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Gegen den Abbau des Service public

Viele wollen sich den Abbau der öffentlichen Dienste nicht länger gefallen lassen. Keystone

Rund 20'000 Personen protestierten gegen den Abbau des Service public durch den Kanton Bern. Die Demonstration fällt in eine Zeit starker Unsicherheit.

Die Diskussion angeheizt hat auch der Entscheid der Post, 2500 Stellen zu streichen.

Am Freitag-Nachmittag war der Bundesplatz vor dem Bundeshaus voll von Demonstrierenden: Rund 20’000 Personen protestierten gegen die Sparpläne der Berner Kantonalregierung – eine sehr grosse Demonstration in der Schweiz, wo Kundgebungen mit 5000 Personen eher ungewöhnlich sind. Die Demonstration stand unter dem Motto “Veto – Gegen die Demontage des Service public”.

Buslinien streichen und Polizeiposten schliessen

Die Kundgebung wurde von Gewerkschaften und Berufsverbänden getragen. Sie richtete sich gegen die sogenannte strategische Aufgabenüberprüfung (SAR), die die Berner Regierung im Sommer eingeleitet hat. In einem entsprechenden SAR-Bericht schlägt der Regierungsrat rund 400 Massnahmen zur Haushalts-Entlastung vor.

Die vorgeschlagenen Massnahmen reichen von der Schliessung unrentabler Buslinien in Randregionen über den Abbau von Polizeiposten bis zu Kürzungen in der Lehrerweiterbildung.

Die neuerliche finanzielle Rosskur soll in den kommenden Jahren rund 570 Stellen kosten. Besonders stark betroffen sind das Gesundheits-, das Sozial- und das Bildungswesen.

“Service public zu Tode sparen”

“Ihr seid aufgestanden, um dem Parlament zu zeigen, dass wir den von ihm fahrlässig erteilten, kurzsichtigen Sparauftrag scharf verurteilen”, rief Roland Seiler, Sekretär des Bernischen Staatspersonal-Verbandes den Demonstrierenden zu. Mit den vorgelegten Massnahmen würde der Service public im Kanton zu Tode gespart.

Statt dem Personalmangel entgegenzutreten wolle die Regierung weitere Mittel kürzen, kritisierten verschiedene Rednerinnen und Redner aus dem Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich.

Finanzdirektor will sparen

Er stehe nach wie vor voll hinter den SAR-Massnahmen, sagte der bernische Finanzdirektor Urs Gasche von der rechtsbürgerlichen Schweizerischen Volkspartei. Der Kanton brauche die Sparmassnahmen mehr denn je. Er habe aber Verständnis für die Leute, die von den Sparmassnahmen betroffen seien.

In den vergangenen zehn Jahren hat die Berner Regierung acht Sparpakete geschnürt. Mit der SAR ist faktisch die neunte Sparrunde eingeläutet.

Der Kanton Bern steht im Vergleich mit den andern Kantonen schlecht da: Mit seinen 11 Mrd. Franken Schulden gehört er auch offiziell in die Kategorie der finanzschwachen Kantone.

Unsicherheit wo man hinschaut

Die Kundgebung fällt in eine Zeit der wirtschaftlichen Unsicherheit. Seit Anfang Jahr gingen Tausende von Stellen in der Schweiz verloren, landesweit sind über 100’000 Personen arbeitslos – für Schweizer Verhältnisse nicht wenige. Und der Konjunktur-Aufschwung wurde mehrmals verschoben und ist nicht vor dem zweiten Quartal des kommenden Jahres zu erwarten.

Der Stellen-Abbau betraf diesmal auch die White Collar-Branchen wie die Finanzwelt (CS Group, Rentenanstalt, Zurich) oder die Medienbranche (NZZ und tamedia). In der Landwirtschaft kollabierte der zweitgrösste Milchverarbeiter Swiss Dairy Food, der Industrie-Betrieb ABB publiziert tiefrote Zahlen. Und wie es mit der Fluglinie Swiss weitergeht, ist ebenfalls unsicher.

Unmut löste auch die Post mit der Ankündigung aus, die Briefverteilung neu zu organisieren: Statt der bestehenden 18 Briefzentren sollen nach den Plänen der Post-Führung bis 2009 nur noch drei Briefzentren die ganze Schweiz abdecken. Dabei gehen rund 2500 Stellen verloren.

Ob die Pläne umgesetzt werden können, ist noch unklar. Nach heftigem Protest gegen den Abbau dieses Teils des Service public kündigte Post-Minister Moritz Leuenberger an, die Pläne zu überdenken.

Mehrere Kantone hatten moniert, die Randregionen seien nicht berücksichtigt worden. So würde neu ein Brief von Lugano nach Locarno via das Verarbeitungs-Zentrum in Zürich zum Adressaten gelangen, und nicht mehr in Bellinzona verarbeitet werden.

swissinfo und Agenturen

20’000 Personen demonstrieren gegen den Abbau des Service Public im Kanton Bern.
Der Kanton Bern ist mir 11 Mrd. Franken verschuldet.
Ein Sparprogramm soll 570 Stellen kosten.
Vor allem betroffen sind das Gesundheits-, das Sozial- und das Bildungswesen.

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