Hiestand: Sind die Boomjahre für Gipfeli vorbei?

Der Backwaren-Produzent konnte 2002 seinen Gewinn zwar um 140% auf 11,6 Mio. Franken steigern. Der Umsatz nahm jedoch "nur" um 4% auf 301,5 Mio. Franken zu.
Daran ist nicht nur die Wirtschaftslage schuld – sondern auch der aggressive Expansionskurs.
1967 gründete Fredy Hiestand sein Unternehmen mit einem Startkapital von 5000 Franken. Heute hat Hiestand einen Marktwert von rund 100 Mio. Franken. Obwohl in der Schweiz nahezu unbekannt, eroberten die tiefgefrorenen Hiestand-Backwaren dank einer speziellen Gefriertechnologie die internationalen Märkte.
Hiestand-Backwaren gibt es mittlerweile in Japan, in anderen Ländern Asiens und praktisch überall in Europa. Auf dem alten Kontinent ist Deutschland einer der Hauptmärkte des Aargauer Backwaren-Herstellers.
Aber auch die Schweizer und Schweizerinnen verzehren mehr Hiestand-Produkte, als ihnen bewusst ist: «50% der 2400 Bäckereien in der Schweiz verwenden Hiestand-Produkte», sagt Renaldo Nanzer, Direktor des Schweizer Bäckereiverbandes. Allerdings hätten die Bäckereien die Produkte vor allem als Reserve im Tiefkühler.
Das Rezept des Erfolgs
Der Erfolg von Hiestand hat mehrere Gründe. Die schnelle Backmethode mag einigen Bäckern die Arbeit erleichtern, vor allem aber bieten die Hiestand-Produkte den diversen Verkaufsstellen eine grosse Qualitätsverbesserung. So gibt es beispielsweise frische Gipfeli und andere Backwaren in Tankstellen-Shops. Diese haben sich zunehmend in so genannte «Convenience Stores» verwandelt.
Diese Nische hat Hiestand gefunden und genutzt: Das Unternehmen erzielte 2002 denn auch in diesem Bereich die höchsten Wachstumsraten. «Die Produkte können zu jeder Tages- und Nachtzeit gebacken und damit ofenwarm verkauft werden», so Michael Schai, Pressesprecher von Hiestand.
Laut Patrick Hasenböhler, Analyst bei der Bank Sarasin, gibt es noch einen anderen wichtigen Aspekt für den Erfolg von Hiestand: «Die tiefgekühlten Produkte erlauben es dem herkömmlichen Bäcker, sein Angebot zu ergänzen, in dem er es den Verkaufs-Peaks sehr schnell anpassen kann.»
Ist die Luft draussen?
Seit einigen Monaten hat das erfolgsverwöhnte Unternehmen jedoch spürbar an Elan eingebüsst. So nahm der Umsatz letztes Jahr «nur» noch um 4% zu, im Vergleich zu 45% im Jahr 2001 und knapp 23% im Jahr 2000.
Vor allem in Deutschland und Japan liefen die Geschäfte nicht ganz so rund. Zufrieden zeigt sich das Unternehmen mit der Umsatzentwicklung im heimischen, österreichischen und britischen Markt. Vor allem in der Schweiz konnte Hiestand die Marktführerschaft ausbauen: Der Umsatz stieg um über 17% auf knapp 139 Mio. Franken.
Das schwierige Wirtschaftsumfeld hat zweifellos zum Umsatzrückgang von Hiestand beigetragen, aber nicht nur. Ein weiterer Grund ist der (zu) aggressive Expansionskurs des Unternehmens.
Auf zu vielen Hochzeiten getanzt
«Hiestand war auf zu vielen Märkten präsent, was ein Verzetteln der Aktivitäten zur Folge hatte. Vor allem aber sind Hiestands Vertriebkanäle im Ausland – sei dies nun in Bäckereien oder in anderen Verkaufsstellen – weit weniger gut entwickelt als in der Schweiz», erklärt Patrick Hasenböhler.
Um diesen Rückgang auszugleichen, hat Hiestand schon einiges Neues in Bewegung gesetzt. So ist das Aargauer Unternehmen vor allem mit dem Grossverteiler Coop, der Nummer 2 auf dem Schweizer Lebensmittelmarkt, eine Partnerschaft eingegangen. Fürs 2005 planen Coop und Hiestand ein gemeinsames Bäcker-Unternehmen mit vorgefertigten, tiefgefrorenen Backwaren.
swissinfo, Anita Hugi und Jean-Didier Revoin
Fredy Hiestand gründete sein Unternehmen 1967 mit einem Startkapital von 5000 Franken.
Heute ist er mit 26% am Unternehmen beteiligt, dessen Marktwert rund 104 Mio. Franken beträgt.
Fredy Hiestand wird am 22. Mai das Verwaltungsrats-Präsidium abgeben.
Geschäftszahlen 2002
Umsatz: 301,5 Mio. Franken (+4%). Fast die Hälfte des Umsatzes wurde in der Schweiz erzielt, knapp 30% in Deutschland.
Gewinn: 11,6 Mio. Franken (+140%). Damit befindet sich Hiestand wieder auf dem Niveau des Jahres 2000.
Das Unternehmen beschäftigt weltweit 1905 Angestellte.
Hiestand hat Niederlassungen in Polen, Österreich, England, Malaysia und Singapur.
Der Verwaltungsrat wird an der nächsten Generalversammmlung vom 22. Mai anstelle einer Dividenden-Zahlung eine Aktien-Nennwert-Reduktion in der Höhe von 6 Franken pro Namenaktie beantragen.

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