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Reichtum in der Schweiz

Wer hierzulande reich ist, spricht in der Regel eher ungern über sein Vermögen. Keystone Archive

Über Geld wird in der Schweiz vornehm geschwiegen. Die Sozialwissenschafter Ueli Mäder und Elisa Streuli machten sich auf die Suche nach Fakten.

Im Gegensatz zur Armut ist Reichtum ein weitgehend unerforschtes Thema. Eine Ausnahme macht das kürzlich erschienene Buch “Reichtum in der Schweiz” von Mäder und Streuli, herausgegeben vom Rotpunktverlag Zürich. Im Zentrum steht die Frage nach der sozialen Verträglichkeit des Reichtums. Zunächst liefert die Studie grundsätzliche Überlegungen zum “Duft des Geldes” und vor allem viel Zahlenmaterial zur ungleichen Vermögensverteilung in der Schweiz.

Gemäss der neusten Vermögensstatistik gibt es 120’000 Millionärshaushalte. Diese drei Prozent der Steuerpflichtigen besitzen die Hälfte des gesamten Privatvermögens. 12’000 Haushalte respektive drei Promille verfügen über fünf Mio. Franken oder mehr – dies entspricht einem Viertel aller Privatvermögen.

“Wer da hat, dem wird gegeben”

Weiter zeigen die Zahlen, dass vom Zuwachs des Vermögens nicht alle Bevölkerungsgruppen gleichermassen profitieren. Einerseits hat sich das Vermögen der 100 Reichsten in zehn Jahren beinahe verfünffacht, von 68 auf 316 Mrd. Franken. Andererseits verharrte der Anteil der Haushalte ohne Vermögen bei einem Drittel.

Nebst dem Lohn aus der Arbeit, der von Ausbildung und Beruf abhängt, sind noch andere Einkommensquellen erforderlich, um ein grosses Vermögen zu erzielen. Laut Mäder/Streuli sind Aktien und Erbschaften die wichtigsten “Reichtumsgeneratoren”. Deren ungleiche Verteilung verschärft aber die Unterschiede bei den resultierenden Vermögen – gemäss dem Bibelzitat: “Wer da hat, dem wird gegeben”.

Alte und neue Reiche

Das Buch unterscheidet vier Gruppen von Reichen: Familien der ehemaligen Aristokraten, Angehörige von Industriellenfamilien, Nachkriegsreiche sowie Manager und Unternehmer aus der Computer- oder Finanzbranche, die in den 90er Jahren zu viel Geld kamen.

Mäder/Streuli führten Gespräche mit 30 Reichen und Superreichen, um zu erfahren, wie sie denken und handeln. Dabei resultierten ein paar Kennzeichen: Reiche Menschen verfügen über ein ausgeprägtes Selbstbewusstein, stellen aber auch häufig die Frage nach dem Sinn des Lebens. Sie sind in vielen Lebensfragen eher aufgeschlossen. Und sie sind kulturell besonders interessiert und engagiert.

Nur freiwillig sozial

Auch die soziale Frage liegt vielen Reichen am Herzen, ihre Haltung ist letztlich aber ambivalent. “Wer reich ist, soll freiwillig helfen”, lautet der Tenor. Grosse Skepsis besteht jedoch gegenüber staatlich verordneter Umverteilung. Grundsätzlich haben sehr wohlhabende Leute ein grosses Vertrauen in die Marktkräfte. Die Vermehrung von Geld führen sie auf eigene Fähigkeiten zurück.

Angesichts der wachsenden Kluft zwischen Reich und Arm auch in der Schweiz halten Mäder/Streuli die Verteilungsfrage derzeit für die soziale Frage schlechthin. Die Existenzsicherung dürfe keine beliebige Sache sein, die von mehr oder weniger Goodwill einzelner Reicher abhängt.

Der soziale Ausgleich verlangt nach Ansicht der beiden Autoren primär eine gesellschaftliche Verbindlichkeit, die den Reichtum besser verteilt. Dieses Fazit wollen sie mit ihrem Buch insbesondere den Politikerinnen und Politikern mitgeben.

swissinfo und Vincenzo Catodici (sda)

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