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Ex-Swissair-Führung riskiert Gerichtsverfahren

Swissair-Sachverwalter Karl Wüthrich beim SAirGroup-Aktienstudium. Keystone

Der Sachverwalter der Swissair verklagt deren Konzernchefs und Verwaltungs-Räte, um einen Teil des Geldes einzutreiben, das 2001 verloren ging.

Karl Wüthrich sagte zu swissinfo, diese Klagen seien nur ein Beginn. Er ist zuversichtlich, auch von den Banken Geld zurück zu erhalten.

280 Mio. Franken will der Swissair-Sachwalter und Liquidator, Karl Wüthrich, von Top-Führungskräften und Politikern eintreiben, die für die Airline verantwortlich waren, bevor sie kollabierte.

Darauf wurde es den Steuerzahlern überlassen, die neugegründete Fluggesellschaft Swiss mit mehr als 1 Mrd. Franken zu finanzieren.

Wüthrich sagte diese Woche gegenüber Gläubigern, dass er Mitte März Klagen gegen den früheren CEO Philippe Bruggisser und Finanzchef Georges Schorderet eingereicht habe.

Der Sachverwalter verklagt auch ehemalige Mitglieder des Verwaltungsrats, unter anderen Thomas Schmidheiny, Lukas Mühlemann und Mario Corti. Der ehemalige Nestlé-Finanzchef Corti ersetzte Bruggisser, als die Probleme von Swissair an langssam ans Licht kamen.

Die ehemalige Führungsspitze muss sich weiter gravierenden Vorwürfen, wie das Fälschen von Dokumenten oder Vertrauensbruch stellen. Der kantonale Zürcher Staatsanwalt sagte gegenüber der Presse, er werde später in diesem Jahr Strafanklagen einreichen.

Die von Wüthrich verfügte Klage betrifft eine Transaktion innerhalb der Gruppe. Darin überschreibt die SAirGroup, die in Konkurs gegangene Muttergesellschaft der Swissair, einer Tochter-Firma namens Roscor AG die Tochtergesellschaft SAirLines, ohne von ihr eine entsprechende Kompensation zu erhalten.

Laut Wüthrich bewilligten Konzernspitze und Verwaltungsräte diese Übernahme. Deshalb seien sie persönlich verantwortlich für den Verlust, welcher der SAirGruppe entstand. Dessen Höhe schätzt der Sachverwalter auf 280 Mio. Franken.

Wüthrich versucht auch Geld zurück zu fordern von Beratern und Banken, die noch bezahlt wurden, kurz bevor dem Swissair-Untergang. Deponiert wurden bereits Forderungen gegen die Beraterfirma KPMG und die Deutsche Bank.

swissinfo: Ist die Roscor-Transaktion der einzige Fehler, welchen Management und Verwaltungsrat begingen? Schliesslich führte deren Strategie zur Zerstörung der nationalen Airline.

Karl Wüthrich: Die Roscor-Überschreibung ist nur der erste Schritt. Wir suchen nach weiteren Transaktionen, zum Beispiel nach dem Kauf grösserer Aktienpakete an verlustreichen Fluggesellschaften wie der belgischen Sabena oder der französischen Air Littoral.

Ich bin sicher, dass wir noch weitere Fälle finden, für die Management und Verwaltungsrat zur Verantwortung gezogen werden können.

swissinfo: Für wie hoch schätzen Sie Ihre Erfolgschancen ein? Zählen doch die von Ihnen angeklagten Leute zu den schwergewichtigen Business- und Politikgrössen des Landes.

K. W.: Ich reiche keine Klagen ein, wenn nicht Chancen auf Erfolg bestehen. Ich bin überzeugt, dass es sich hier um einen wichtigen Fall handelt. In allen bisher von mir behandelten Fällen mussten die Direktoren und die Beraterfirmen zahlen.

swissinfo: Haben Sie auch Indizien für kriminelle Aktivitäten? Der Zürcher Staatsanwalt ermittelt gegen dieselben Personen wegen Dokumentenfälschung. Oder handelt es sich lediglich um Inkompetenz und schlechte Entscheide?

K. W.: Ich will nur Geld von jenen zurück erhalten, die haften. In diesen Fällen waren die Entscheide der betreffenden Direktoren und Verwaltungsräte nicht im besten Interesse für das Unternehmen.

Sie nutzten nicht alle Informationen, die ihnen zur Verfügung standen. Und sie dachten die Konsequenzen ihres Handelns nicht sauber durch. Ein Direktorium muss verantwortungsvoll handeln, was hier nicht der Fall war.

swissinfo: Sie versuchen ebenfalls, von Banken und einigen Firmen, die die SAirGroup berieten, die Honorare zurück zu erhalten, die ihnen die Swissair zahlte, bevor sie bankrott ging. Was lief hier falsch?

K. W.: Kurz bevor das Insolvenz-Verfahren begann, wurden die Forderungen dieser Firmen und Banken in voller Höhe ausbezahlt. Deshalb sind sie gegenüber anderen Gläubigern bevorzugt behandelt worden. Das ist alles.

Es geht hier nicht um Inkompetenz oder um die Höhe der Auszahlungen. Es geht nur darum, dass sie in voller Höhe entschädigt wurden, und andere nicht.

swissinfo: Die Banken und Berater nahmen das Geld also, obschon sie wussten, dass die SAirGroup dem Bankrott nahe stand und andere Gläubiger dabei verlieren würden?

K. W.: Um diese Firmen dazu zu bringen, ihr Entgelt zurück zu erstatten, muss der Liquidator beweisen, dass jene Gläubiger, die bevorzugt behandelt wurden, sich dessen bewusst waren.

Wenn es um Firmen wie McKinsey geht, die die Swissair wegen einer möglichen Restrukturierung beriet, hat man natürlich das Gefühl, dass sie gewusst hatte, wie es um die finanzielle Situation der SAirGroup stand.

swissinfo: Gilt das auch für die Banken?

K. W.: Ja. Wir werden deshalb Klagen gegen die Banken, die von Swissair Geld erhielten, einreichen. Vom finanziellen Standpunkt her sind die Banken interessanter als die Beraterfirmen.

Unser Ziel ist die Gleichbehandlung aller Gläubiger. Wir wollen vermeiden, dass einige Gläubiger etwas gleicher als andere behandelt werden.

swissinfo, Jonas Hughes
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)

Der Sachverwalter und Liquidator der Swissair will 280 Mio. Franken von den früheren Direktoren und Verwaltungsrats-Mitgliedern, der Führungsspitze der SAirGroup.
Er sagt, sie hätten beim Umgang mit Transaktionen gegen ihre Pflichten verstossen. Dies hätte bei der Muttergesellschaft Verluste zur Folge gehabt.
Ausserdem will der Sachverwalter, dass Banken und Beratungsfirmen die Honorare zurückerstatten, die ihnen die Swissair ausbezahlt hatte, kurz bevor sie bankrott ging.

Verantwortlichkeits-Klagen gingen an den ehemaligen Konzernleiter Philippe Bruggisser und den ehemaligen Finanzchef Georges Schorderet.

Verklagt sind auch ehemalige Mitglieder des Verwaltungsrats, inklusive Lukas Mühlemann, Eric Honegger, Mario Corti, Thomas Schmidheiny und Vreni Spoerry.

Sie müssten wohl in die eigenen Taschen greifen, falls sie zum Zahlen gezwungen würden. Der Verwaltungsrat ist zwar für 150 Mio. Franken versichert. Doch diese Summe genügt nicht, um all die Forderungen zu bezahlen.

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