
Rechter Zulauf

In der Schweiz hat der harte Kern der rechtsextremen Aktivisten dieses Jahr weiteren zugenommen. Eine drastische Zunahme gibt es bei Skin-Konzerten.
Der harte Kern der rechtsextremen Szene besteht nach der Einschätzung von Urs von Daeniken, Leiter des Dienstes für Analyse und Prävention (DAP) des Bundesamts für Polizei, heute aus 900 bis 950 Aktivisten. Dies bedeutet gegenüber dem Vorjahr eine leichte Zunahme, wie er in einem Interview der Nachrichtenagentur AP sagte.
Der von Allmen-Mord
Das Jahr war geprägt durch mehrere Veranstaltungen von Rechtsextremen mit bis zu 900 Besuchern. Dabei stammte bis zur Hälfte der Anwesenden aus dem benachbarten Ausland. Diese Zahlen sind laut von Daeniken auch im internationalen Vergleich hoch. Dem DAP wurden 55 Veranstaltungen mit rund einem Dutzend bis zu mehreren hundert Teilnehmern bekannt.
Als besondere Entwicklung dieses Jahres strich von Daeniken das Tötungsdelikt von Ende Januar am 19-jährigen Berner Oberländer Marcel von Allmen heraus: «Mit diesem Tötungsdelikt wurde in der Schweiz erstmals ein Szenenmitglied wegen angeblichen Verrats durch ‚Kameraden‘ auf brutale Art exekutiert», sagte er.
Der 19-Jährige war von vier Kollegen in der Ruine Weissenau erschlagen und im Thunersee versenkt worden, weil er ein Schweigegelöbnis des von der Gruppe gebildeten rechtsextremen «Ordens der arischen Ritter» gebrochen haben soll.
Mehr politisches Engagement
Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten weist dieses Jahr mit 39 registrierten Fällen (ohne Widerhandlungen gegen die Rassismusstrafnorm) eine leicht rückläufige Tendenz auf. Dem DAP wurden 94 durch Rechtsextreme ausgelöste Vorfälle bekannt, verglichen mit 134 im Vorjahr. 1999 waren es erst 41 Vorfälle gewesen.
Als weitere besondere Entwicklung ist laut von Daeniken festzustellen, dass sich einzelne Gruppen von Gewalt zu distanzieren und eine politische Perspektive zu entwickeln versuchen. «Es gibt konkrete Anhaltspunkte für ein verstärktes politisches Engagement rechtsextremer Gruppierungen», sagte er.
Im Vordergrund stehen die Nationale Partei Schweiz (NPS) und die Partei National Orientierter Schweizer (PNOS). Mit den wenigen Dutzend bisher aktiven Rechtsextremisten seien jedoch keine grossen Erfolge zu erwarten.
Gewalt unberechenbar
Die Gewaltbereitschaft der rechtsextremen Szene bleibt laut dem DAP weiterhin unberechenbar. Dabei steht derzeit weniger die organisierte Gewalt durch grössere Gruppen im Vordergrund.
Das Problem ist vielmehr die latente Gewaltbereitschaft einzelner Aktivisten, die sich zur Gewaltanwendung legitimiert sehen durch das Gefühl, eine grössere Basis hinter sich zu haben. Bei Sportveranstaltungen ist das Gewaltpotenzial von Rechtsextremen zusammen mit Hooligans beträchtlich.
Gewalt bei Kundgebungen
In der linksextremen Szene manfestiert sich das Gewaltpotential vor allem bei Kundgebungen: Dies hat sich im laufenden Jahr etwa bei den Aktionen gegen das Weltwirtschaftsforum Davos, an der 1.-Mai-Feier in Zürich sowie an der Pfingstdemo vom 2. Juni in Bern gezeigt.
Im Gegensatz zur rechtsextremen Gewalt richtet sich die linksextreme Gewalt laut von Daeniken in der Regel gegen Sachen, wobei die Hemmschwelle niedrig ist. Ausgenommen sind Ordnungskräfte und Personen, die als «Faschisten» beurteilt werden.
Über die Grösse der gewaltbereiten linksextremen Szene liegen keine verlässlichen Zahlen vor. Es ist von einem harten Kern von mehreren Dutzend Leuten auszugehen, denen es gelingt, mehrere hundert gewaltorientierte Aktivisten anlassbezogen vor Ort zu mobilisieren.
Dieser lokale Zusammenschluss im «Schwarzen Block» stellt laut von Daeniken jeweils ein erhebliches Gewaltpotenzial und eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar.
Swissinfo und Onna Coray, dpa

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