
Swiss muss weiter abspecken

Ob die Swiss mit dem geplanten Kapitalschnitt aus der Misere herausfinden wird, erscheint im Moment fraglich. Auch die aufgeschobenen Flugzeug-Bestellungen werden auf Dauer keine richtige Entlastung bringen.
Von swissinfo befragte Airline-Experten sind einhellig der Meinung, dass die Swiss weiter redimensionieren muss.
Welches sind die Hauptaufgaben einer Schweizer Fluggesellschaft? Für Christoph Brützel, deutscher Luftfahrtexperte, liegt die Antwort auf der Hand: «Sie muss den Luftverkehr von und in die Schweiz effektiv bedienen. Und dies ist, auch wenn man die Handelsbeziehungen betrachtet, in erster Linie mal der Europaverkehr.»
Wer in die Vereinigten Staaten reist, fliegt mit Vorteil nach Chicago oder New York. Dort befinden sich die Hubs, von denen man andere Ziele in den USA oder Kanada anfliegt. «Kleinere Destinationen» wie Washington oder Philadelphia sind nicht wichtig, da nur relativ wenige Menschen diese Ziele direkt wählen.
Selbstbeschränkung
Christoph Brützel: «Wichtig ist, die grossen Gateways anzubinden. Jede zusätzliche Destination ist für die Industrie und die Wirtschaft nur von marginalem Nutzen.»
Der deutsche Aviatik-Experte ist der Ansicht, dass sich die Swiss auf zehn Langstrecken-Destinationen beschränken sollte. Für die 10 Flüge pro Tag würden ungefähr 15 Flugzeuge benötigt. «Man ist da also eher bei der Hälfte von dem, was man ursprünglich geplant hat.»
Patrik Schwendimann, Analyst bei der Zürcher Kantonalbank, ist derselben Ansicht: «Mit einer massiven Reduzierung wäre die Möglichkeit eher gegeben, in eine bestehende Allianz zu gelangen.»
Für Schwendimann haben Allianzen in dieser schwierigen Zeit zwar etwas von ihrer Priorität verloren, da jede Airline primär danach trachte, vor allem selbst zu überleben.
Überfällige Fusionen
«Allianzen bieten aber einen Ausweg aus eigentlich überfälligen Fusionen und Übernahmen, die nicht realisiert werden können, da die meisten Regierungen dies bislang nicht zugelassen haben.»
Die meisten Airlines wurden, auch wenn sie schon sehr angeschlagen waren, jeweils von ‹ihrer› Regierung wieder ‹aufgepäppelt›. «Dies hat langfristig der ganzen Industrie geschadet», meint Schwendimann.
Unterschiedliches Krisenmanagement
Die Austrian Airlines hat den Weg mit der Star-Alliance gewählt und sich in gewissem Sinn der Lufthansa untergeordnet. Ausserdem hat sie frühzeitig redimensioniert. Im Gegensatz dazu stand die ehemalige Swissair Group, die ganz auf Expansion aus war, und damit einen anderen Weg eingeschlagen hatte. Die Nachwirkungen sind heute noch spürbar: Die Nachfolgegesellschaft Swiss konnte trotz intensiver Bemühungen noch keiner Allianz beitreten.
Für Christoph Brützel sind die Beitritts-Verhandlungen zu einer internationalen Allianz auch deshalb gescheitert, weil die Partner nicht noch einen zusätzlichen internationalen Hub als Konkurrenz wollen.
Können zwei Einäugige Stereo sehen?
Brützel könnte sich vorstellen, dass die Swiss und KLM eine Verbindung eingehen könnten. Das Geschirr, welches der Swissair-CEO Philipp Bruggisser zerschlagen habe, könnte vielleicht mit dem VR-Präsidenten der Swiss, dem Holländer Pieter Bouwe, wieder gekittet werden. «Aber», gibt Brützel zu bedenken, «können zwei Einäugige Stereo sehen?»
Laut Brützel sollte die Swiss mit grösseren Partnern zusammen gehen. «Es wird drei oder vier Gesellschaften in Europa geben, die das Brot- und Butter-Geschäft in der Langstrecke machen.» Brützel äussert auch Verständnis: «Es ist schwierig für ein Land , das eine so erstklassige Airline wie die Swissair hatte, plötzlich sagen zu müssen: Von nun an spielen wir in der zweiten Liga.»
Swiss-Geburt unter ungünstigem Stern
Für Alfred Herbert, Schweizer Aviatik-Journalist, hat die Misere jedoch schon sehr früh begonnen: » Swiss ging unter einem ungünstigen Stern auf. Die Crossair war finanziell eigentlich schlechter gestellt als die Swissair.»
Die Crossair war eine Regional-Fluggesellschaft, die dank der Gründung in einer Boom-Zeit recht erfolgreich operierte. «Die Crossair schaffte den Sprung vom Babyalter ins Kindesalter, und von dort zur Jugend und ins reifere Alter. Diese Transition hat Crossair CEO-Sutter jedoch nicht mehr geschafft», sagt Herbert
Zu gross und zu träge
Auch Herbert empfindet die Swiss als zu gross dimensioniert und träge: «Im Herbst 2002 beschloss man unter dem Eindruck, dass sich die Situation sehr verschlechtert hatte, 8 Flugzeuge still zu legen und 120 Pilotenposten zu streichen. Die Entlassung dieser Mitarbeiter ist bisher noch nicht vollzogen worden».
Die Flugzeuge, die man lahm legen will, laufen alle unter Leasing-Verträgen . «Dies ist den Leasing-Gesellschaften nur recht. Es lassen sich höhere Preise für ein nicht so intensiv genutztes Flugzeug erzielen. Die Raten müssen gleichwohl bezahlt werden», meint Herbert. Derselben Meinung ist Christoph Brützel: «Eine Flugzeugflotte ist dann am teuersten, wenn sie auf dem Boden steht.»
swissinfo, Etienne Strebel
Die Swiss sollte gemäss Aviatik-Experten unbedingt Flugzeuge, Fluglinien und Personal abbauen.
Mit einer massiven Reduzierung der Kapazität könnte die Swiss leichter Zugang zu einer Allianz erhalten.
Die Swiss sollte, gemäss Christoph Bürtzel, Aviatik-Experte aus Deutschland, enger mit grösseren europäischen Gesellschaften zusammen arbeiten.

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