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Gold, Geld und Waffen

Vier Fünftel der Goldverkäufe der Deutschen Reichsbank wurden in der Schweiz abgewickelt. Keystone Archive

Als Waffenexporteur ein kleiner Fisch - für Gold und Geld eine wichtige Drehscheibe: die Schweiz im 2. Weltkrieg. So lauten die neuesten Forschungs-Ergebnisse der UEK.

Gleichzeitig mit dem Schlussbericht, welcher die Ergebnisse der fünfjährigen Forschungsarbeit in stark komprimierter Form wiedergibt, präsentierte die Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg (UEK) am Freitag ihre letzten sieben Studien und Forschungsbeiträge.

Die dominanten Themen: Gold, Geld und Waffen. Der Studie, welche die Schweizer Rüstungsindustrie und den Kriegshandel zu jener Zeit beschreibt, liegt die Frage zugrunde, inwiefern der Produktions-Standort Schweiz zur Rüstung des nationalsozialistischen Deutschlands vor und während des zweiten Weltkrieges beitrug und, inwiefern politische Überwachungsversuche die kriegstechnischen Beziehungen beeinflussten.

Export-Regelungen nicht vorhanden

Gemäss UEK führte die Schweiz zwischen 1939 und 1945 für über eine Milliarde Franken Waffen, Munition, Zünder und Militäroptik aus. Der grösste Teil davon, für rund 820 Mio. Franken, nach Deutschland, Italien und Rumänien. Der unternehmerische Handlungs-Spielraum der Schweizer Rüstungsindustrie war gross. Bis 1938 gab es hier zu Lande keine gesetzliche Grundlage, die Produktion und Export von Kriegsmaterial überwacht hätten.

Es war den einzelnen Unternehmen überlassen, wie, was und zu wem sie ihr Material exportierten. Wenn auch das Geschäft mit Kriegsmaterial für die heimische Industrie von grosser Bedeutung war, so bildete die Schweiz für die verdeckte deutsche Rüstung letztlich doch ein weniger wichtiger Standort als Schweden, die Niederlande oder die Sowjetunion.

Umschlagplatz für Gold

Weitaus der bedeutendste Ort war die Schweiz hingegen als Umschlagplatz für Gold aus dem Machtbereich des «Dritten Reichs». Rund vier Fünftel der Goldverkäufe der Deutschen Reichsbank wurde hier zu Lande abgewickelt. Unterschiedliche Motivationen lagen diesen Transaktionen zu Grunde. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) bezweckte damit vor allem die Aufrechterhaltung der Golddeckung und der Konvertibilität des Frankens.

Die letzte Goldtransaktion mit dem «Dritten Reich» erfolgte am 13. April 1945. Ein kurz zuvor abgeschlossenes Abkommen mit der Reichsbank sah vor, für die Abgeltung von Forderungen von Schweizer Versicherungen gegenüber den Deutschen Geschäftspartnern auf die Guthaben der Reichsbank bei der SNB zurückzugreifen.

Diese Mittel waren eigentlich für die Abgeltung von humanitären und diplomatischen Bedürfnissen bestimmt gewesen. Mit den Alliierten hatte die Schweiz deshalb vereinbart, für diese Zwecke weiterhin Goldannahmen aus Deutschland zuzulassen. Dass die transferierten Gelder schliesslich der Schweizer Assekuranz zu Gute kamen, war «ein Kunstgriff, der einem Täuschungsmanöver gleichkam», schreibt die UEK.

Finanzplatz Schweiz

Was nun den Finanzplatz Schweiz zu jener Zeit und die Bedeutung der Schweizer Banken betraf, so zeigt die Studie der UEK, dass die Schweizer Banken dank des Bankgeheimnisses und der stabilen Währung, aber auch dank einer relativ stabilen politischen Lage im Inland gegenüber Finanzinstituten anderer Ländern durchaus Vorteile vorweisen konnten. In diesem Umfeld konnte sich der Finanzplatz Schweiz zu einer wichtigen Drehscheibe entwickeln.

Die Strategie der Schweizer Grossbanken gegenüber Deutschland war von der seit 1931 bestehenden Blockierung ihrer Kredite in Deutschland und der schweizerischen Wirtschaftskrise geprägt. Um die deutschen Kredite wieder zurückführen zu können, wurden unterschiedliche «Sonderabkommen» getroffen. Antisemitischen Massnahmen, wie die Entlassung jüdischer Mitarbeiter, das Einberufen von nationalsozialistischen Parteimitgliedern in Verwaltungsräten oder das Unterlassen von Geschäftsbeziehungen mit jüdischen Financiers, wurde zwar mit Misstrauen begegnet, kam jedoch durchaus vor.

1941 brachte eine Wende: Schweizerische Guthaben in den Vereinigten Staaten wurden blockiert und Nachforschungen über Tätigkeiten Schweizer Finanzinstitute unternommen. Gleichzeitig wurde auf die Banken Druck ausgeübt, ihre Transaktionen zu Gunsten Deutschlands zukünftig zu unterlassen. Kern des Anstosses war die Neutralität und das Bankgeheimnis.

Reichhaltige Quellen-Sammlung

Auf Grund grossen Druckes aus dem Ausland rief die schweizerische Bundes-Versammlung Ende 1996 die UEK ins Leben. Die Kommission sollte rechtlich und historisch untersuchen, was mit den Vermögenswerten, inklusive Versicherungswerten und Kulturgütern, passiert war, welche vor und während des Zweiten Weltkrieges in die Schweiz gelangt waren. Mehr und mehr rückte jedoch das gesamte Verhalten der politischen und wirtschaftlichen Schweiz ins Zentrum des Interesses.

Ingesamt hat die UEK 25 Studien und Beiträge und einen Schlussbericht verfasst.

Carole Gürtler

Mit der Schweiz verbunden

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