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Steuerpaket: Regierung gegen Kantone

Sollen Familien und Wohneigentümer von der Bundessteuer entlastet werden? Keystone

Eine Reihe von Massnahmen soll Ehepaare und Wohneigentümer steuerlich entlasten. Dagegen wehren sich die Linke und auch die Kantone heftig.

Für weitere Unsicherheit sorgt der Ausgleich der kalten Progression, der nachträglich ins Paket einbezogen wurde.

Ehepaare sind in der Schweiz nach geltendem Recht steuerlich benachteiligt. Heute bezahlt ein Ehepaar mehr direkte Bundessteuern als ein unverheiratetes Konkubinatspaar mit gleich hohem Einkommen. Die Reform der Ehepaar- und Familienbesteuerung war denn auch eines der Legislaturziele 1999-2003 des Bundesrates.

Familien und Verheiratete sollten substanziell entlastet werden. In der Parlamentsdebatte wurden diese Entlastungen daraufhin zusammen mit Änderungen in der Wohneigentums-Besteuerung und bei den Stempelabgaben zu einem Paket geschnürt, dem Steuerpaket.

Im Bereich der Wohneigentums-Besteuerung steht die Abschaffung des Eigenmietwerts im Vordergrund. Die Revision der Umsatzabgabe will die Rahmenbedingungen für den Finanzplatz Schweiz verbessern.

Kantone wehren sich

Die Vorlage wird laut Angaben des Bundes zu weniger Steuereinnahmen von rund 2 Mrd. Franken führen, davon müsste der Bund 1,5 Mrd. übernehmen, die Kantone 510 Mio. Franken.

Gemäss Berechnungen der Kantone beträgt der Steuerausfall für Bund, Kantone und Gemeinden insgesamt jedoch rund 4 Mrd. Franken. Hauptschuld trage die Änderung der Wohneigentums-Besteuerung, die zu massiven Ausfällen führen werde.

11 der 26 Schweizer Kantone waren mit dem Steuerpaket nicht einverstanden und ergriffen das Referendum. Erstmals in der Geschichte der Schweiz kam damit ein Kantonsreferendum gegen eine Vorlage zustande. Unterdessen unterstützen bereits 20 Kantonsregierungen, über alle Parteigrenzen hinweg, die Nein-Kampagne.

“Das ist für die Kantone eine schwierige Situation, weil viele von ihnen versuchen, ihren Haushalt zu sanieren”, sagt die sozialdemokratische Ständerätin Simonetta Sommaruga, Co-Präsidentin des Komitees der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK), “Nein zum Steuerpaket – nein zum Steuer-Eigengoal”, gegenüber swissinfo.

Besonders bei der Reform der Wohneigentums-Besteuerung sei das Fuder mit der Abschaffung des Eigenmietwerts massiv überladen worden. “Für die eigentliche Entlastung der Familie – und das war ja das Ziel dieses Steuerpakets – bleibt ihnen kaum mehr Geld.”

Ebenfalls zustande, mit 57’000 gültigen Unterschriften, kam das Referendum einer links-grünen Koalition aus dem Volk. Ihre Kritik: Familien mit kleinen und mittleren Einkommen würden nicht entlastet, Villenbesitzer bevorzugt.

“Endlich weniger Steuern”

Familien entlasten, Eigentum fördern, die Wirtschaft stärken. Das sind die Hauptargumente der Befürworter. Ihre Schlussfolgerung: Wenn weniger Steuern bezahlt werden müssten, werde wieder mehr Geld ausgegeben. Und dies belebe langfristig das Wirtschaftswachstum.

“Mit diesem Steuerpaket haben wir eine einmalige Chance, die Steuerbelastung in diesem Land zurückzuführen und dafür zu sorgen, dass allen wieder mehr zum Leben bleibt”, sagt Caspar Baader, Fraktionspräsident der Schweizerischen Volkspartei SVP und Co-Präsident im Komitee “Familien entlasten – Ja zum Steuerpaket”.

Dass vom Steuerpaket nur besser Verdienende profitieren würden, lässt Baader nicht gelten. Im Gegenteil: die Vorlage sei sehr sozial. “Alle, die weniger als 80’000 Franken Einkommen haben, bezahlen künftig keine direkte Bundessteuer mehr. Das ist eine echte Entlastung für Familien und für Alleinstehende mit Kindern.”

Unsicherheit über kalte Progression

Zusätzlich für Verunsicherung gesorgt hatte der Umstand, dass die kalte Progression anscheinend beim Schnüren des Steuerpakets im letzten Jahr schlicht und einfach vergessen wurde, wie der frühere Wirtschaftsminister Pascal Couchepin zugeben musste.

Weil das Steuersystem progressiv aufgebaut ist, steigt die Steuerbelastung bei höherem Einkommen, auch wenn die Kaufkraft nicht grösser geworden ist (kalte Progression). Die kalte Progression wird jeweils ausgeglichen, sobald das Preisniveau um 7% angestiegen ist. Das war letztmals 1996 der Fall.

Die Regierung wurde von den Entwicklungen völlig überrascht. Der Druck der Abstimmungsunterlagen musste gestoppt und Pressekonferenzen verschoben werden. In aller Eile schnürte der Bundesrat ein Zusatzpaket, das in der Frühjahrssession ins Steuerpaket eingebaut wurde.

Das Parlament einigte sich schliesslich darauf, trotz Widerstand der Linken, dass die kalte Progression gemäss den aktuellen Gesetzes-Bestimmungen ausgeglichen werden soll.

Damit haben Bund und Kantone im Jahr 2008 zusätzlich rund 170-180 Mio. Franken Mindereinnahmen zu tragen, ab 2009 sind es 800-815 Mio. Franken. Erneut fühlten sich die Kantone übergangen.

Die KdK kritisierte die “überhastete ‘Nachbesserung’ des Steuerpakets”. Die Kantone waren der Meinung, dass mit den Mindereinnahmen durch das Steuerpaket die kalte Progression schon ausgeglichen sei.

Pro und Kontra

“Dieser Vorwurf ist völlig unzutreffend”, sagt Caspar Baader. Der volle Ausgleich der kalten Progression sei “im Interesse der Stimmberechtigten”.

Für Simonetta Sommaruga war dies eine politische Korrektur: “Das Parlament wurde zu einer Arbeit gezwungen, die ich als nicht seriös beurteile.”

Bei der Beurteilung des gesamten Steuerpakets hofft Sommaruga, dass die Stimmberechtigten nicht nach dem links/rechts Schema überlegen, sondern: “Was bedeutet es für uns, für das Gemeinwesen, wenn in einer schwierigen Zeit ausgerechnet die reichsten Leute im Land steuerlich massiv entlastet werden? Das bringt uns allen nichts.”

Für Baader allerdings sind andere Gründe ausschlaggebend. “Wir wollen Gegensteuer geben zu einer ständigen Zunahme der Steuerabgaben und Gebührenbelastung in diesem Land.” Es gehe nun darum, den “Wettbewerbs-Nachteil gegenüber den Ländern rings um uns herum” auszugleichen.

Das Steuerpaket wird von den bürgerlichen Regierungsparteien unterstützt. Dagegen sind 20 Kantone aller politischer Couleur, zudem Sozialdemokraten und Grüne.

Die Stimmberechtigten entscheiden am 16. Mai über das Steuerpaket. Da es sich bei der Vorlage um eine Gesetzesrevision, respektive ein Volks- und Kantonsreferendum dagegen handelt, ist einzig das Volksmehr ausschlaggebend.

swissinfo, Christian Raaflaub

Laut Bundesrat und Parlament soll das Steuerpaket Minder-Einnahmen von rund 2 Mrd. Fr. verursachen
Davon sollen die Kantone 510 Mio. Fr. übernehmen
Schätzungen der Kantone sprechen von Minder-Einnahmen von insgesamt 4 Mrd. Fr.
Durch den Ausgleich der kalten Progression entstehen ab 2009 zusätzliche Kosten von über 800 Mio. Fr.

Das Steuerpaket besteht aus drei Teilen:

Bei der Familienbesteuerung soll die Benachteiligung der Ehepaare gegenüber den Konkubinatspaaren gemindert werden.

Im Bereich der Wohneigentums-Besteuerung steht die Abschaffung des Eigenmietwerts im Vordergrund.

Die Revision der Umsatzabgabe will die Rahmenbedingungen für den Finanzplatz Schweiz verbessern.

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