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Bankenregulierung ist Sache der Banken, nicht des Staates

Adriel Jost

Die Schweizer Banken sollten weit mehr Verantwortung für die Sicherung der Finanzstabilität in der Schweiz übernehmen als der Regulator oder der Gesetzgeber. Das sagt der Ökonom Adriel Jost, Fellow am Institut für Schweizerische Wirtschaftspolitik (IWP) und Präsident der Denkfabrik Liberethica.

Die Bankenregulierung unterliegt häufig dem Grundlagenirrtum, Banken wie marktwirtschaftliche Unternehmen behandeln zu wollen. Dies sind Banken aber nicht. Sie sind in unserem Wirtschaftssystem in ihrem Kern vom Staat abhängig.

Warum? Wir müssen kurz ausholen: Der Schweizer Franken ist als Währung ein staatliches, öffentliches Gut. Als gesetzliches Zahlungsmittel gelten in der Schweiz Banknoten, Münzen und Sichtguthaben bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB).

Faktisches Zahlungsmittel besteht aber in erster Linie aus dem Geld auf den Bankkonten. Dieses Geld finanziert wiederum die Banken. Banken werden also faktisch von ihren Kunden mit staatlichem Zahlungsmittel finanziert!  

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Kunden tun dies aber nur, weil die Nationalbank den Banken die nötige Liquidität bei Bedarf zur Verfügung stellt und so implizit verspricht, dass auch dieses Geld sicher ist. Sonst würden Kunden ihr Erspartes, das sie unter keinen Umständen verlieren möchten, nicht in eine Bank, also eine Firma mit kaum Eigenkapital, investieren.

Damit wird nicht nur die staatliche Abhängigkeit von Banken klar, sondern auch, dass Banken nicht wie andere Unternehmen untergehen können. Normale Unternehmen gehen unter, wenn das Eigenkapital aufgebraucht ist. Unter den Gläubigern wird aufgeteilt, was noch an Wert übrigbleibt.

Bail-in-Bonds funktionieren nicht

Würde bei Banken bei einem Untergang gleich vorgegangen, würde mit Verlusten bei Gläubigern staatliches Geld in Frage gestellt – etwas, das vermieden werden soll, weil systemische Auswirkungen garantiert wären. 

Es ist damit erstens keine Überraschung, dass der Staat viel stärker als bei anderen Unternehmen involviert ist, wenn Banken in Probleme geraten. Es ist politisch kaum möglich, den Geldgebern der Banken zu sagen, dass sie auf ihr Geld verzichten müssen. Denn damit würde das implizite Versprechen – unser Zahlungsmittel, der Franken, ist sicher! – gebrochen.

Zweitens wird damit auch klar, dass sich Fremdkapital von Banken nicht einfach abschreiben lässt. Wenn der Staat das Fremdkapital einer Bank nicht mehr garantiert, kratzt dies auch am Vertrauen anderer Banken. Das Risiko, dass auch andere Banken an Vertrauen und damit an Finanzierungsquellen verlieren, ist per Definition gross.  

Dies ist wichtig, um den Nutzen der sogenannten Bail-in-Anleihen richtig einzuordnen. Diese wurden im Nachgang der Finanzkrise mit dem Ziel eingeführt, die Kapitalbasis von systemrelevanten Banken zu stärken.

Wenn eine Bank in Schwierigkeiten gerät, kann der Regulator entscheiden, dieses Fremdkapital in Eigenkapital umzuwandeln. Weil der Wert einer Bank, der dies passiert, massiv sinkt, werden die Fremdkapitalgeldgeber grössere Verluste absorbieren müssen. Sie halten nun Aktien, doch sind diese nicht mehr viel wert.

Banken basieren aber nur auf dem Vertrauen, dass der Staat deren Fremdkapital schützt. Tut er dies nicht und verliert Fremdkapital an Wert, ist die Gefahr gross, dass andere Banken in den Strudel geraten. Bail-in-Anleihen sind darum kein Allheilmittel. 

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Dies mussten die Behörden auch beim Untergang der Credit Suisse feststellen. Wie zu erwarten war, wurde das Fremdkapital stark geschützt. Die Nationalbank sorgte dafür, dass alle Einleger ihr Geld abziehen konnten, indem sie die Liquidität der Credit Suisse sicherte und dafür sogar ihre eigenen roten Linien überschritt.

Bail-in-Anleihen wiederum wurden nicht ausgelöst, weil dies für grosse Verunsicherung gesorgt hätte. In den Worten von SNB-Präsident Thomas Jordan an der Pressekonferenz am 19. März 2023 wäre im damals vorherrschenden fragilen Marktumfeld ein “going into resolution […] anything else but helpful” gewesen.  

Ein drohendes moralisches Risiko

Darauf zu hoffen, dass dies bei einer nächsten Krise anders ist, ist naiv. Es ist zumindest sicher, dass dieses Kernstück der bestehenden TBTF-Regulierung, die Umwandlung der Bail-in-Anleihen in Eigenkapital, auch dann mit solch grossen Risiken verbunden sein wird, dass die verantwortlichen Entscheidungsträger nach anderen, potenziell für den Steuerzahler kostspieligen Alternativen suchen werden – zusätzlich zur Liquiditätsversorgung, deren Risiken auch wieder zu einem guten Teil vom Staat übernommen werden müsste. 

Was lässt sich also tun? Die Schweizer Politik steht vor einem Richtungsentscheid: Mehr Staat oder mehr Eigenverantwortung der Banken? Wer Industriepolitik mag, sieht den Nutzen einer globalen Grossbank und argumentiert, dass der Staat weitere Risiken übernehmen soll, um so das Vertrauen in die Bank zu stärken.

Dazu gehört die ordentliche Einführung eines Public Liquidity Backstops, also die Garantie des Bundes, die Verluste zu übernehmen, wenn die SNB der Bank im Notfall auch ohne Sicherheiten Liquidität zur Verfügung stellt. Dazu gehört auch, dass die FINMA mehr Befugnisse erhält, damit sie wirksamer eingreifen kann, bevor Probleme entstehen.

Das Problem dabei: Wenn die Verantwortung weiter an den Staat delegiert wird, nimmt der “Moral Hazard” zu, also beispielsweise die Anreize von Banken, erhöhte Risiken einzugehen oder das Auslandsgeschäft weiter zu fördern. Weitere Krisen mit noch höherem staatlichem Einsatz bei Rettungsaktionen werden darum nur noch wahrscheinlicher.  

Die Überschuldung abbauen

Aus liberaler Sicht kann dies nicht der Weg sein. Die Manager besser in Verantwortung zu ziehen, wie es die von der FINMA gewünschten Senior Management Regime und Bussenkompetenzen beabsichtigen, klingt in der Theorie gut.

Es wäre aber unrealistisch zu erwarten, dass Banken dadurch keine Fehler mehr machen und es nie mehr zu Bankabwicklungen kommen wird. Wichtiger ist darum, dass Banken zuerst in ihre eigene Stabilität investieren.

Und wenn es sich schon nicht vermeiden lässt, dass der Staat bei Missmanagement und der Abwicklung von systemrelevanten Banken involviert ist, so soll er dabei wenigstens kaum Risiken eingehen müssen.  

Beides gelingt, indem die Banken erstens sich nicht mehr auf Kosten des Staates überhöht verschulden. Also wäre massiv mehr (hartes) Eigenkapital angebracht. Nicht nur macht dies die Bank gegenüber jeglichen Schocks resilienter.

Wenn ein Minimum-Eigenkapital unterschritten wird und dies ein Abwicklungsautomatismus auslösen würde, wäre auch genügend Eigenkapital vorhanden, um die Abwicklung zu finanzieren. Zweitens darf es keine subventionierte Liquiditätssicherung mehr geben.

Das heisst, Banken sollen möglichst alle ihrer Einlagen mit werthaltigen Sicherheiten decken können, damit die SNB keine Risiken eingehen muss, wenn sie bei einem Bankrun Liquidität zur Verfügung stellt.

Im Minimum müssten Schweizer Banken diese Eigenverantwortung aber für ihre Auslandsgeschäfte wahrnehmen, weil diese Geschäfte eine Grösse annehmen können, welche bei einer Rettung oder Abwicklung einer Bank die Stabilität und Unabhängigkeit der Schweiz und des Schweizer Frankens gefährden kann.

Die in diesem Artikel geäusserten Ansichten sind ausschliesslich jene des Autors und müssen sich nicht mit der Position von SWI swissinfo.ch decken. 

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