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Swissair-Tafelsilber wird verscherbelt

Bereit zum Ausverkauf: Der Silberschatz der Swissair. swissinfo.ch

Rund 5000 Nostalgiker und Schnäppchenjägerinnen wollten sich im flughafennahen Bassersdorf eine Scheibe Schweizer Luftfahrt-Geschichte abschneiden.

Unbeeindruckt vom garstigen Wetter standen sie stundenlang Schlange, um Artikel des ehemaligen Symbols und Stolzes der Nation, Swissair, zu ergattern.

Bereits Stunden vor der Türöffnung um neun Uhr ertrugen Hunderte Menschen geduldig Regen und Wind, um unter den Ersten zu sein, die im Nachlass des Swissair-Bordmaterials wühlen durften.

«Das Warten spielt keine Rolle, ich will unbedingt eine Serie des First-Class-Silberbestecks!», meint eine wetterfest bekleidete, mit Schirm bewaffnete Mitvierzigerin.

Swissair-Löffel: 10 Franken pro Stück

Bloss 150 potentielle Swissair-Nachlasskunden durften aufs Mal gemeinsam das Lager von 1,6 Mio. Stück Chromstahl-Besteck, ein 720’000-teiliges Hutschenreuther-Porzellan, 260’000 Rot-, Weisswein- sowie Wassergläser und 160’000 Flaschen Airline-Weinabfüllungen (rot und weiss), dezimieren.

«Die Weinfläschchen sind günstig, wahre Schnäppchen für 1,50 Franken. Das Tafelsilber aber ist viel zu teuer! Wer bezahlt schon für einen gebrauchten Esslöffel 10 Franken, oder für einen versilberten Weinkühler 190 Fanken?», fragt ein korrekt gekleideter Herr.

Zur Auswahl stehen aber auch 360’000 Stück versilbertes Firstclass-Besteck, 75’000 Firstclass-Schlafsäcke, 360’000 Amenity-Kits (Nachtsets mit Zahnbürste, Haarbürste und Pflegeprodukten), 145’000 Serviertablare in verschiedenen Grössen.

Süsser Trost für Wartende



«Nur zwei Kassen für so viele Kunden!» empört sich ein etwa 30-jähriger Mann. «Dem Hoss da (dem Liquidator) sollte es doch nicht egal sein, wenn man stundenlang warten muss, bis man bezahlen kann!», nörgelt er weiter.

Wie wenn Herr Hoss, der Chef der Swissair-Liquidation, den Ausbruch gehört hätte, erscheint er mit einer riesigen Schachtel «Swissair-Schöggeli» und verteilt sie an die auf baldige Bezahlung hoffenden Menschen.

Werner Schönwald aus Kreuzlingen: «Die alte Swissair treibt mich in diesen Trubel. Ich möchte noch ein paar Schnäppchen, ein paar Erinnerungs-Stücke an unsere gute ehemalige Airline ergattern.»

Wer noch nicht genug hat, dezimiert die Vorräte der 16’000 Reisespiele, CD-Etuis, Ledermappen, Schreibblöcke, Luftmatratzen, Badetücher, Postkarten oder Kofferbeschriftungen.

Hohe Preise, grosse Umsätze

Die Beträge, die an den Kassen die Besitzer wechseln, sind unterschiedlich hoch. Kaum jemand geht, ohne mindestens 45 Franken auf die Theke zu legen. Andere zählen statt Zehner- gleich mehrere Tausendernoten hervor.

«Wir haben die historische Bedeutung der Swissair in unsere Preisgestaltung mit einbezogen», begründet Peter Schneider, Mitarbeiter der Liquidationsfirma Hoss die zum Teil happigen Preise. «Das Geld, das wir verdienen, geht direkt an die Swissair-Schuldner.»

Des weiteren suchen auch mit dem Swissair-Logo versehene Ski-Rennanzüge (180 Franken), Ski-Rennhelme (50 Franken), Sport- und Umhängetaschen eine neue Besitzerin, einen neuen Besitzer.

Trotz des riesigen Umsatzes ist genügend Material vorhanden, um die Liquidation auch in den nächsten Wochen fortführen zu können. Dann trifft auch neues Material ein, das momentan weltweit auf Containern in Ozeandampfern darauf wartet, in Bassersdorf präsentiert und verkauft zu werden.

swissinfo, Etienne Strebel

10 Mio. Franken soll der Liquidations-Erlös bringen.
Über 2 Mio. Stück Besteck und 160’000 Gläser stehen zum Verkauf.
Die Schlange der Kauf-Interessierten vor dem Liquidationslokal begann am ersten Verkaufstag bereits um 4 Uhr früh zu wachsen.

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