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Der Biber: Geschichte einer Rückeroberung

Den Tag verbringt er meist im selbst gegrabenen oder aus Holzknüppeln aufgeschichteten Bau. Keystone

Er ist scheu, lebt zurückgezogen und doch ganz nahe beim Menschen. Der Biber ist in den letzten fünf Dekaden wieder in der Schweiz heimisch geworden.

Der sympathische Nager weiss sich gut an seine Umgebung anzupassen. Neu stillt er seinen Hunger auch mal mit Mais oder Zuckerrüben.

Kein bisschen Angst scheint er vor uns zu haben, während er zuerst grast und sich dann zum Dessert ein Stück Holz packt, es ins Wasser zieht und dort genüsslich an der Rinde knabbert.

Ein Biber, an der Aare bei Solothurn? Marcel Tschan, Jagd- und Fischereiverwalter des Kantons Solothurn, schätzt, dass sich das grösste Nagetier Europas vor 15 bis 20 Jahren hier niedergelassen hat.

“Es gibt Biber auf der ganzen Aarestrecke von Grenchen bis Schönenwerd, die Hauptpopulation lebt in der Region Solothurn, vor allem beim Einlauf der Emme”, erklärt Tschan gegenüber swissinfo.

Fast vollständig ausgerottet

Das war lange nicht mehr so. Einst in der ganzen Schweiz heimisch, war der Biber im 19. Jahrhundert praktisch vollständig ausgerottet worden.

Zwei seiner Eigenschaften erwiesen sich als verhängnisvoll: Einerseits wurde er wegen seines Fells gejagt, andererseits galt sein Fleisch als Delikatesse. Fatalerweise verfügte die Kirche, dass Biberfleisch dem Fisch gleichzusetzen sei, da das Tier einen fischähnlichen Schwanz hat.

So gelangte der Bäume fällende und Dämme bauende Nager gerade an hohen kirchlichen Feiertagen oder auch während der Fastenzeit als Fischersatz auf die Teller der Bürger. Bereits 1685 wurde ein Biber-Kochbuch mit rund 200 Rezepten veröffentlicht. All dies führte zu seiner faktischen Ausrottung.

Wiederansiedelung

Reinhard Schnidrig, Leiter der Sektion Jagd- und Wildtiere beim Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL), begrüsst die Präsenz des Bibers in der Schweiz gegenüber swissinfo: “Die Aussetzungen in den 1960er-Jahren haben funktioniert, vor allem in den Landesteilen, wo an den Flüssen noch genügend Nahrung wächst.”

Ausgesetzt wurden die Nager zuerst in der West- und dann der Ostschweiz. Tschan sagt weiter: “Die westliche, aus dem Wallis stammende Population verbindet sich in unserem Kanton mit der östlichen, aus dem Raum Aargau-Zürich. Der damit einher gehende Gen-Austausch ist überlebenswichtig für den Biber”, so Tschan.

Schäden

Denkt man an die Fressgewohnheiten des liebenswerten Nagers, erscheint vor dem geistigen Auge unwillkürlich ein in einer einzigen Nacht gefällter Baumstamm, sauber abgenagt. Und wenn sich da an einem Flusslauf eine ganze Bibersippe ernährt?

“Die von Bibern verursachten Schäden sind aus volkswirtschaftlichem Blickwinkel nicht tragisch, eher marginal”, beschwichtigt Reinhard Schnidrig vom BUWAL.

Und für Hilfe ist gesorgt: “Die Bundesgesetzgebung sieht vor, dass durch Biber verursachte Schäden entschädigt werden müssen –je 50% durch den Bund und die Kantone”, sagt Schnidrig.

Für eine Vergütung müssen geschädigte Landwirte allerdings nachweisen, Schutzmassnahmen wie Zäune, Einbinden von Bäumen, etc., getroffen zu haben.

Marcel Tschan beschreibt, was Biber in seinem Solothurner Aufsichtsgebiet schon alles angestellt haben:

“Zuckerrüben gräbt er gleich reihenweise aus, wenn das Feld weniger als 20 Meter vom Wasser entfernt ist, lässt es aber bei 200 bis 500 m2 bewenden.”

Es sei einfach feststellbar, dass Biber am Werk gewesen seien, “dank der Schleifspuren auf dem Feld und den Rutschbahnen über die Uferböschung ins Wasser”.

Auch Biber kennen Frust

Frustriert musste jener Biber im Wallis gewesen sein, der einen Spalierbaum fällen wollte. Der Baum blieb nämlich – ganz entgegen der bisherigen Lebenserfahrung des Nagers – stehen, da seine Zweige an Drähten befestigt waren.

Und so wollte nicht nur der erste Spalierbaum nicht fallen, sondern auch mehrere Hundert Kollegen nicht. Ein Fall für den Biber-Psychiater!

Der Baumeister

Der europäische Biber baut ganz allgemein nicht so viele Dämme wie sein nordamerikanischer Verwandter. In einem stark fliessenden Gewässer wie der Aare wäre dies auch nicht möglich.

Er gräbt jedoch Tunnels in Uferverbauungen. Da sich der Zugang immer unter dem Wasserspiegel befindet, ist davon normalerweise nichts zu sehen. “Nachdem auf einer Uferstrasse am Emmekanal ein Lastwagen wegen eines Biberbaus durch die Strassendecke gebrochen war, haben wir festgestellt, dass der Tunnel über 20 Meter weit in die Erde reichte”, so Tschan.

Wie viele Biber leben in der Schweiz?

“Der Biber ist ein einheimisches, geschütztes Tier, er wird nicht gejagt”, erklärt Reinhard Schnidrig. Den Menschen erkenne er nicht als Feind, dessen “besten” Freund, den “umgewandelten Wolf” – also den Hund – hingegen schon.

Die letzte Bibererhebung Ende der 1990er-Jahre hat einen landesweiten Bestand von 400 bis 500 Tieren offen gelegt. Die vielen Neumeldungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Bestände wachsen. Schnidrig schätzt, die neue Erhebung im nächsten Winter werde einen Biberbestand von 500 bis 1000 Tieren ausweisen.

An den Menschen gewöhnt

Biber haben sich gut an das Zusammenleben mit dem Menschen gewöhnt. Dieses zeigt manchmal eigenartige Auswüchse. So zog bei einem Hochwasser vor fünf Jahren ein Biber über eine Brücke in die Stadt Solothurn und bezog beim Sitz der Kantonsregierung Stellung.

Dort fing man ihn ein und brachte ihn zurück in die Aare. Das Kopfsteinpflaster scheint ihm jedoch schlecht bekommen zu sein, er hatte einen wunden Schwanz.

Marcel Tschan folgert daraus: “Je grösser die Biberpopulation wird, desto näher lässt er sich in der Nähe der Städte nieder und desto mehr legt er seine Scheu vor dem Menschen ab. Er ist ein Nagetier und als solches sehr lernfähig.”

swissinfo, Etienne Strebel

Der Eurasiatische Biber (Castor fiber) ist das drittgrösste Nagetier der Welt. Er wird 20-30 kg schwer, 80 – 100 cm lang, dazu der Schwanz (30 – 40 cm).
Auffällig sind 4 Nagezähne sowie der abgeplattete Schwanz (Kelle), der beim Schwimmen als Steuerruder dient.
Eine Biberfamilie braucht ein Revier von 0,5 – 3 km Uferlänge. Dieses markiert sie mit einem moschusartig riechenden Duftstoff (Bibergeil).
Er ist Pflanzenfresser: Rinde, Zweige, Blätter und Wurzeln.
Biber halten keinen Winterschlaf, sie legen Wintervorräte an.
Biber leben in festen Paaren. Nach einer Tragzeit von 105 Tagen kommen im April/Mai 1 – 5 Junge zur Welt, die 3 Monate gesäugt werden.
Die Jungen bleiben zwei Jahre bei den Eltern, dann werden sie vertrieben.
Biber werden 15 bis maximal 20 Jahre alt.

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