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Privat-Sender TV3 am Ende

Hans-Heinrich Coninx, Verwaltungsrats-Präsident, bedauert den Entscheid. Keystone

Die private Schweizer TV-Station TV3 geht zu. 80 Personen verlieren ihren Arbeitsplatz. Begründet wird die Schliessung mit wirtschaftlichen Motiven.

Der Verwaltungsrat der Tamedia AG beschloss laut einer Mitteilung vom Mittwoch, die Zahlungen an TV3 mit sofortiger Wirkung einzustellen. Der formelle Schliessungs-Entscheid soll an einer ausserordentlichen General-Versammlung am kommenden Montag gefällt werden.

Wie aus Mitarbeiterkreisen verlautete, nannte Konzernchef Michel Favre an einer Personalorientierung am Sitz des Senders in Schlieren (ZH) den 23. Dezember als Schliessungs-Termin. Den Beschäftigten soll auf Ende November gekündigt werden.

Wirtschaftliche Motive

In der Mitteilung begründete Tamedia den Entscheid zur Schliessung mit wirtschaftlichen Motiven. Die schlechte konjunkturelle Lage und die besondere Situation in der Schweiz, in der private Sender benachteiligt würden, hätten eine Lösung verhindert.

Alle drei Bedingungen des Konzerns für den Aufbau von TV3 hätten nicht erfüllt werden können. So habe sich erstens der 50-Prozent-Partner SBS Broadcasting zurückgezogen, und ein neuer Partner sei nicht gefunden worden. Zweitens habe TV3 auf eine nicht in Erfüllung gegangene Liberalisierung des Schweizer Markts für TV-Werbung gesetzt.

Und drittens sei das Ziel, im Jahre 2004 aus den roten Zahlen zu kommen, wegen der rapide verschlechterten Konjunktur nicht mehr realistisch. Die geplante Gesamt-Investition von 180 Mio. Franken wäre deutlich überschritten worden.

Zusicherungen an Personal

Tamedia versicherte, sich für sozialverträgliche Lösungen zu Gunsten der 80 entlassenen Beschäftigten einzusetzen.

Verwaltungsrats-Präsident Hans Heinrich Coninx wird in der Mitteilung mit der Aussage zitiert, der VR bedaure den Entscheid, habe aber gegenüber den Aktionären den finanziellen Alleingang der Tamedia nicht länger verantworten können.

Keine Absage an Multimedia-Strategie

Laut Favre ist die Schliessung von TV3 keine Absage an die Multimedia-Strategie des Konzerns. Vielmehr wolle man sich darauf konzentrieren, Radio 24 und TeleZüri als etablierte Marken im Millionen-Zürich weiter auszubauen und zu stärken.

TV 3 war im September 1999 auf Sendung gegangen. Ein erster Rückschlag kam bereits im März 2000, als TV3 sein Newsangebot radikal zusammenstrich. Im vergangenen August hatte die tamedia die Übernahme der Belcom-Gruppe von Roger Schawinski für 92 Mio. angekündigt; gleichzeitig wurde die Einstellung von Schawinskis nationalem Fernsehsender Tele24 auf Ende November bekannt gegeben.

Tamedia erklärte damals, die Position von TV3 als nationaler Unterhaltungs-Sender solle ausgebaut werden. Inzwischen hat der Medienkonzern, der auch den Zürcher «Tages-Anzeiger» herausgibt, eine Gewinnwarnung erlassen und ein Sparprogramm beschlossen.

Mit der Einstellung von TV3 verschwindet das letzte eigenständige, private Fernseh-Angebot auf nationaler Ebene. Das Schweizer Programmfenster der deutschen Privatsender RTL und ProSieben war bereits im Frühling 2000 nur sieben Monate nach dem Start wieder geschlossen worden.

SF DRS bedauert Sendeschluss

Das Schweizer Fernsehen DRS (SF DRS) hat die Schliessung von TV3 bedauert. Bedauerlich sei die Situation vor allem für die vom Arbeitsplatz-Abbau betroffenen Angestellten, aber auch aus medienpolitischen Gründen, sagte SF-DRS-Informationschef Rene Bardet.

Konkurrenz sei grundsätzlich eine gute Sache, weil das schweizerische Publikum damit Alternativen erhalte. Zudem biete Konkurrenz dem grössten Anbieter SF DRS die Chance, sich eigene Fehler und Stärken vor Augen zu führen, erklärte Bardet.

Am bedauerlichsten ist aus Sicht von SF DRS der Umstand, dass mit der Schliessung von TV3 der Arbeitsmarkt kleiner und die Fluktuations-Möglichkeiten von Arbeitskräften im Fernsehbereich verringert werde. Zudem könnten keine anderen Unternehmens-Kulturen im Bereich der Fernseh-Unterhaltung wachsen.

Sehr bedauerlich sei auch, dass die Schliessung von TV3 eine Schwächung des Medienplatzes Schweiz bedeute. Die Schliessung des kommerziellen Senders zeige einmal mehr, dass die Hauptkonkurrenz für TV3, aber auch für SF DRS aus Deutschland komme.

«Wir müssen uns vor allem gegenüber der deutschen Konkurrenz profilieren», sagte er. Diese bilde in der Übermacht und im Überangebot von Spielfilmen, Serien und neuen Unterhaltungs-Formaten eine Konkurrenz für jeden Fernseh-Betreiber, der neu in den Markt eintreten wolle. Sämtliche Marktlücken seien durch sie bereits besetzt.

TV3-Einstellung für Comedia unverständlich

Die Einstellung von TV3 ist für die Medien-Gewerkschaft Comedia völlig unverständlich. «Die Nachricht ist für uns wie ein Schock», sagte Comedia-Sprecher Wolf Ludwig auf Anfrage.

Nachdem Tamedia vor wenigen Wochen die Belcom-Gruppe übernommen und das Ende von Tele24 angekündigt habe, erleide die Medienvielfalt nun einen weiteren Verlust. «Es ist relativ absurd zu glauben, innerhalb von zwei Jahren könne mit den schwierigen Rahmen-Bedingungen in der Schweiz, die den Unternehmern von Anfang an bekannt waren, ein neuer Sender etabliert werden», sagte Ludwig.

SVJ spricht von grossem Verlust

Der Schweizer Verband der Journalistinnen und Journalisten (SVJ) betrachtet das Ende von TV3 als Verlust für die Medienvielfalt in der Schweiz. Schlimm sei für die Betroffenen, dass ihre Arbeitsplätze kurz vor Weihnachten verloren gingen, sagte SVJ-Zentralsekretär Alexander Sami auf Anfrage.

Tamedia habe den SVJ schon im Voraus kontaktiert. Es werde nun gemeinsam nach Lösungen für die Betroffenen gesucht. Er wies darauf hin, dass nicht bloss die Mitarbeiterinnen von TV3 betroffenen seien, sondern auch viele Zulieferer.

swissinfo und Agenturen

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