Wenn Mobbing in der Schule zum Schlimmsten führt
Mobbing unter Schülerinnen und Schülern ist ein weit verbreitetes Problem: Studien zufolge sind fünf bis zehn Prozent der Jugendlichen betroffen. Das Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS) hat Erfahrungsberichte zusammengetragen, die veranschaulichen, wie gravierend Mobbing tatsächlich ist.
Wiederholte Hänseleien, Schikanen, Rempeleien und manchmal sogar Diebstahl – die Zahl der Mobbingfälle steigt laut aktuellen Studien (Pisa 2019) alarmierend an.
Die Folgen können verheerend sein. Im Herbst 2023 nahm sich die 22-jährige Morane das Leben. Sie war fast vier Jahre lang gemobbt worden.
Daraufhin gründete Mélanie Comby, Moranes Mutter, den Verein «Morane». Seit eineinhalb Jahren klärt sie mit Schulbesuchen über die fatalen Folgen von Mobbing auf.
Die Reportage von RTS (auf Französisch):
Samen bei den Schülerinnen und Schülern säen
«Das Foto, das Sie dort sehen, entstand drei Monate vor Moranes Tod. Sie behielt alles für sich, und zu keinem Zeitpunkt konnten wir erkennen, dass sie jahrelang gemobbt worden war», erzählt Mélanie einer Schulklasse. Von den ersten Worten an hören die Teenager fassungslos zu.
Mélanie Comby berichtet weiter: «Morane hatte stark abgenommen. Auf meine besorgte Nachfrage hin erklärte sie, eine Mädchengruppe würde sie ärgern, sie habe die Situation aber im Griff.»
«Man schrieb ihr Drohungen wie: ‹Wir werden dich zur Verzweiflung treiben und dich dabei filmen.› Eines Abends sagten sie ihr: ‹Du hast nur eines zu tun, geh und bring dich um.› Und das tat sie.»
Nach dem Besuch nehmen die Schülerinnen und Schüler zwar ihren Alltag wieder auf, doch Mélanie Comby hofft, den Samen des Nachdenkens gesät zu haben. «Ich werde künftig mehr über meine Taten und Worte reflektieren. Sehe ich jemanden allein, werde ich eher auf sie zugehen», versichert eine Schülerin.
Mobberin bricht ihr Schweigen
Laurence hat in ihrer Jugend ein Mädchen in der Schule gemobbt. Zwei Jahrzehnte später quälen sie immer noch lebhafte Erinnerungen. «Ich lauerte ihr auf, machte ihr Angst, beschimpfte sie und machte mich über sie lustig. Wir sperrten sie in Toiletten ein, schlugen sie und zerrten an ihren Haaren. Ihre Demütigung war unsere Unterhaltung», gesteht sie gegenüber RTS.
«Mein Ziel war stets das Mädchen, das weniger im Mittelpunkt stand, das nicht die neueste Kleidung trug. Es ging darum, sicherzustellen, dass ich gut integriert blieb, dass mich die ganze Klasse mochte und ich mitspielen konnte. Doch wenn ich allein war, sagte ich mir: ‹Das geht nicht, ich muss aufhören.›» Schliesslich bat Laurence ihr Opfer um Verzeihung – und erhielt sie.
Ihre Taten verfolgen sie bis heute. «Ausgerechnet das Mädchen, das weniger im Rampenlicht stand und nicht modisch gekleidet war, hatte ich ausgewählt. Heute achte ich bei meinen Kindern extrem darauf, ihnen stets die neueste Kleidung zu kaufen – aus Angst vor einem Miststück wie mir, das ihnen wehtut.»
Mobbingprävention
Heute verfügen alle Schulen in der Westschweiz über Aktionspläne. Im Wallis ist der Kampf gegen Mobbing sogar gesetzlich verankert.
«Erst gestern betreuten wir ein weinendes Mädchen, das uns seine Situation schilderte. Wir werden Kontakt mit ihren Eltern aufnehmen, um ihr zu helfen und dafür zu sorgen, dass sie ihr Selbstvertrauen zurückgewinnt», erklärt Mélanie Comby.
Der Verein «Morane» hat eine rund um die Uhr erreichbare Telefonhotline eingerichtet. Wöchentlich gehen dort fünf bis sieben Hilferufe verzweifelter Schülerinnen und Schüler oder Eltern ein. Der Verein leitet sie an spezialisierte Fachstellen weiter.
Die Walliser Schule hat die Präventionsaufgabe zu einem ihrer Hauptanliegen gemacht. Der Kampf gegen Mobbing wurde in das Walliser Schulgesetz aufgenommen, das derzeit in der Vernehmlassung ist.
Im Internet:
Für die Förderung der psychischen Gesundheit in der Romandie und im Tessin: santépsy.chExterner Link
Onlineberatung für Kinder und Jugendliche: Kopf hochExterner Link
Für 18- bis 25-Jährige: ontécoute.chExterner Link
Zur Prävention von Suiziden bei Jugendlichen: stopsuicide.chExterner Link
Für Sensibilisierung, Ausbildung und Massnahmen im Bereich der psychischen Gesundheit: minds-ge.chExterner Link
Telefonisch:
147: Pro Juventute – Zuhören und Beratung für Jugendliche (147.chExterner Link)
143: Die Dargebotene Hand – Zuhören und Beratung für Erwachsene (143.chExterner Link)
144: Krankenwagen – Notfälle
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch