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Versicherungspolicen aus der Nazizeit: Kalifornien verstärkt Druck auf europäische Versicherer

Der US-Teilstaat Kalifornien droht 15 europäischen Versicherungen, darunter den Schweizer Konzernen Zürich und Winterthur, mit dem Lizenzentzug, falls sie ihre Geschäftsbeziehungen während der Nazizeit nicht offen legen.

Der US-Teilstaat Kalifornien droht 15 europäischen Versicherungen, darunter den Schweizer Konzernen Zürich und Winterthur, mit dem Lizenzentzug, falls sie ihre Geschäftsbeziehungen während der Nazizeit nicht offen legen. Für Anfang Dezember werden die Versicherer unter Strafandrohung zu einem Hearing vorladen.

Der Chef der kalifornischen Versicherungsaufsicht, Chuck Quackenbush, gab die neuen Schritte gegen die Versicherungen am Dienstag (09.11.) in Los Angeles aus Anlass des 61. Jahrestags der Reichskristallnacht bekannt. Gestützt auf ein im Dringlichkeitsverfahren verabschiedetes kalifornisches Gesetz kündigte er an, er werde die 15 Versicherungen nächste Woche zu zwei Hearings am 1. und am 2. Dezember in Los Angeles und in San Francisco aufbieten.

Bei den Anhörungen will Quackenbush die Bereitschaft der Versicherungskonzerne zur Offenlegung ihrer Geschäftsbeziehungen während der Nazizeit klären. Dazu gehört die Vorlage von Listen aller nicht ausbezahlten Lebensversicherungspolicen aus dieser Zeit. Wer diese Forderungen nicht erfülle, werde vom kalifornischen Versicherungsmarkt verbannt, drohte der Versicherungsaufseher.

Zu den Hearings sollen 15 europäische Versicherungen vorgeladen werden, darunter auch jene, die in der internationalen Kommission zur einvernehmlichen Abgeltung der Forderungen von Holocaust-Opfern mitarbeiten. Es handelt sich dabei um die deutsche Allianz, die italienische Generali, die französische Axa sowie die beiden Schweizer Versicherer Zürich und Winterthur. Quackenbush ist selber Mitglied der Kommission, die unter dem Vorsitz des früheren US-Aussenministers Lawrence Eagleburger steht und in der auch jüdische Organisationen sowie der Staat Israel vertreten sind.

Der kalifornische Versicherungsaufseher hatte schon mehrfach eigene Initiativen gegen die Versicherer ergriffen, die seiner Meinung nach die Bemühungen in der Kommission unterlaufen. Auch der nun aufgegriffene Punkt der Offenlegung der Geschäftsbeziehungen ist Gegenstand der Arbeiten der Kommission.

In Assekuranzkreisen wurde der neue Vorstoss Quackenbushs am Mittwoch (10.11.) als Doppelspiel und als Profilierungsbemühung eines Versicherungsaufsehers bezeichnet, der sich in Kalifornien der Wiederwahl stellen muss. Offiziell hiess es bei der Winterthur und der Zürich, man werde nach Erhalt der Vorladung über das weitere Vorgehen entscheiden. Beide Versicherungen erinnerten daran, dass sie die Entscheidungen und Aufforderungen des Eagleburger-Komitees stets befolgt hätten und aktiv an dem Prozess mitarbeiteten. Die neue Initiative Kaliforniens werde zwar ernst genommen. Befürchtungen für negative Auswirkungen auf das Geschäft habe man aber nicht.

Das Eagleburger-Komitee wird sich voraussichtlich im Dezember zu seiner nächsten Sitzung treffen. Bis dahin soll unter anderem die Möglichkeit geklärt werden, wie weit die Arbeit des Komitees mit den Verhandlungen Deutschlands über die Entschädigung der ehemaligen Zwangsarbeiter unter dem Naziregime koordiniert werden kann. Als nächsten Schritt plant das Komitee einen weltweiten Aufruf an Holocaust-Opfer und deren Erben zur Anmeldung der Ansprüche gegenüber den Versicherungen. Mitglieder der Kommission gehen davon aus, dass sich dieser so genannte ‘Claims Outreach’ bis ins nächste Jahr verzögern wird. Ursprünglich war das Anmeldeverfahren für Ende Oktober dieses Jahres geplant gewesen. Wegen technischer Probleme bei der Bereitstellung der nötigen Infrastruktur konnte der Termin aber nicht eingehalten werden.

SRI und Agenturen

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