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Europa-Parlament kritisiert die Schweiz im Steuerstreit

EU-Währungskommissar Joaquin Almunia vor dem Europa-Parlament. Keystone

Im Steuerstreit Schweiz-EU unterstützen die beiden grössten Fraktionen der Europa-Parlamentarier das Vorgehen der EU-Kommission, die Verhandlungen fordert.

Konservative und Sozialdemokraten haben bei der Debatte am Donnerstag die Kritik von EU-Währungskommissar Joaquin Almunia an der Schweiz bekräftigt.

«Es geht hier unserer Auffassung nach nicht um einen Eingriff in die nationale Steuerhoheit, sondern um das Prinzip der Gleichbehandlung», sagte der deutsche CDU-Politiker Andreas Schwab als Vertreter der Fraktion der Europäischen Volkspartei im Parlamentsplenum in Strassburg.

Da müsse von Schweizer Seite nachgebessert werden, forderte er. Die Grundprinzipien der Europäischen Union müssten für alle gelten, die am Binnenmarkt teilhaben könnten, also auch für die Schweiz.

Auf den Zugang der Schweiz zum EU-Binnenmarkt verwies auch die französische Sozialistin Pervenche Berès. Es gehe beim Steuerwettbewerb um gesunden Wettbewerb, betonte sie.

Erfreut zeigte sich Berès darüber, dass sich die EU-Staaten einig sind bei der Unterstützung der Forderung der EU-Kommission nach Verhandlungen. Das sei nun anders als beim Ringen um die Zinsbesteuerung, als sich die EU-Staaten von der Schweiz hätten spalten lassen, betonte sie.

Die britische Liberale Diana Wallis, welche die Debatte als Präsidentin der für die Schweiz zuständigen Parlamentsdelegation verlangt hatte, sprach sich auch nicht explizit gegen Verhandlungen aus.

Liberale sehen keine Schädigung des Handels

Sie stellte jedoch die Argumentation der EU-Kommission grundsätzlich in Frage und verlangte Belege dafür, dass die Unternehmenssteuerprivilegien den Handel schädigten. Explizit wandte sie sich zudem gegen die Kritik der EU-Kommission, die Steuerpraktiken seien «räuberisch».

In ihrer Erklärung zu Beginn der Debatte betonte die EU-Kommission, Unternehmen verlagerten ihren Sitz nur in die Schweiz, «um die Gewinnbesteuerung in unseren Mitgliedstaaten zu umgehen».

EU-Währungskommissar Joaquín Almunia, der die im Ausland weilende EU-Aussenkommissarin Benita Ferrero-Waldner vertrat, bekräftigte den Willen Brüssels, mit Bern eine «für beide Seiten akzeptierbare Lösung zu finden».

Für Rechte ist die Schweiz Vorbild

Insgesamt ergriffen zehn Abgeordnete das Wort in der Debatte, bei der ein Grossteil der Sitzplätze leer war.

Von rechter Seite wandte sich der österreichische FPÖ-Politiker Andreas Mölzer gegen eine Erpressung der Schweiz, der italienische Lega-Nord-Abgeordnete Mario Borghezio sprach sich dafür aus, von der «wirtschaftlichen Freiheit» zu lernen.

Die links-grünen Fraktionen äusserten sich nicht. Bei den Einzelsprechern machte etwa der litauische Abgeordnete Aloyzas Sakalas klar, dass die Meinung in den grossen Fraktionen nicht einheitlich ist: Der Sozialdemokrat fragte sich, ob man an die Schweiz nicht höhere Anforderungen stelle als an die Mitgliedstaaten.

Die Aussprache im EU-Parlament hat rechtlich gesehen keine Auswirkungen. Die Erteilung eines Verhandlungsmandats ist in der Kompetenz der EU-Staaten.

swissinfo und Agenturen

Für die EU-Kommission stehen die Steuerprivilegien, die gewisse Schweizer Kantone ausländischen Unternehmen gewähren, im Widerspruch zu den Freihandelsabkommen von 1972 zwischen der Schweiz und der EU.

Unfair findet die europäische Exekutive die Steuerprivilegien, die einige Kantone Unternehmen gewähren, welche bei ihnen den Sitz ihrer Holdings eingerichtet haben, ihre Gewinne jedoch im Ausland realisieren.

Die EU fordert von der Schweiz, diese Steuerpraktiken aufzugeben und sich den EU-Bestimmungen anzupassen.

Artikel 23.iii des Freihandelsabkommens Schweiz-EU von 1972 sagt, «dass jede Hilfestellung der öffentlichen Hand, welche die Konkurrenz unter Unternehmen oder der Produktion von Waren beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht, mit dem Geist des Abkommens unvereinbar ist».

Das Abkommen von 1972 regelt ausschliesslich den Handel mit bestimmten Gütern (Industriegütern und Agrarprodukten).

Die Schweiz vertritt die Haltung, dass die Steuervergünstigungen in gewissen Kantonen für Auslandgeschäfte von Holdings, Verwaltungsgesellschaften und gemischen Gesellschaften nicht unter das Freihandelsabkommen mit der EU fallen.

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