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Fasnacht in Australien?

Lisa - gestylt für die 80er Party. swissinfo.ch

Die Sommerferien sind vorbei, doch die Schweizer Austauschschülerin Lisa Christen (17) blüht regelrecht auf. Die neue Familie, Englischkurs und Gesangsunterricht sowie jede Menge Partys beflügeln. Ein Besuch der Blue Mountains wühlt auf.

Das Ende ihres Australienaufenthaltes naht. (Teil 14)

Meine Sommerferien sind wie im Fluge vergangen. Ich habe einen grossen Teil dieser Zeit am Strand, im Busch oder in der Stadt verbracht; zusammen mit meiner Familie, mit Freunden und Bekannten. Ich habe viele schöne neue Orte entdeckt.

Kleine grosse Welt!

Gegen Ende meiner Ferien erzählte mir meine Gastmutter, sie hätte von einer Nachbarin erfahren, dass ein Austauschschüler aus der Schweiz in unsere Strasse gezogen sei. Dieser Junge habe wie ich zuvor die Lithgow High School besucht. Ich traute meinen Ohren nicht! Das konnte nur Andreas sein.

Wir hatten damals einiges zusammen unternommen. Als ich jedoch nach Perth “geflüchtet” war, verlor ich den Kontakt zu ihm. Und nun wohnt Andreas in derselben Strasse wie ich. Ich schrieb ihm ein SMS und erfuhr, dass auch er die “Turramurra High School” besucht. Verrückt! Die Welt ist eben doch klein!

Ich erinnere mich an einen deutschen Austauschschüler, den ich im November auf einem Ausflug der Organisation nach Cairns traf. Er war ebenfalls in Lithgow zur Schule gegangen und musste noch in der letzten Woche seines Austauschjahres die Familie wechseln. Von ihm erfuhr ich, dass Andreas der einzige von uns fünf Austauschschülern gewesen war, der mit seiner Familie ein glückliches Los gezogen hatte.

Dies hat sich inzwischen auch geändert. Andreas sagt jedenfalls, es sei total schade, dass er nicht schon am ersten Tag seines Austauschjahres zu dieser neuen Familie gekommen sei.

Genauso gehts auch mir. Aber irgend einen Grund wird es gehabt haben, dass ich zuerst nach Portland kam. Ich bin auf jeden Fall um einige Erfahrungen reicher geworden.

Als ich nach meinen Ferien wieder zur Schule ging, entdeckte ich eine weitere neue Austauschschülerin. Iris kommt aus Villmergen im Kanton Aargau, wo meine Grossmutter und ein Teil meiner Verwandten wohnen.

Schon komisch, wen ich hier in “Down Under” alles antreffe. Ich dachte, wenn ich nach Australien gehe, würde ich weit weg von Zuhause sein. In solchen Momenten scheint dann alles wieder so nah.

Thema “Abtreibung” in der Schule

In der Schule hat sich sonst nicht sehr viel getan. Der Schultag von 8.45 bis 15.00 Uhr kommt mir immer sehr lange vor. Dies wahrscheinlich, weil man den Unterricht nicht mit jenem in der Schweiz vergleichen kann. In der Schweiz wird sehr viel gefordert, was ich hier nicht so empfinde.

Meine “Food Tech”-Lehrerin sagt uns beim Lesen des Skripts immer, was wir unterstreichen müssen. Meine “Family and Community Studies”-Lehrerin erzählt oft aus ihrem Leben oder eine Geschichte, die total aus der Luft gegriffen scheint. Und plötzlich müssen wir eine Arbeit schreiben. Ich schreibe momentan über Abtreibung. Das hab ich mir allerdings selbst eingebrockt. Das Thema ist nicht einfach, aber interessant.

Meistens bin ich froh, wenn der Schultag zu Ende ist und ich mich mit Freunden treffen, ins Fitness Studio gehen, die Gesangsstunde besuchen oder nach Hause zur Familie gehen kann.

Neu habe ich mich nun in China Town in Sydney-City für einen Englischkurs eingeschrieben. Der Kurs dauert fünf Samstage von 9.00 bis 13.30 Uhr und bereitet mich auf ein internationales Zertifikat vor. Die Prüfung dauert einen Nachmittag lang und wird an der Universität abgenommen. Folgen kann ich dem Kurs ganz gut. Nur spüre ich manchmal eine gewisse “Weekend-Müdigkeit”.

Aufwühlende Reise zurück in die Blue Mountains

Kürzlich traf ich bei einer Freundin einen Jungen aus den Blue Mountains. Ich erzählte Cameron von meiner Zeit in Portland und dass ich diese berühmten Berge nur von Weitem gesehen hätte.

Meine damaligen Gasteltern gingen leider nirgendwo hin mit mir. Nur einmal ganz zu Beginn erhielt ich die Erlaubnis, mit Freunden aus der Schule zu den “Three Sisters” zu fahren, den drei berühmten Felsen.

Cameron versprach, mir diese Region zu zeigen. Tatsächlich fuhr er bald darauf mit mir zu den Blue Mountains. Es war ein komisches Gefühl, wieder dort hoch zu fahren. Auf der dreistündigen Fahrt liess Cameron eine CD laufen, die ich mir früher oft mit Freunden aus Lithgow angehört hatte und die in mir alte Erinnerungen hervorrief.

Ich stellte mir vor, wie ich wohl reagieren würde, wenn ich auf meine alte Gastfamilie treffen würde. Diese Möglichkeit war glücklicherweise sehr klein. Trotzdem kamen die alten Gefühle wieder in mir hoch.

Als wir oben ankamen und den traumhaften Ausblick geniessen konnten, stieg eine Art innere Wut in mir hoch. Meine alte Gastfamilie wohnt nur eine halbe Stunde von hier entfernt. Doch nie war jemand mit mir hierher gefahren.

Nur die “Guggemusig” fehlte

An den Wochenenden finden öfters Geburtstagsfeste statt. Oder ich gehe mit Freunden aus. Kürzlich nahm ich an einer “Dress-up-Birthday-Party” teil. Da diese Freundin nur alle vier Jahre am 29. Februar Geburtstag feiern kann und heuer erst “acht” wurde, organisierte sie eine grosse “80er Jahre”-Party.

Also machte ich mich auf die Suche nach einer grossen Sonnenbrille, Gürtel, Netzhandschuhen… Ein Trost für die entgangene Fasnacht in Luzern; nur die “Guggemusig” fehlte.

Neulich spielte mein Gastvater im Auto den Song Chiwauwa von DJ Bobo, der in der Schweiz in meinem Heimatdorf wohnt. Ich war erstaunt, weil mich die Australier immer wieder fragen, welche berühmten Sänger in der Schweiz wohnten. Doch Rob erklärte mir, er habe das Lied in Italien gehört.

Schnellkurs in Japanisch…

Seit dem 29. Februar wohnt übrigens eine neue Gastschwester bei uns. Sie stammt aus Japan, heisst Mayumi und bleibt einen Monat lang hier. Nun muss ich mich wieder daran gewöhnen, das Badezimmer zu teilen. Mayumi ist schon 20 Jahre alt, sieht aber aus wie 17.

Da sie kaum Englisch spricht, ist es sehr anstrengend, mit ihr zu kommunizieren. Ich musste laut lachen, als sie mich in Japanisch ansprach. Sie hat mich 40 Sekunden lang voll gelabert, bis ich ihr sagen konnte, dass ich kein Wort verstehe.

Mayumi klopft acht Mal pro Tag an meine Tür und versucht jeweils zehn Minuten lang, mir irgend eine Frage zu stellen mit ihrem Übersetzungs-Computerchen. Ziemlich anstrengend! Aber sie ist sehr freundlich, und ich helfe ihr gerne.

Rückkehr in die Schweiz rückt näher

Die Zeit vergeht sehr schnell. Schon bald werde ich mich von allen hier verabschieden müssen. Einerseits freue ich mich, wieder nach Hause zu fliegen, meine Familie und Freunde wiederzusehen. Auch auf ein richtiges Brot mit Kruste freue ich mich, denn dieses australische Toastbrot kann ich schon seit langem nicht mehr ausstehen. Und es gibt noch viele andere kleine Dinge, auf die ich mich freue.

In der Schweiz haben wir eine Schulkantine im Innern der Schule. Hier essen wir den Fastfood bei jedem Wetter draussen. Manchmal ist es ganz schön kalt. Und die Schuluniform geht mir so langsam richtig auf die Nerven.

Andererseits habe ich mich hier richtig gut eingelebt. Die kleinen Gastgeschwister habe ich total lieb gewonnen. Auch wenn sie mich ab und zu mal nerven können, sind sie für mich wie eigene Geschwister geworden. Manchmal fühle ich mich auch fast ein wenig wie ihre zweite Mutter.

Mit den Gasteltern Rob und Kylie verstehe ich mich super. Da sie so jung sind, verstehen sie auch mich besser. Sie geben mir meine Freiheit und akzeptieren mich als Familienmitglied.

Auch gute Freunde habe ich gefunden. An Sydneys schöne Plätze, die Strände und an das lockere Leben habe ich mich schon gut gewöhnt. Und so gibt es auch hier in Australien einige Dinge, die ich sehr schätze und die mir fehlen werden, wenn ich wieder in der Schweiz bin.

Ich kann mir noch nicht richtig vorstellen, dass am 30. April alles vorbei sein soll. Es wird bestimmt nicht einfach sein, von hier wegzugehen. Noch vor ein paar Monaten hätte ich dies nicht für möglich gehalten!

swissinfo, Lisa Christen
(Bearbeitung: Thomas Vaszary)

Lisa-Deborah Christen (17) lebt zusammen mit ihrer Mutter Elsbeth (53) und den Brüdern Albrecht (23) und Basil (20) in Hergiswil im Kanton Nidwalden. Vater Hans starb im Jahr 2000.
Lisa geht am Kollegium St. Fidelis in Stans NW zur Schule.
August ’03 beginnt Lisa ihr Austauschjahr bei der Familie Coleman in Portland, Australien.
Unerwartet kommt es nach wenigen Wochen zum Eklat: Lisa verlässt die Familie Coleman und zieht nach Perth zu einer Auslandschweizerin, die sie über swissinfo kennen gelernt hat.
Während mehreren Wochen lebt Lisa bei der 5-köpfigen Familie Messina in Mount Kuring Gai. Zusammen mit ihrer Gastschwester Mary besucht Lisa die Turramurra High School.
Dann folgt ein erneuter Umzug: Lisa ist nun bei Kylie (31) und Rob (34) und ihren fünf Kindern Tahlia (3), Ryan (4), Dylan (7), Luke (9) und Corey (11). Sie besucht weiterhin die gleiche Schule.

Die 17-jährige Lisa Christen aus Hergiswil NW geht für ein Jahr lang als Austausch-Schülerin nach Australien.

Zuerst lebte sie inn Portland, New South Wales, 250 Kilometer von Sidney entfernt. Sie verliess jedoch mit dem Einverständnis ihrer Mutter die Gastfamilie.

Nach einem “Erholungs-Urlaub” lebte sie in der Nähe von Sydney, bei der Familie Messina in Mount Kuring Gai. Vor wenigen Wochen zügelte Lisa dann erneut: Sie ist nun bei der 7-köpfigen Familie Macri.

In ihrem Online-Tagebuch auf swissinfo.ch erzählt Lisa immer wieder von ihren Erwartungen, Erfahrungen und Begegnungen mit den Menschen im Land ihrer Träume.

Wer mit Lisa Kontakt aufnehmen möchte, erreicht sie unter lisachristen86@gmx.ch.

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