
Was Expats auf dem Schweizer Wohnungsmarkt suchen und wie stark sie die Preise treiben

Wo ziehen Arbeitsmigranten und Expats hin, welche Ansprüche haben Sie an ihre Wohnung? Eine neue Studie gibt Aufschluss und zeigt, welchen Effekt die Zuwanderung auf Mieten und Häuserpreise in der Schweiz hat.
Mieten, Einfamilienhäuser, Eigentumswohnungen: Wo man hinschaut, im Schweizer Immobilienmarkt, kennen die Preise nur eine Richtung: nach oben. Und auch die Wohnungsnot zieht immer weitere Kreise.
Einer der Treiber dieser Entwicklung ist die Zuwanderung. In den letzten 25 Jahren ist die Bevölkerung der Schweiz von 7,2 auf über 9 Millionen angewachsen. Vor allem infolge der Arbeitsmigration. Besonders hoch war die Nettozuwanderung in diesem Jahrzehnt, in dem die Flüchtigen aus der Ukraine hinzukamen.
Entsprechend verläuft die politische Debatte in der Schweiz: Die Furcht vor weiteren Wachstumsschmerzen prägt die Verhandlungen um neue bilaterale Verträge mit der EU.
Dabei ist die Zuwanderung der letzten Jahre hausgemacht. Die Schweiz braucht Fachkräfte und findet sie ennet der Grenze. 2024 gingen zwei von drei neu geschaffenen Stellen an Personen aus dem Ausland, insbesondere aus den Nachbarländern. Deutschland, Frankreich und Italien vereinen fast 40 % des Nettozuzugs.
Eine neue Studie liefert nun einen Beitrag zur Versachlichung der emotional geführten Diskussion. Der Beitrag des Beratungsunternehmens Wüest PartnerExterner Link leuchtet aus, wie sich Zuzügerinnen und Zuzüger aus dem Ausland auf dem Schweizer Immobilienmarkt verhalten und welche Effekte sie tatsächlich auf Mieten und Preise haben.
Wir fassen die wichtigsten Punkte zusammen.
Stadt, Land, Agglo: Wo ziehen Expats und Arbeitsmigranten am liebsten hin?
Zuzüger aus dem Ausland bevorzugen urbane Räume, schreiben Wüest Partner. Nur ein Drittel dieser Gruppe erwäge einen Umzug aufs Land, während sich bei den Schweizerinnen und Schweizern doch 40 % diesen Schritt vorstellen können.
Dabei sind die grossen Städte bei beiden Gruppen gleich beliebt. Zugewanderte entscheiden sich aber häufiger für die sogenannte periurbane Agglomeration, den Übergang zwischen Stadt und Land, sowie Klein- und mittelgrosse Städte, weil diese Regionen günstiger, aber dennoch gut erschlossen sind.
Vergleicht man die Kantone, verzeichnen Genf, Wallis, Basel-Stadt, Schaffhausen, Neuenburg und Zürich einen überdurchschnittlichen internationalen Wanderungssaldo.
Was auffällt: Die grossen Zentren Genf, Basel-Stadt und Zürich ziehen trotz Wohnungsnot und hohen Angebotsmieten überdurchschnittlich viele Erstzuzüger aus dem Ausland an. Innerhalb der Schweiz ist der Wanderungssaldo dieser Städte aber negativ.
Genf und Zürich mit ihren internationalen Konzernen würden viele hochqualifizierte Arbeitskräfte anziehen, erklärt Robert Weinert, Chefanalyst von Wüest Partner, den Befund. «Sie können sich die hohen Mieten leisten.»
Die Binnenwanderung habe hingegen oft mit der Familiengründung zu tun. Wer mehr Wohnfläche benötige, weiche oft auf das günstigere Umland aus.
Betrachtet man nur die Binnenmigration, stechen die Kantone Schaffhausen und Freiburg heraus. Hier ziehen deutlich mehr Menschen aus dem Inland zu als weg, wobei Schaffhausen im Gegensatz zu Freiburg auch bei ausländischen Zuzügern gefragt ist.
«In beiden Kantonen sind Mieten und Wohneigentumspreise vergleichsweise günstig», sagt Weinert. Zudem sei die Steuerbelastung im regionalen Vergleich tief – besonders im Kanton Freiburg, der zwar landesweit nicht als steuergünstig gelte, aber zwischen den Hochsteuerkantonen Waadt und Bern vorteilhaft positioniert sei.
Was erwarten Zuzüger aus dem Ausland von einer Wohnung in der Schweiz?
Preis respektive Miete, Wohnfläche, Komfort und Helligkeit stehen bei über 90 % der von Wüest Partner Befragten an erster Stelle, unabhängig von der Nationalität.
Die unterschiedlichen Ansprüche betreffen nachgelagerte Kriterien. So legen Schweizerinnen und Schweizer mehr Wert auf Nachhaltigkeit wie ökologische Materialien oder Ökostrom sowie auf die Nähe zum sozialen Umfeld.
Zugewanderte priorisieren dagegen die Nähe zum Arbeitsplatz, eine gute Auto- und ÖV-Anbindung sowie Schulen im Quartier.
Die Unterschiede spiegeln auch die demographische Struktur der beiden Gruppen: Zugewanderte seien jünger, häufiger im Erwerbsalter und hätten öfter Kinder, weshalb praktische Kriterien dominierten, so Wüest Partner.
Schweizer Haushalte seien im Durchschnitt älter und wohlhabender und achteten stärker auf Wohnqualität und Umfeld. «Auch bei Familien mit Kindern bleiben diese Tendenzen sichtbar.»
Ausländerinnen und Ausländern wechseln zudem häufiger die Wohnung. Französinnen und Franzosen, die in der Schweiz leben, waren 2023 mehr als doppelt so umzugsfreudig wie Schweizerinnen und Schweizer.
Zugewanderte verlassen nicht nur häufiger das Land, auch innerhalb der Schweiz ziehen sie öfter um, wie Wüest Partner feststellen.
Die höchste Binnenmobilität, auch bezogen auf die zurückgelegte Strecke, verzeichnen Zugewanderte aus den Nachbarländern. Als mögliche Gründe machen Wüest Partner die insgesamt guten Jobchancen aus sowie das Bedürfnis nach günstigerem Wohnraum aus, insbesondere nach der Familiengründung.
Die Beherrschung einer Landessprache erleichtert zudem dieser Gruppe die Mobilität. Menschen aus Spanien, Portugal, Osteuropa oder der Türkei bevorzugen kürzere Distanzen, «vermutlich, um in der Nähe ihres sozialen Netzwerks zu bleiben», so die Autor:innen von Wüest Partner.
Schweizer oder Ausländer: Wer verbraucht mehr Wohnraum pro Kopf?
Ausländer beanspruchen pro Kopf weniger Wohnraum als Schweizer, und das deutlich. Während Schweizer Haushalte im Mittel 1.9 Zimmer pro Person bewohnen, sind es bei Ausländern 1.4. Entsprechend liegt auch die durchschnittliche Wohnfläche tiefer.
Mögliche Gründe für den Befund seien Einkommensunterschiede, sagt Weinert. Oder die bei ausländischen Familien im Durchschnitt höhere Kinderzahl «Nicht zuletzt ist die Wohneigentumsquote unter den Schweizerinnen und Schweizern höher. Und Wohneigentümer verbrauchen in den allermeisten Fällen mehr Wohnfläche pro Kopf.»
Was ist Ihre Meinung? Debattieren Sie mit:
Sind Expats und Arbeitsmigranten Käufer oder Mieter?
Im Jahr 2023 waren 44,1 % der Haushalte mit durchgängiger Schweizer Staatsangehörigkeit Wohneigentümer. In gemischten Haushalten lag die Quote bei 27,5 %, in rein ausländischen Haushalten bei nur noch 12,3 %.
«Auch nach mehreren Jahren in der Schweiz bleiben Zugewanderte somit grossmehrheitlich Mieterinnen und Mieter», schreiben Wüest Partner.
Gründe seien das geringere Durchschnittsalter, oft temporär geplante Aufenthalte sowie begrenzte finanzielle Mittel – insbesondere ein nicht ausreichendes Erbkapital, das beim Immobilienerwerb in der Schweiz immer wichtiger wird.
Zwischen 2013 und 2023 sank die Eigentumsquote bei Schweizer Haushalten um 0,5 Prozentpunkte, bei ausländischen Haushalten um 1,8.
Wie wirkt sich die Zuwanderung auf Mieten und Immobilienpreise aus?
Obwohl Zugewanderte in der Mehrheit Mieter seien, würden jene mit hohen Einkommen nach einigen Jahren vermehrt Wohneigentum oder Ferienwohnungen erwerben, so Wüest Partner.
Weil durch die Zuwanderung die Nachfrage im Mietwohnungsmarkt wachse, schaue sich zudem ein Teil der inländischen und ausländischen Bevölkerung nach Wohneigentum um, was den Markt indirekt antreibe.
Laut Wüst Partner verteuert ein Bevölkerungsplus von 1 % Einfamilienhäuser um 0.88 % und Stockwerkeigentum um 1.37 %. Während die Angebotsmieten in diesem Szenario um 1% stiegen.
Dass der Effekt im Mietermarkt ähnlich hoch ausfalle wie bei Eigentumspreisen, obwohl Zugewanderte mehrheitlich Mieter seien, führen die Studienautoren auf die stärkere Regulierung des Mietmarkts zurück, die preisdämpfend wirke.
Wüest Partner betonen in ihrem Fazit, dass die Preise durch andere Entwicklungen noch stärker beeinflusst würden: «Für Wohneigentum sind Hypothekarzinsen, Wirtschaftswachstum und Inflation entscheidend; im Mietsegment dominieren Referenzzinssatz, Inflation und Leerwohnungsziffer.»
Editiert von Balz Rigendinger

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