wenig enttäuscht über Platz vier. «Ich habe einige kleine Fehler gemacht, aber mit der Leistung bin ich trotzdem zufrieden. Leider blieb halt nur der Vierte Platz.»
Gute Mannschaftsleistung
So bangte man zu Recht um den Spitzenplatz, als dem besten Abfahrer der Saison, dem Österreicher Michael Walchhofer, eine optisch perfekte Fahrt gelang. Als der unverwüstliche Norweger und Rekord-Medaillengewinner an WM und Olympischen Spielen, Kjetil Andre Aamodt auf Platz zwei fuhr, waren die Weltmeister- und Silberträume der Schweiz beendet.
Als dann – es war ganz still im Zielstadion – Hermann Maier die Zeit von Kernen nicht erreichte, freuten sich die Schweizer Fans – halt doch leise gedämpft – über die bronzene Auszeichnung. Die erste Schweizer Medaille an dieser Weltmeisterschaft.
Der ehemalige Schweizer Spitzenabfahrer Peter Müller fand die Leistung der Schweizer Mannschaft «super» und meinte, 3. Kernen, 4. Cuche, 7. Hoffmann, dass sei ein hervorragendes Ergebnis. Einzig Franco Cavegn auf Rang 25 sei etwas hinter den Erwartungen geblieben.
Riesenapplaus an der Siegerfeier
«Das war sicher die Fahrt des Lebens», wurde der neue Weltmeister Michael Walchhofer gefragt. Der junge Österreicher wollte sich aber noch nicht auf sein ganzes Leben festlegen lassen und antworte diplomatisch: «Na ja, es war sicher eine gute Fahrt.»
«Am Ziel auf die Konkurrenten zu warten, ist oft nervenaufreibender als selber zu fahren», sagte Bruno Kernen noch und widmete seine Bronzemedaille der Schweiz!
Als dann im Zielraum das Podest aufgestellt wurde und die ersten drei aufs «Stockerl» stiegen, strahlte Bruno Kernen Genugtuung aus. Nach dem tosenden Applaus freute er sich offensichtlich über die bronzene Auszeichnung. Wer ihm allerdings genau ins Gesicht schaute, sah, dass er gerne Weltmeister geworden wäre.
«Es ist sicher ein gutes Gefühl, wieder eine Medaille an Weltmeisterschaften zu gewinnen», sagte Kernen. Es zeige auch, wie man mit Beharrlichkeit wieder zurückkommen könne. In die vergangenen, erfolglosen Jahren musste er ja einiges an Spott über sich ergehen lassen und die Bronzemedaille kam auf den Tag genau sechs Jahre nach seinem Weltmeistertitel in Sestriere.
swissinfo, Urs Maurer St. Moritz
1. Michael Walchhofer, AUT 1:43.54
2. Kjetil Andre Aamodt, NOR 1:44.05
3. Bruno Kernen, SUI 1:44.51
4. Didier Cuche, SUI
5. Stephan Eberharter, AUT
6. Ambrosi Hoffmann, SUI
25.Franco Cavegn, SUI
Eine Abfahrtspiste hat zahlreiche Schlüsselstellen, die alle Namen tragen.
Auf der Piste Corviglia hat es:
Willy’s Gate: Das erste Tor ist nach dem Startabschnittschef Willy Bassin benannt
Freier Fall: Der steilste und längste Starthang der Welt. 100% Gefälle (45 Grad). Beschleunigung 0 – 137 km/h in 7 Sekunden.
Cürva: Romanisch-italienischer Dialekt für Kurve
Lanigiro: Rückwärts gelesen «Original». So hiess in den 30er Jahren die Konkurrenz-Bigband zu Teddy Stauffers Original Teddys..
Tschainas: Aus dem Romanischen für Abendweide
Alp Giop (Wachholderstrauch): Hier fährt der Fahrer bei einer kleinen Alphütte vorbei.
Rominger: Der Sprung wurde nach dem vierfachen einheimischen Weltmeister der 30er Jahre Rudolf Rominger benannt.
Lärchensprung: Die Abfahrtspiste liegt über der Waldgrenze. Nur eine markante Lärche trotzt der Höhe. Von hier sieht der Fahrer das Ziel in Salastrains.
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