
In Zürich rausgeworfen, wurde er zum Thailand-Rentner

In Zürich wurde er auf die Strasse gestellt und konnte keine Wohnung mehr finden, jetzt lebt er in Thailand wie ein Neureicher – was unsere Leserinnen und Leser zum Thema Wohnungsnot berichten.
«Ich bin tatsächlich nicht wegen Armut, sondern wegen der Wohnungsnot in Zürich ausgewandert», so beginnt ein Leser von Swissinfo seinen Debattenbeitrag zum Thema der steigenden Mieten und Immobilienpreise in der SchweizExterner Link.
«Stellen Sie sich das mal vor: Als ich 60 Jahre alt wurde, wurde allen Parteien in meinem Mietshaus gekündigt. Das Haus sollte abgerissen werden, damit dort neue Eigentumswohnungen entstehen können.»
Die Kündigung hatte ihn kurz vor Weihnachten erreicht. Umstossen liess sie sich nicht. Dank einer Einsprache wurde die Frist für das Verlassen des Hauses von einem Gericht aber von zwei Monaten auf zwei Jahre erstreckt.
Kurz vor Weihnachten wurde auch den Mieterinnen und Mietern in den sogenannten Zürcher Sugus-Häusern gekündigt. Der Fall steht sinnbildlich für die Zürcher Wohnungskrise:

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Was nach viel Zeit klingt, reichte nicht, um in der Nähe einen bezahlbaren Ersatz zu finden. «Meine Dreizimmer-Wohnung mit vielen Mängeln kostete mich jeden Monat 1900 Franken, plus rund 200 Franken Nebenkosten.»
Schon bald habe er gemerkt, dass er für dieses Geld nicht einmal in «Hinterselenbüren» (Fantasiename für den denkbar abgelegensten Ort) eine Wohnung finden würde.
Wütend auf die Schweiz und ihre Politik brach er, 62-jährig, seine Zelte ab und zog nach Thailand. Dort, in Jomtien, habe er eine Eigentumswohnung in einem Hochhaus gekauft, im 19. Stock, berichtet er.
«Mit 150 Quadratmetern und einer herrlichen Aussicht auf den Golf von Siam, die Inseln und die Stadt. Und mit einer Infrastruktur, von der ich in der Schweiz nur träumen könnte.»

200’000 Franken habe ihn die Wohnung gekostet, inklusive Garage und ganzjährigem Zugang zu einem Pool, bei Nebenkosten von lediglich 300 Franken im Jahr. Den Auswanderungsentscheid, das wird klar, hat er nicht bereut.
«Das Privileg, eine Million Schulden zu machen»
Die Suche nach einer Wohnung in der Schweiz ist insbesondere in den grossen Ballungsräumen um Zürich und Genf tatsächlich erbarmungslos.
«Das Schlimmste ist die mangelnde Auswahl», schreibt dazu User Pelicanbat. «Es gibt so wenige Wohnungsangebote in Gegenden, die in angemessener Entfernung zu den wichtigsten Arbeitsplätzen liegen, und so viele Leute, die um dieselben Wohnungen konkurrenzieren.»
300 Personen, die für eine kleine Wohnung anstehen – das ist in Zürich kein ungewöhnliches Bild. Ein Blick auf die Welthauptstadt der Wohnungsnot inklusive Video einer «Zürcher Wohnungsschlange» finden Sie hier:

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Am Ende müsse man nehmen, was man bekomme. «Meine Freunde aus anderen Ländern können nicht verstehen, wie ich so viel Geld verdienen, aber in so einer miserablen Wohnung leben kann.»
Nicht weniger schlimm ist der Markt für Eigenheime. So sieht es zumindest ein Teil der Swissinfo-Community: «An vielen Orten in der Schweiz scheint Wohneigentum zu bedeuten, dass man einen beträchtlichen Teil seiner Ersparnisse für das Privileg ausgeben muss, eine Million Franken Schulden zu haben und Minderheitseigentümer einer exorbitant teuren Immobilie zu sein», schreibt Anne7.
Und sie gibt gleich einen finanziellen Rat: Wenn der Kaufpreis einer Immobilie das 16-Fache der Jahresmiete übersteige, sei sie eine schlechte Anlage. Besser investiere man sein Geld am Aktienmarkt.
«Auch wenn ich in den USA lebe: Es ist dasselbe Problem»
Astronomische Immobilienpreise und Wohnungsnot gibt es natürlich nicht nur in der Schweiz. Reaktionen zum Thema haben uns von überall auf der Welt erreicht.
So schreibt beispielsweise die 28-jährige CECI, die mit ihrem Partner in Südkorea lebt, sie hätten beide lange gespart. Trotzdem sei es unmöglich, eine anständige Wohnung in der Nähe des Arbeitsplatzes zu kaufen – ohne sich zu verschulden.
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Aus Spanien berichtet ein User, dort sei früher praktisch jeder in der Lage gewesen, ein Eigenheim zu erwerben. «Jetzt ist der Trend aufgrund steigender Preise und niedriger Gehälter rückläufig.»
Und Robert Allies schickt die Botschaft über den grossen Teich: «Auch wenn ich in den USA lebe, ist es dasselbe Problem.»
«Die Stufe danach ist die Freigabe von mehr Land»
«Wir leben quasi in einer modernen Sklavenzeit», konstatiert ein anderer User. Die Immobilien- und Banken-Lobby wolle, dass die Bewölkung ein Leben lang für die Finanzierung ihres Eigenheims arbeiten müsse.
Lösen könne das Problem nur die öffentliche Hand. «Staaten müssen Wohnungen bauen und ohne Gewinn an Menschen und Familien mit tiefen Einkommen verkaufen. In der Schweiz muss das in Form von Hochhäusern sein, da die Schweiz wenig Land hat.»
Auch User wfaler sieht die Lösung für das Problem in einer Steigerung der Bautätigkeit. Dafür müsse die Schweiz in einem ersten Schritt, Gewerbeimmobilien freigeben, die heute unzureichend ausgelastet seien, und sie zu Wohnungen umbauen. «Die nächste Stufe ist, dass Neubauten höher sein dürfen. Und die Stufe danach ist die Freigabe von mehr Land.»
Ohne zusätzliches Bauland ist der Krise schwer beizukommen. Diese These vertritt der auf Immobilien spezialisierte Ökonom Christian Hilber, der in London und in Zürich lehrt.

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Die Lösungen, schliesst wfaler, lägen eigentlich auf der Hand, die Frage sei, ob die heutigen Hausbesitzer und die Politik wirklich eine Lösung für die Probleme wollten.
«Zürich ist etwas für Dummköpfe»
Andere glauben, die Lösung müsse bei den Immobilienkäuferinnen und -käufern selbst ansetzen. «Meine Wohnung befindet sich in einem Altbau, keine hochwertige Ausstattung, nichts Ausgefallenes. Aber sie gehört mir», berichtet Userin Margarett.
Und sie empfiehlt: «Vergessen Sie Häuser, vergessen Sie Neubauten, vergessen Sie alle Ausstattungen, die nicht von Ladenketten stammen.» Und: «Vergessen Sie den Kanton Zürich.»
Zürich ist «etwas für Dummköpfe», schreibt auch User DSO. Er hat mit seiner Frau im Kanton Freiburg ein Haus gebaut, «mit einem Weinberg und einem See vor der Haustür». Sie hätten auf teure Ferien und aufs Auto verzichtet, seien nicht ins Restaurant gegangen und hätten so in wenigen Jahren das Geld für die Anzahlung zusammengespart.
Es gibt noch günstige Immobilien in der Schweiz. Die Frage ist nur: Wo? Wir sind in der teuersten und der günstigsten Gemeinde auf Wohnungsbesichtigung:

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Den Rat die «urbane Illusion» fallen zulassen, gibt auch Mister Mike. Es sei zum ultimativen Lebensideal geworden, 500 Meter von seinem Büro entfernt zu wohnen.
«Das Ergebnis: Alle drängen sich in denselben Grossstädten, während gut angebundene, lebenswerte und menschliche Gemeinden auf ihre Chance warten. Vergeblich… Oder liegt es einfach daran, dass sie nicht fünf Minuten von einem Konzeptcafé entfernt sind, das Bio-Matcha serviert?»
Editiert von Balz Rigendinger

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