
Die Schweiz punktet in Osaka mit Heidi, Hightech und Raclette

Am 13. Oktober schliesst die Weltausstellung Expo 2025 in Japan. Die Besucherinnen und Besucher müssen sich den Eintritt in die Länderpavillons verdienen, werden aber beim schweizerischen mit Raclette und Heidi belohnt.
(Keystone-SDA) Auch Mitte September legt sich die Hitzeglocke noch bleischwer über Osaka. 32 Grad zeigt das Thermometer an, dazu ist die Luft schwül-feucht. Innert Minuten tropft der Schweiss. Das hält die Japanerinnen und Japaner aber nicht davon ab, in Scharen zur Weltausstellung Expo 2025 zu strömen.
Mitten drin: der kleine, aber feine Schweizer Pavillon. Durchschnittlich über eine Stunde warten die Gäste geduldig, um in einem Mosaik nach Andy Hug zu suchen, Schweizer Innovationsprojekte anzuschauen und auszuprobieren sowie, vielleicht am wichtigsten, ein Foto mit Heidi als Comicfigur zu machen.
Anzustehen gilt es praktisch überall. Eine halbe Stunde für ein Sandwich im Convenience-Laden, mindestens eine Stunde für die meisten Pavillons, zwei Stunden für den japanischen. 26,5 Millionen Menschen pilgern von Mitte April bis Ende September auf die 155 Hektaren grosse, künstliche Insel Yumeshima vor der japanischen Millionenmetroplole.
«Designing Future Society for Our Lives» – die zukünftige Gesellschaft für unser Leben gestalten – lautet das Motto. Bereits zwei Wochen vor dem Ende der Ausstellung am 13. Oktober wird der Billettverkauf eingestellt. Zum Abschluss ist der Ansturm noch einmal besonders gross. Auch, weil die Temperaturen langsam abkühlen.
Weniger Besucher, höhere Qualität
Den Schweizer Pavillon werden etwa eine Million Menschen besucht haben, rund 5500 pro Tag. Das sind etwas weniger als erwartet und deutlich weniger als die 1,7 Millionen vor vier Jahren in Dubai. Aber: «Die Qualität der Besuche ist wesentlich höher», erklärt Béatrice Bleuler, Kommunikationsmanagerin des Schweizer Expo-Auftritts in Osaka. «Die Verweildauer liegt bei 20 Minuten, und die Besucherinnen und Besucher sind aufmerksam, machen mit und sind sehr interessiert an unseren Präsentationen.»
13,2 Millionen Franken lässt sich der Bund den Auftritt kosten, daneben leisten auch Sponsoren einen Beitrag. Da die Baukosten in Japan höher sind als in Dubai und das Budget gleich geblieben ist, ist der Pavillon entsprechend kleiner.
Klein, aber eben fein. Der Schweizer Pavillon besteht aus einem Betriebsgebäude und fünf kugelförmigen Ausstellungsräumen. Als erstes erwartet die Besucherinnen und Besucher ein grosses, scherenschnittartiges Wandpanorama, das Landschaften, Städte, Gewerbe und Industrie zeigt. Als kleine Details finden sich darin auch Figuren wie der zu früh verstorbene Kampfsportler Andy Hug, in Japan noch immer hoch verehrt, sowie natürlich Heidi.
Weiter werden 25 Projekte von Fachhochschulen, Forschungsinstituten und Unternehmen aus Bereichen wie Biowissenschaften, Gesundheit und Ernährung, Nachhaltigkeit, Klima, Energie, Robotik oder Künstlicher Intelligenz vorgestellt, bei denen die Gäste auch selbst Hand anlegen oder Fragen beantworten können.
Interaktivität stösst bei den Japanerinnen und Japanern sowieso auf Begeisterung – erst recht die Möglichkeit eines Fotos mit Heidi. Dass die Japaner aus ihr einst eine Comic-Figur gemacht haben, hat wesentlich zur weltweiten Popularität von Johanna Spyris Kinderbuchliebling beigetragen.
Der leichteste Pavillon der Expo-Geschichte
Dass das kleine Restaurant im obersten Stock, für das man eine weitere Stunde in einer Warteschlange steht, «Heidi Cafe» heisst, ist da nur logisch. Der grosse Renner ist das Raclette, authentisch mit Kartoffeln, Zwiebelchen und Cornichons. Bis Mitte September waren bereits über 20’100 Portionen verkauft.
Von den Einheimischen gibt es viel Lob für den Schweizer Pavillon. Megumi Nakai, die für die Expo-Organisation ausländische Medienschaffende durch das Gelände führt, schwärmt geradezu: «Das Thema ist gut durchdacht und das Design auf den Menschen ausgerichtet. So streicht es auf eine elegante und inspirierende Art Nachhaltigkeit und Originalität heraus», sagt sie.
Ausserdem sei der Schweizer Pavillon der leichteste, den es je an einer Expo gegeben habe. Nur 400 Kilogramm schwer ist die filigrane Konstruktion. Die Hülle wird nach der Ausstellung für Möbel wiederverwendet, das Funktionsgebäude kommt für die Organisationseinheit Präsenz Schweiz, die beim Aussendepartement (EDA) angesiedelt und beim Schweizer Expo-Auftritt federführend ist, immer wieder zum Einsatz.
Im Schatten Österreichs
Optisch steht die Schweiz allerdings im Schatten des auch in Osaka direkten Nachbarn Österreich – was bei den heissen Temperaturen kein Nachteil ist. 16,5 Meter hoch ist das aus Niederösterreich angelieferte Notenband aus massivem Holz, das die ersten Takte aus Beethovens «Ode an die Freude» darstellt.
Auch Deutschland richtet mit der grossen Kelle an, allerdings mit einem komplett gegensätzlichen Ansatz. Es lässt sich den Auftritt rund 50 Millionen Euro kosten, nutzt praktisch ausschliesslich Materialien aus Japan, die auch nach der Expo dort bleiben, und schafft den Spagat zwischen Information und Interaktion hervorragend.
Überhaupt könnten die Ansätze der Länder unterschiedlicher kaum sein. Italien setzt auf Gemälde von Caravaggio oder Tintoretto und erstmals gezeigte Manuskripte von Leonardo da Vinci.
Frankreich verzichtet gleich ganz auf einen wissenschaftlichen Ansatz und ignoriert das offizielle Expo-Motto. Stattdessen zeigt es Koffer und Taschen einer Luxusmarke sowie Abendroben eines berühmten Couturiers, beides natürlich wichtige Geldgeber. Europäische Besucher rümpfen die Nase, japanischen gefällt dies durchaus. «Das ist es, was wir uns unter Frankreich vorstellen», lautet der Tenor.
Applaus für Trump
Die Schweiz hat in Japan ein anderes, aber ebenfalls sehr positives Image. Tradition und Innovationskraft verbinden die beiden wirtschaftlich starken Nationen. «Wir verbinden die Schweiz mit Vertrauen, Qualität, Präzision und Innovation», sagt Megumi Nakai. «Aber auch mit Sorge und Verantwortung für die Umwelt und Schönheit der Natur.»
Auf letzteres setzen im Übrigen auch die Pavillons der USA und Kanadas, die mit schönen Landschaften und Städten zu punkten versuchen. Bei den Amerikanern erlebt man den Start einer Rakete ziemlich hautnah mit und wird gewohnt grossspurig von Donald Trump begrüsst. «Das goldene Zeitalter Amerikas ist nun angebrochen», verspricht der US-Präsident per Videobotschaft – und erntet dafür auf der englischsprachigen Tour spontanen Applaus.
Rund um die Länderpavillons zieht sich ein 20 Meter hoher «Ring» aus Holz, auf dem man das Gelände in gut zwei Kilometern zu Fuss umrunden kann – die grösste Holzkonstruktion der Welt, mit alten Techniken unter Mithilfe neuer Technologien erbaut. Ausserhalb des Rings stehen die Eventhalle, Themenpavillons und der riesige Souvenirshop. Die Schlange davor bedeutet geschätzt drei Stunden Wartezeit, der Europäer wird sein Erinnerungsstück wohl eher online bestellen.
«Unser Ziel ist eigentlich schon, die Wartezeiten so kurz wie möglich zu halten», sagt Megumi Nakai. «Aber die Leute stehen an, weil sie sich spannende Ausstellungen anschauen wollen. Und es ist in Japan nicht ungewöhnlich, für beliebte Attraktionen anzustehen.» Sie seien mit dem Besucheraufmarsch und den Reaktionen auf jeden Fall sehr zufrieden. Der Durchschnitts-Japaner ist geduldiger als der gewöhnliche Europäer. Da trifft es sich gut, stammen nur rund zehn Prozent der Expo-Besucher aus dem Ausland.
Nach dem Besuch ist auch die U-Bahn voll, aber gewohnt effizient. Und der Kleber mit der Kinderfigur, die an der Wagentür davor warnt, sich die Finger einzuklemmen, sieht Heidi verblüffend ähnlich.