Hickhack um Grounding

Erst Corti, jetzt Ospel und Mühlemann: Drei Hauptakteure im Trauerspiel um das Swissair-Grounding, stehen Parlamentariern Red und Antwort. Wer ist schuld? Das ist die Frage.
Einmaliger Aufmarsch in Bern: UBS-Präsident Marcel Ospel und CS-Group-Präsident Lukas Mühlemann wurden am Montag vor die Subkommission der ständerätlichen Geschäftsprüfungs-Kommission (GPK) zitiert. Ein Akt, der deutlich machen soll, dass Bundesbern in Sachen Swissair Ordnung machen will.
Schuld-Poker
2. Oktober 2001, 15:35 Uhr: In Zürich-Kloten stehen die Flugzeuge am Boden, die Swissair muss grounden. Wer ist schuld daran? Mario Corti, CEO der Swissair, schiebt die Schuld der Grossbank UBS zu; die UBS der Swissair und damit Corti und der CS Group.
Die GPK will es nun wissen und hat deshalb in Sachen Swissair eine Untersuchung eingeleitet. Es werden nun Beamte des Bundes (unter anderem des Bundesamtes für Zivilluftfahrt), aber auch die Akteure von Swissair und Banken angehört.
Corti: Der Swissair fehlte das Geld
Mitte Februar hatte Corti bei einem Stelldichein vor der GPK unter der Bundeskuppel seine Unschuld bekräftigt und Beweise vorgelegt, wonach die Liquidität der Swissair am Morgen des Groundings noch ausgereicht habe, um die ersten Flüge zu starten. Total 4,2 Mio. Franken. Die Weigerung der UBS, ein Notkredit-Paket von 250 Mio. Franken zu schnüren (Bund 125 Mio., CSG und UBS je 62,5 Mio. Franken) und die Weigerung, den anteilsmässigen Kaufpreis für die Crossair-Aktien zu bevorschussen, hätten jedoch zum bekannten Szenario geführt.
Ein Ereignis – verschiedene Sichtweisen
Die Sicht der Dinge variiert jedoch. Die UBS verteidigte sich vor der GPK zuallererst: «Die UBS hat den Plan Phoenix nicht erarbeitet.» Und weist damit Mario Corti zurecht, der davon spricht, dass «das Grounding von den geistigen Vätern des Phoenix-Planes in Kauf genommen worden war».
Überhaupt seien die Ursachen für das Grounding im hohen Verschuldungsgrad, der verfehlten Akquisitionspolitik und in den operativen Verlusten zu suchen. Der Swissair sei schlicht und einfach das Geld ausgegangen – ohne Verschulden der UBS.
Den Damen und Herren Ständeräten legte Marcel Ospel Bundesordner voller Telefon-Notizen, Kontoauszüge und anderer Beweise vor. Weil die GPK jedoch an ein Amtsgeheimnis gebunden ist, wird damit das Bankgeheimnis nicht verletzt.
Im Internet – und damit öffentlich – legt die UBS die Liquidität der SAirGroup dar. Sehr ausführlich und juristisch problematisch. Laut dieser Aufstellung verfügte die SAirGroup «am Morgen des 2. Oktobers 2001 über ausreichende Liquidität, um den Flugbetrieb für diesen Tag selbst zu finanzieren».
«Die Kontisaldi der SAirGroup bei der UBS betrugen an diesem Morgen total CHF 35 Millionen. Weitere rund CHF 75 Millionen lagen an diesem Morgen auf einem Escrow-Account der SAirGroup, welche mit Tagesschluss 1. Oktober 2001 zur Verfügung gestanden hätten. Die SAirGroup hat diese Mittel erst nach dem Grounding mobilisiert.» Und zwar um 16:54 Uhr, so die UBS.
UBS: Die Swissair hatte genügend Geld
Die UBS zieht das Fazit: «Am Morgen des 2. Oktober 2001 verfügte die SAirGroup somit über Mittel von rund CHF 220 Millionen (wovon allerdings CHF 112 Millionen bei der Credit Suisse Group blockiert waren). Dies hätte bei sorgfältiger Disposition ausgereicht, den Flugbetrieb an diesem Tag aufrecht zu erhalten.»
Hickhack gibt es auch um die Unterzeichnung des Kaufvertrags für die Crossair-Aktien an die UBS. Ihre Version: «Bereits in den frühen Morgenstunden des 2. Oktobers 2001 erstellte die UBS Zahlungsbereitschaft für den Crossair-Kaufpreis. Das Signing der Verträge war auf 10:00 Uhr vorgesehen.» Auf Antrag der SAirGroup sei es jedoch mehrmals verschoben worden, weil laut ihren Anwälten noch einige Dokumente gefehlt hätten.
UBS: Verzögert hat die Swissair und die CS
Und weiter: «Um 14:00 Uhr stellte die UBS den Antrag, den Kaufpreis sofort zu überweisen, sobald die SAirGroup die Aktien bringe, und dass auf die vorgängige Einhaltung der übrigen Bedingungen verzichtet werde. Die Anwälte der Credit Suisse Group verweigerten aber und stellten sich auf den Standpunkt, dass alle vertraglichen Dokumente fertiggestellt und alle Bedingungen eingehalten sein müssen. Um ca. 14:20 Uhr erschienen die Vertreter der SAirGroup verspätet zum Signing-Termin.»
Doch noch dann habe es an Dokumenten gefehlt. Die UBS habe mehrmals bei Mario Corti direkt interveniert – um den Prozess zu beschleunigen, nicht um Zusatzbedingungen zu stellen. Um 18:00 Uhr seien die Bedingungen alle erfüllt gewesen, der Kaufpreis am selben Abend gutgeschrieben worden. Mario Cortis Version lautet jedoch anders und zwar, dass die UBS immer mehr Bedingungen gestellt habe.
Schuldig sind die Anderen
Die CS-Group ihrerseits kritisiert in ihrer Präsentation UBS-Präsident Ospel, der die CS nicht über das 250-Millionen-Notkredit-Paket informiert habe. Als Mühlemann endlich davon erfahren habe, habe er unbürokratisch zugesagt, die 62,5 Mio. Franken zu sprechen. Die UBS jedoch habe sich geweigert diesen Betrag zu bezahlen.
Und die Swissair?
Die Offenlegung der Liquidität über die Zeitspanne vom 28. September bis zum 5. Oktober 2001 ist wegen des Bankgeheimnisses heikel. Dies bestätigte gegenüber swissinfo auch ein Bankenrechts-Experte der Universität Bern. Dies sei nur zulässig, wenn der Kunde eingewilligt habe.
Und für das Hearing vor der GPK hat die Swissair auch eingewilligt. Doch hält deren Sprecher Rainer Meier gegenüber swissinfo fest, dass die Zahlen der UBS mit den verfügbaren Mitteln der Swissair am Morgen des 2. Oktobers 2001 nicht übereinstimmen. Die Swissair hätte genau 4,2 Mio. Franken zur Verfügung gehabt.
Wer hat recht? Wer nicht? Diese Frage wird eventuell die Untersuchung der GPK beantworten. Doch ein Resultat ist nicht vor Juni 2002 zu erwarten.
Rebecca Vermot

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