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Fünfte Schweiz zeigt ihre politische Kraft

Der Nationalratssaal war eine gute Kulisse für Gespräche über Politik. Keystone

Der Auslandschweizer-Rat zeigte am Samstag an seiner Sitzung in Bern, dass die Auslandsgemeinde eine ernstzunehmende politische Kraft ist.

Mit über 100’000 eingetragenen Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern soll die Stimme der Fünften Schweiz in Zukunft besser gehört werden.

Der Sitzungsraum zum Thema “politische Partizipation der Auslandschweizer” hätte nicht passender gewählt werden können. Die Sitzung des Auslandschweizer-Rats (ASR) fand im Nationalratssaal des Schweizerischen Parlaments in Bern statt.

Seit rund zehn Jahren nämlich hat die Anzahl der in ein Stimmregister eingetragenen Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer stetig zugenommen und 2005 die magische Grenze von 100’000 überschritten.

Erwachsen geworden

Das heisst, dass die Auslandsgemeinde die Stärke hat, um eine Volksinitiative zu lancieren, für die es genau diese Anzahl Unterschriften braucht.

“Wir haben eine symbolische Schwelle überschritten”, sagte ein erfreuter Georg Stucky, Präsident der Auslandschweizer-Organisation (ASO) zur Eröffnung. “Wir sind somit erwachsen geworden.”

Per Ende 2005 haben sich 105’212 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer in ein Stimmregister eintragen lassen, das heisst, sie können aktiv an Wahlen und Abstimmungen teilnehmen.

1992, als der Bund die briefliche Stimmabgabe für im Ausland wohnende Schweizerinnen und Schweizer einführte, schätzte der Bundesrat (Landesregierung) noch, dass sich etwa 25’000 von ihnen registrieren lassen würden. Nun sind es bereits viermal so viel.

Parteien erkennen Wert

Dies heisst nun aber nicht, dass eine Volksinitiative aus dem Ausland auch zu Stande kommen würde, gleichen sich doch die politischen Orientierungen jenen innerhalb der Schweiz. Einige wählen und stimmen rechts, andere links.

“Es gibt keine politische Partei, die allen Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern passt”, sagte Politologe Claude Longchamp, Leiter des Forschungsinstituts gfs.bern, vor dem Parlament der Fünften Schweiz.

Der Auslandschweizer-Rat hatte aus diesem Grund Spitzenvertreter der vier Regierungsparteien eingeladen, die kurz ihr Parteiprogramm vorstellten und spezifische Fragen aus dem Rat beantworteten.

“Was mich beeindruckte, war die starke und klare Botschaft der Parteivertreter”, sagte ASO-Direktor Rudolf Wyder gegenüber swissinfo. “Sie wollen die Meinung der Auslandsgemeinde kennen lernen, ihre Argumente hören und ihre Erfahrungen einbeziehen.”

Drei Charakteristiken

Doch wenn sie die Schweizerinnen und Schweizer im Ausland erreichen wollen, müssen die Politiker auch auf die speziellen Bedürfnisse der Auslandsgemeinde eingehen.

“Die Auslandschweizer unterscheiden sich vom Schweizer Stimmvolk in drei Charakteristiken”, erklärte Longchamp, der eine Untersuchung über diese Gruppe durchgeführt hat.

“Sie sind offener gegenüber der Europäischen Union, haben weniger Angst vor Reformen, die in Richtung Stärkung der Wirtschaft gehen, und sind solidarischer.”

Voten für E-Voting

Trotz allem sollte die Kraft der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer nicht überschätzt werden, gab Longchamp zu bedenken.

“Ausser in seltenen Ausnahmen gibt die Stimme der Auslandschweiz nicht den Ausschlag in einer Abstimmung. Die Frauen in der Schweiz haben mehr politisches Gewicht.”

Für die ASO bedeutet dies, die Kraft der Auslandsgemeinde noch zu verstärken, also mehr Menschen zur Registrierung in die Stimmregister aufzurufen. Um dies zu erreichen, erwähnten viele Redner die Wichtigkeit der elektronischen Stimmabgabe (E-Voting) auf eidgenössischer Ebene.

“Das E-Voting ist unser nächstes Schock-Argument, um die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer zu mobilisieren”, sagte ASO-Direktor Wyder. “Somit hätten diese eine echte Chance, bei Diskussionen und Entscheidungen mitzuwirken.”

Die ASO wolle sich deshalb dafür einsetzen, dass diese Form der Stimmabgabe noch vor 2010 Wirklichkeit wird.

Zu den elektronischen Mitteln der Teilnahme am politischen Prozess zählt die ASO auch die Multimedia-Plattform swissinfo, welche spezifisch die Auslandsgemeinde über die Schweiz informiert, und mit der zusammen die ASO für die Wahlen 2007 ein Polit-Forum einführen will.

Mehrere Ratsmitglieder betonten die Wichtigkeit dieses Mediums, dem derzeit Budgetkürzungen des Mutterhauses SRG SSR idée suisse drohen.

swissinfo, Christian Raaflaub

Der Auslandschweizer-Rat (ASR) ist das höchste Organ der Auslandschweizer-Organisation (ASO).

Als “Parlament der Fünften Schweiz” zählt der ASR zur Zeit 148 Mitglieder, von denen einige auch in der Schweiz wohnen.

Aufgabe des Rats ist es, die Interessen der im Ausland lebenden Schweizer zu vertreten.

Der ASR tagt zwei Mal jährlich. Eines dieser Treffen findet zeitgleich mit dem Jahreskongress der Auslandschweizer statt.

Ende 2005 betrug die Zahl der im Ausland lebenden Schweizerinnen und Schweizer 634’216.
Gegenüber dem Vorjahr bedeutet dies einen Zuwachs von 11’159 Personen.
395’397 Auslandschweizer leben in Europa
18’017 in Afrika
163’122 in Amerika
30’451 in Asien
27’229 in Ozeanien

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