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Das ganze Jahr Weihnachten

Brienzer Handwerk: Maria auf Esel und Josef. Kosten: 620 Franken. swissinfo.ch

Ob Sommer oder Winter, im Brienzer Holzbildhauer-Betrieb Huggler-Wyss werden das ganze Jahr über Krippenfiguren hergestellt.

Seit dem 11. September 2001 ist das Geschäft rückläufig, was zu Entlassungen bei der Traditionsfirma führte.

«Kauften die Kunden früher 2 bis 3 Figuren zur Ergänzung ihrer Krippe, wird heute nur noch eine erworben», sagt Rudolf Thomann, Geschäftsführer der Huggler-Wyss AG.

Krippenfiguren seien eben ein Luxusprodukt, und beim Luxus werde in schwierigen Zeiten am ehesten gespart.

Gerade billig sind die handgefertigten Figuren nicht: 120 Franken kostet die günstigste Maria, 48 Franken das kleinste Schaf. Eine aus 12 Figuren bestehende Plastikkrippe aus Fernost ist im Warenhaus bereits für 40 Franken zu haben.

Die Brienzer Schnitzerei, gelegen in einem schmucken Gässchen oberhalb der Hauptstrasse, verkauft die Hälfte ihrer Figuren im Zwischenhandel, die andere in den beiden Dorfläden.

Grosse Auswahl

Bei Huggler-Wyss Woodcarving an der Hauptstrasse sind jahrein, jahraus Krippen ausgestellt, die da heissen «Christmas», «Palästina», «Kerzenlicht» oder «Christnacht», die bekannteste und älteste Schweizer Krippe aus dem Jahr 1915.

Die Figuren sind in unterschiedlicher Höhe zu haben, von klein bis gross. Für Kirchen im In- und Ausland werden auch Spezialgrössen angefertigt.

Einen typischen Krippen-Kunden gibt es nicht: «Wir haben Abnehmer quer durch unsere ganze Gesellschaft, vom einfachen Bürger bis zum reichen Kunden sind alle vertreten», sagt Rudolf Thomann, der das Geschäft seit bald 20 Jahren leitet. Seine Frau ist die Urenkelin des bekannten Brienzer Schnitzlerkönigs Johann Huggler.

Die Hälfte der Kundschaft habe einen religiösen Hintergrund, die anderen wollten die Weihnachtsgeschichte über die Festtage einfach bildlich zu Hause dargestellt haben.

«Ich vermute, dass viele unserer Kunden mit der Krippe aufgewachsen sind. Es hat mit Nostalgie und Kindheits-Erinnerungen zu tun», so Thomann.

Mit dem Trend der Zeit

Bei Huggler-Wyss wird die Weihnachtsgeschichte immer wieder neu interpretiert, die Figuren werden weiterentwickelt und dem Zeitgeist angepasst.

Für Thomann waren die Hirten, die zum Stall gingen, in der damaligen Zeit Randständige. Heutzutage wären das zum Beispiel Asylbewerber oder Drogenabhängige. Der Phantasie sind allerdings Grenzen gesetzt, denn ausschlaggebend ist das Geschäft.

«Ein Punk im Stall?» Das liege aus kommerziellen Gründen nicht drin, sagt Thomann. «Krippenfiguren stellen eine heile Welt dar, Figuren, welche die problematische Seite unserer Gesellschaft darstellen, will niemand zu Hause aufstellen.»

Unter den Tieren werden Schafe, Hunde, Eulen, Esel, Dromedare und Kamele angeboten. Schweine gibt es nicht, dafür Elefanten.

«Wir wissen nicht, wie die drei Weisen nach Bethlehem kamen, vielleicht mit einem Kamel, einem Araberhengst und einem Elefanten?»

Ein beständiger Wert ist die Maria, die ist und bleibt blau bekleidet und ändert nur ihre Haltung: von der segnenden zur betenden oder mit dem Kind auf dem Schoss, kniend. Allzu heilig sei allerdings nicht mehr gefragt. Die Segnende wird aus dem Sortiment genommen.

Der Geschmack der Kunden verändert sich mit der Zeit und darauf müsse eingegangen werden. Bis vor 6 Jahren habe der Mohrenkönig immer nackte Beine gehabt, erzählt der Geschäftsführer. «Was, ein König mit nackten Beinen?», hiess es plötzlich. Jetzt trägt der Mohrenkönig ein langes Gewand.

Vom Klotz zum Endstück

Was sich nicht ändert, ist das Material. Im Brienzer Familien-Unternehmen wird ausschliesslich einheimisches Lindenholz verarbeitet, das mehrere Jahre gelagert wurde. Lindenholz ist besonders geeignet, weil es keine markante Struktur aufweist.

Dieses Holz sei weich und daher gut zum Bearbeiten, sagt Christoph Suter, Lehrling im 4. Jahr, der nicht etwa aus dem Berner Oberland, sondern aus dem Aargauischen stammt.

Er schnitzt gerade an seinem 11. Dromedar in Folge – noch lieber bearbeitet er Esel oder Elefanten. Eine Serie besteht meist aus 15 Stück. «Das gibt Routine», so der gelernte Schreiner. Vor ihm liegen dutzende verschiedene Meissel und andere Werkzeuge.

Bevor die Figuren zum Holzbildhauer gelangen, sägt der Schreiner die Figuren aus Holz zu. Diese werden an der Kopierfräse grob bearbeitet, Hirte, König oder Dromedar erhalten erste Formen. Der entstandene so genannte Rohling kommt in die Werkstatt.

Der Holzbildhauer-Lehrling vollendet das Stück mit dem Meissel in rund 4-stündiger Arbeit. Ein Profi schafft es in halber Zeit. Ganz zum Schluss gelangt die Figur zur Malerin.

Yvonne Albori, seit 18 Jahren als Figurenmalerin tätig, sitzt ruhig und konzentriert vor einer Schar Hirten, die zur Hälfte fertig sind. Die Farben mischt sie selber. «Am liebsten mache ich die winzigen Details, wie Hände oder Augen.»

Alle Jahre wieder

Vor Weihnachten läuft die Produktion auf Hochtouren, hier eine Bestellung, dort ein Auftrag. Hier fehlt noch ein König, dort ein Hirte, der verloren gegangen oder vom Familienhund verbissen oder dem Jüngsten verschmiert worden war.

Im Januar, nach einer kurzen Pause, muss Geschäftsführer Rudolf Thomann wieder los und die Leute darin erinnern, dass Weihnachten 2005 in nicht allzu weiter Ferne liegt.

swissinfo, Gaby Ochsenbein, Brienz

In der gibt es rund 200 Profi-Holzbildhauer, davon ein Viertel in der Region Brienz.

Brienz hat eine bekannte Schule für Holzbildhauerei.

Der berühmte Schnitzlerkönig von Brienz, Johann Huggler, lebte von 1834-1912.

In der Schweiz wurden anfangs 20. Jahrhundert die ersten handgeschnitzten Krippenfiguren hergestellt – von Hans Huggler, dem Sohn des Schnitzlerkönigs und Firmengründer von Huggler-Wyss.

Die Huggler-Wyss AG beschäftigt insgesamt 20 Leute, darunter 10 Holzbildhauerinnen und Holzbildhauer, 2 Figurenmalerinnen sowie 2 Lehrlinge.

Vor 3 Jahren mussten wegen flauem Geschäftsgang 20 Leute entlassen werden.

Huggler-Wyss ist die grösste Holzbildhauerei der Schweiz und führend im Krippen-Geschäft.

Bei Huggler-Wyss sind Krippen in 37 Variationen erhältlich, die Figuren sind zwischen 12 und 63 cm hoch.

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