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Dunkelt es in Liechtenstein?

Gewitterstimmung über Schloss Vaduz. Keystone Archive

Am Donnerstag behandelt das Liechtensteiner Parlament die umstrittene Verfassungsreform. Das Ergebnis kann die Schweiz nicht gleichgültig lassen.

Seit 10 Jahren tobt zwischen dem Monarchen Fürst Hans-Adam II. und der Liechtensteiner Regierung ein heftiger Streit: Er entbrannte 1992 ob der Frage des Abstimmungsdatums zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Der Fürst versuchte damals das Parlament aufzulösen und mittels Notrecht zu regieren.

Mehr Macht oder Exil

Seither kommt das «Ländle» nicht mehr zur Ruhe. Der Monarch pocht auf mehr verbriefte politische Macht. Konkret will er etwa den Staatsgerichtshof als Schiedsinstanz abschaffen, während sechs Monaten uneingeschränkt mit Notrecht regieren können oder die Regierung nach einem Vertrauens-Verlust sofort in die Wüste schicken dürfen.

Bei Nichterfüllung seiner Forderungen droht Hans-Adam II. mit Exil: «Wir lieben dieses Land, aber es kann nicht eine einseitige Liebe sein. Wenn man uns nicht mehr haben will, dann werden wir gehen», liess der Monarch gegenüber der Tageszeitung «Liechtensteiner Vaterland» verlauten. Voraussichtliches Exil: Wien.

Laut Umfrage spricht sich derzeit eine Mehrheit der Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner gegen den Wegzug des Monarchen aus. Die geplante Verfassungs-Reform stösst jedoch nicht nur bei den Oppositions-Parteien sondern auch im Volk mehrheitlich auf Widerstand.

Das Parlament befindet am Donnerstag über die Pläne Hans-Adams II. Voraussichtlich in der ersten Hälfte des nächsten Jahres wird das Volk zum Plebiszit an die Urne gerufen.

Enge Verflechtung mit der Schweiz

Die Schweiz beobachtet genau, was sich beim kleinen Nachbarn im Osten tut, sind die beiden Länder doch wirtschaftlich eng verflochten. Auf der Basis des 1923 geschlossenen Zollvertrags bahnte sich über Jahrzehnte eine partnerschaftliche Beziehung an, welche in eine gemeinsame Wirtschafts-, Währungs- und Postunion mündete. Heute stehen sich die beiden Nachbarn nicht nur wirtschaftlich und politisch, sondern auch rechtlich und kulturell sehr nahe.

Finanzen als grösster gemeinsamer Nenner

Die grössten gemeinsamen Interessen haben die beiden Kleinstaaten aber zweifelsohne in Finanzfragen: Sowohl die Schweiz als auch Liechtenstein sehen sich auf dem internationalen Parkett mit dem Vorwurf konfrontiert, durch das Bankgeheimnis unkontrollierten Geldtransfers Vorschub zu leisten. Das als Briefkastenfirmen-Mekka verunglimpfte Liechtenstein stand vorübergehend gar auf einer «schwarzen Liste» der OECD. Erst im vergangenen Juni schaffte das Land den Sprung vom Pranger.

Trotz dieser Geschäfte, die ab und an über Liechtenstein laufen, könne die Schweiz um den kleinen Nachbarn froh sein, sagt Reiner Eichenberger, Professor für Finanzwissenschaft an der Universität Freiburg, gegenüber swissinfo: «Für den Finanzplatz Schweiz ist es wichtig, dass sich der zunehmende Druck, das Bankgeheimnis zu lüften, auf verschiedene Länder verteilt. Ohne Verbündete wie Lichtenstein würde die Schweiz international als einzige Sünderin abgestempelt und stünde alleine da auf weiter Flur.»

Mittelstellung zwischen Schweiz und Europa

Liechtenstein ist als EWR-Mitglied nicht nur mit der Schweiz sondern auch mit Europa wirtschaftlich eng verflochten. Dieser Tanz auf zwei Hochzeiten sei für das «Ländle» sehr vorteilhaft, ist Reiner Eichenberger überzeugt.

Lichtenstein sei in Europa wirtschaftlich integriert, komme aber gleichzeitig in den Genuss der Schweizer Standortvorteile: «Liechtenstein kann unter anderem dank der Schweiz eine liberale Steuerpolitik aufrecht erhalten, profitiert von der Schweizer Verwaltung und kommt in den Genuss des Schweizer Frankens, der anderen Währungen in vielen Bereichen überlegen ist.»

Folgen für Tourismus

Sollte der Fürst eines Tages tatsächlich abdanken, würde Liechtenstein diese Trümpfe mit Sicherheit nicht aus der Hand geben, ist Eichenberger überzeugt. «Ein Rücktritt Hans-Adams II. hätte vor allem für den Tourismus Konsequenzen, ist doch in der öffentlichen Meinung ein Liechtenstein ohne Fürst bis jetzt schlicht undenkbar. Ohne die Touristen-Attraktion, die der Monarch darstellt, müsste das ‚Ländle‘ neue Wege gehen, sich zu vermarkten.»

Im Idealfall könnte sich laut Eichenberger ein republikanisch geläutertes Liechtenstein gar zum europäischen Modellfall entwickeln: Liechtenstein als Prototyp einer lebensfähigen kleinen Demokratie im grossen Europa. «Langfristig könnte eine Republik Liechtenstein, die sich in Europa behauptet, auch für die Schweiz eine Vorbildwirkung erhalten.»

Felix Münger

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