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Schweizer Wirtschaft wächst kaum

Im Industriesektor herrscht ohne Zweifel Rezession. Keystone

Die Lage der Schweizer Wirtschaft ist schlechter als bisher angenommen und steckt zumindest im Industriesektor in einer deutlichen Rezession.

Die Regierung gibt Arbeitsbeschaffungs-Reserven frei. Die Gewerkschaften fordern ein Stopp der staatlichen Sparprogramme.

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) revidierte die Zahlen des Brutto-Inland-Produkts (BIP) am Donnerstag weiter nach unten.

Die jüngsten Quartalsschätzungen zum BIP zeigen, dass die Schweizer Wirtschaft seit März 2001 während vier Quartalen geschrumpft ist und im zweiten Quartal dieses Jahres um minime 0,4 Prozent gewachsen ist.

Stagnation, gar Rezession

Nach gängiger Definition ist die Schweiz damit 2001 in die Rezession zurückgefallen. Seco-Chefökonom Aymo Brunetti wollte vor den Medien aber nicht von einer generellen Rezession sprechen, sondern bezeichnete die Lage als eindeutige Stagnation. Denn das Bild sei gemischt.

Im Industriesektor müsse ohne Zweifel von einer Rezession gesprochen werden. Die Beschäftigung im Dienstleistungssektor und auch der Detailhandel zeigten aber eine positive Entwicklung.

Hoffnungsschimmer bei den Exporten

Die Entwicklung im Berichtsquartal zeigt insofern einen Hoffnungsschimmer, als die Exporte erstmals seit anderthalb Jahren wieder einen Wachstumsbeitrag (+ 4,0 Prozent) lieferten.

Ausgesprochen düster sieht es aber bei den Ausrüstungs-Investitionen aus, die um 18,9 Prozent im freien Fall waren und damit seit einem Jahr mit zweistelligen Raten schrumpfen. Der private Konsum, der rund 60 Prozent zum BIP beisteuert, wuchs noch um 1,0 Prozent.

Wirtschaftswachstums-Prognose 2002: 0,5 Prozent

Das seco bekräftigte seine im August revidierten Aussichten, wonach die Wirtschaft in diesem Jahr um lediglich 0,5 Prozent und im nächsten Jahr um 1,7 Prozent wachsen wird.

Im Falle eines anhaltenden Kriegs im Irak müsste man laut Brunetti aber erneut über die Bücher.

Zum Vergleich: Ebenfalls am Donnerstag publizierte das Kieler Institut für Weltwirtschaft eine Prognose für die Europäische Union. 0,8 Prozent sehen die Experten für dieses Jahr voraus. Falls sich die weltpolitische Lage nicht zuspitzt und der Ölpreis nachhaltig steigt, sei im kommenden Jahr mit einem Wachstum von 2,3 Prozent in Euroland zu rechnen.

Einmalige Finanzstützung als Signal

An ein staatliches Konjunktur-Programm denkt man trotz der deutlich verdüsterten Lage im Volkswirtschaftsministerium von Pascal Couchepin nicht. Man setzt stattdessen auf längerfristig wirksame, strukturelle Massnahmen, welche die Produktivität fördern sollen. Der Wirtschaftsminister will aber demnächst die Arbeitsbeschaffungs-Reserven von rund 350 Mio. Franken freigeben.

Bernd Schips, Leiter der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich, gibt sich verhalten optimistisch. Er glaubt, dass die vorgesehene Freigabe der Arbeitsbeschaffungs-Reserven konjunkturell stimulierend wirken könnte.

Gewerkschaften fordern Verzicht auf staatliche Sparprogramme

Die Gewerkschaften verlangen griffige Massnahmen, um einen Konjunktureinbruch mit hohen Arbeitslosenzahlen zu verhindern. Für Serge Gaillard, Sekretär des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, ist das Wichtigste, dass die Notenbank die Aufwertung des Frankens weiter bekämpft.

Weiter fordern die Gewerkschaften, dass die öffentlichen Haushalte auf Sparprogramme verzichten.

Die politischen Parteien reagierten nicht überraschend auf die neusten Zahlen.
Langfristige Wachstumsimpulse durch strukturelle Reformen und Wirtschafts-Anzreize sind bei den Bürgerlichen gefragt; rasche Ankurbelungs-Massnahmen und eine weitere Lockerung der Geldpolitik wollen die Linken.

Bankökonomen enttäuscht

Die jüngsten Quartalsschätzungen haben die Bankökonomen enttäuscht. Sie hatten mit einer Zunahme des BIP im zweiten Quartal von 1,1 Prozent im Vergleich zum
Vorquartal und nicht bloss mit 0,4 Prozent gerechnet.

Zusammen mit den nach unten revidierten Zahlen der Vorquartale und den Befürchtungen über deutlich steigende Arbeitslosenzahlen sei mit einer schlechteren Konsumentenstimmung zu rechnen, hiess es in einer Umfrage bei Bankökonomen. Die jüngsten Daten seien klar deflationär, und die Lage präsentierte sich nun deutlich anders als noch vor kurzem, sagte Andreas Höfert von UBS Warburg.

swissinfo und Agenturen

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