Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Entscheidender Augenblick für die internationale Justiz

Die erste Versammlung des Gerichts findet am UNO-Sitz in New York statt. swissinfo.ch

Die Schweiz trifft sich diese Woche zusammen mit 77 Ländern zur ersten Versammlung des Internationalen Strafgerichtshofs in New York.

Ein Projekt, in das die Schweiz vertraut, obschon die Grossmächte Druck dagegen ausüben.

Pierre Hazan, Autor der Publikation “Justiz und Krieg” (“La justice face à la guerre”), ist überzeugt, dass “diese Versammlung historisch von Bedeutung ist. Sie bezeugt einen riesigen Fortschritt in der internationalen Rechtssprechung.”

“Ein grosser Schritt nach vorn, mit dem die Feindseligkeiten zwischen den grossen Mächten wie Russland, China und USA zu überwinden wären”, versichert Hazan weiter.

Deshalb werde es in New York an der ersten Versammlung vor allem eine Frage geben, die sich die Mitglieder des Internationalen Strafgerichtshof (ICC) stellen: Wird die internationale Gemeinschaft gegen die Meinung der Vereinigten Staaten bestehen?

Europa ist geteilter Meinung

Die Schweiz hat diese Frage für sich schon entschieden. Der Bund hatte sich stark für das Entstehen eines solchen Gerichts engagiert. So war die Schweizer Regierung auch unter den ersten, die sich dem Prinzip eines bilateralen Vertrags mit den Vereinigten Staaten verweigerte. Ein Vertrag, bei dem sich die Schweiz verpflichen würde, keine US-Bürger vor diesen Gerichtshof zu bringen.

Dieser Punkt steht im Zentrum der Kampagne, die die USA gegenwärtig gegen den Gerichtshof führen. Zum momentanen Zeitpunkt haben zwar erst vier Länder einen solchen bilateralen Vertrag mit den USA unterzeichnet. Es handelt sich um Israel, Rumänien, Ost-Timor und Tadschikistan.

Aber der amerikanische Druck nimmt zu und teilt sogar die Länder innerhalb der Europäischen Union, wo insbesondere Italien und Grossbritannien ausscheren. Die 15 Staaten haben sich bis Ende Monat Zeit gegeben, um eine gemeinsame Position einzunehmen.

Hochrisiko-Versammlung

Unter diesen verwirrenden Bedingungen ist diese erste Versammlung der Höchstinstanz dieses Gerichtshofs nicht risikolos. Sie findet übrigens am Sitz der Vereinten Nationen in New York statt. Gemäss der Internationalen Föderation für Menschenrechte (FIDH) wird bei diesem Meeting hoch gepokert: es geht um die künftige Unabhängigkeit dieses Gerichts.

Die Versammlung wird über den Modus zu befinden haben, wie die 18 Richter des künftigen Gerichtshofs gewählt werden sollen. “Deren Qualifizierung und Unabhängigkeit sind ausschlaggebend für das Funktionieren des Gerichts”, versichert die FIDH.

Budget von 50 Millionen Franken

Das New Yorker Meeting soll auch die Texte absegnen, die während den letzten zehn Sitzungen der vorbereitenden Kommission des Gerichtshof ausgearbeitet wurden. Diese sind für ein gutes Funktionieren des Gerichts unerlässlich, der mit einem Budget von rund 35 Millionen Dollar (rund 50 Mio. Franken) ausgestattet ist.

Um ihre Positionen zu verteidigen, hat die Schweizer Regierung Nicolas Michel als Delegationschef bestimmt. Michel leitet die Direktion internationales Recht im Aussenministerium. Michels Chef, Aussenminister Joseph Deiss, wird am kommenden 10. September ebenfalls an der Gerichtshofs-Versammlung teilnehmen. Diese fällt auf den gleichen Tag wie die offizielle Aufnahme der Schweiz in den Kreis der Vereinte Nationen.

swissinfo/Frédéric Burnand aus Genf
(Übertragung aus dem Französischen: Alexander Künzle)

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft