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Rettungsdienst stellt neue Konkurrenz in Frage

TCS-Rettungshubschrauber im Einsatz. TCS

Der Touring Club Schweiz hat kürzlich einen Luftambulanzdienst präsentiert, mit dem er verletzte Mitglieder repatriieren will. Die Rettungsflugwacht Rega, Mitglied des Schweizerischen Roten Kreuzes, bezeichnet das Angebot als überflüssig.

Diese Woche kündigte der Touring Club Schweiz (TCS) eine Partnerschaft mit Alpine Air Ambulance (AAA) an, einem Unternehmen aus Zürich.

Der TCS besitzt einen Anteil von 49 Prozent an der AAA, was ihm Zugang zu drei Notfall-Hubschraubern und zwei weiteren Flugzeugen gibt. Die AAA hat zudem noch mehr Flugzeuge zur Verfügung.

“Wir bieten einen Transport von überall auf der Welt in ein Schweizer Spital an”, sagte TCS-Sprecher Stephan Müller gegenüber swissinfo.ch. “Wir haben diesen Dienst seit 50 Jahren angeboten – es ist nicht neu, dass wir mit verschiedenen Partnern zusammenarbeiten.”

Einer dieser Partner ist die Rega, die seit fast 60 Jahren Notrettungen auf dem Luftweg anbietet.

“Am Dienstag ist bekanntgeworden, dass wir mit der AAA kooperieren, und die Rega wurde etwas nervös”, so Müller. “Sie ist immer noch unser Partner – ich will das hier jetzt klarstellen –, aber eine Konkurrenz hat man nicht immer gern.”

Sascha Hardegger, Kommunikationschef der Schweizerischen Rettungsflugwacht (Rega), will gegenüber swissinfo.ch von Nervosität nichts wissen: “Wir fliegen gerne für den TCS, doch seit 2009 ist die Anzahl der Missionen für den TCS um 75 Prozent geschrumpft, daher sind wir nicht wirklich beunruhigt.”

Verdoppelung der Kapazitäten

Die Rega ist jedoch skeptisch, ob das Angebot des TCS wirklich nötig ist. “Da die Rega diese Dienste bereits für in der Schweiz lebende Personen und im Ausland Reisende anbietet, ist dieser neue Dienst nicht wirklich nötig. Grundsätzlich werden einfach die Kapazitäten verdoppelt – nicht wirklich das, worauf die Schweiz gewartet hat”, so Hardegger.

Die Schweizer Nichtregierungs-Organisation besitzt in der Schweiz 17 Helikopter und drei Ambulanzflugzeuge für medizinische Notfall-Einsätze. “Wir sind absolut in der Lage, die Welt abzudecken. Und ich glaube, diese Kapazitäten genügen den Anforderungen und Bedürfnissen der Schweiz und ihrer Bevölkerung vollauf.”

Zusätzlich zu den Transfers zwischen Spitälern und den Repatriierungsflügen spezialisiert sich die Rega auf ihre “Hauptaufgabe”: Die Rettung von Unfallopfern, häufig in unzugänglichen Berggebieten.

Im Gegensatz dazu bietet der TCS lediglich Spitaltransfers und Repatriierungsflüge an – keine Rettungsflüge. Führt die Zusammenarbeit mit der AAA zu einer Konkurrenz zur Rega? “Klar werden die Kosten unter Druck kommen”, sagt Müller vom TCS. “Vielleicht wird die Rega ihre Dienste zu einem tieferen Preis anbieten.”

Lukrativ?

Repatriierungen sind ein Geschäft mit einer Anzahl von internationalen Anbietern, wie etwa den Unternehmen Tyrol Air Ambulance, Luxembourg Air Rescue oder der deutschen DRF Luftrettung.

Auf die Frage, wie lukrativ das Geschäft sei, antwortet Müller: “Repatriierungsflüge sind teuer. Man hat Auslagen für die Helikopter oder Flugzeuge, Treibstoff, Landegebühren, eine Crew, die rund um die Uhr bereit sein muss – das ist nicht billig.”

Er glaubt, der TCS könne seine Kosten mit dem neuen Partner AAA reduzieren. “Unser Budget ist nicht tiefer, aber wir können mit dem gleichen Budget mehr Flüge für unsere Mitglieder anbieten.”

Von seinen 1,6 Millionen Mitgliedern haben sich 700’000 Personen für den Notfalldienst angemeldet – das heisst, sie erhalten Hilfe, wenn sie krank werden oder auf Reisen verunfallen. Bis heute hat das Callcenter in Genf dieses Jahr 8000 Anfragen behandelt und 650 Repatriierungen arrangiert.

Im Vergleich zum TCS hat die Rega über 2 Millionen Mitglieder und führte 2010 14’000 Missionen durch. “Der grösste Unterschied ist, dass der TCS seinen Kunden einen Service anbietet – das sind Leute, die eine Versicherung beim TCS abgeschlossen haben. Die Rega ist eine nichtkommerzielle Organisation für alle Menschen, die in der Schweiz leben. Man kann diese beiden Systeme also nicht vergleichen”, gibt Hardegger von der Rega zu bedenken.

Die Schweizer Patientenschutz-Organisation hingegen begrüsst das Angebot des TCS: “So wird es verschiedene Preise geben und Patienten können selbst entscheiden, mit wem sie im Unglücksfall in die Schweiz zurückgeflogen werden wollen”, sagte Präsidentin Margrit Kessler.

Der Touring Club Schweiz (TCS), bekannt für seine gelben Pannendienst-Fahrzeuge, ist ein Autofahrer-Verband mit 1,6 Millionen Mitgliedern. Er ist besonders aktiv im Bereich Infrastrukturen, die Autofahrer betreffen.

Rund 700,000 TCS-Mitglieder besitzen ein Fokument, das sie dazu berechtigt, Hilfe zu erhalten bei einem Unfall oder im Krankheitsfall im Ausland.

Jedes Jahr organisiert der TCS die sichere Heimreise von rund 800 Personen und 2800 Fahrzeugen.

Die Schweizerische Rettungsflugwacht (Rega) wird von rund 2,3 Millionen Gönnerinnen und Gönnern unterstützt.

Die Rega führte 2010 in der Schweiz und benachbarten Ländern 13’726 Rettungsflüge durch.

Rettungsflüge wegen Wintersport-Unfällen haben laut Rega auch 2010 zugenommen. Zum Anstieg beigetragen hätten auch Lawinenunglücke.

In der Schweiz werden Rettungskosten grundsätzlich dem Patienten weiterverrechnet. Meistens sind Rettungen, Bergungen und Suchaktionen in der Grundversicherung nur mit einem kleinen Betrag gedeckt.

Um die hohen Kosten bei aufwändigen Suchaktionen oder Rettungen im Gebirge zu decken, können Zusatzversicherungen abgeschlossen werden.

Wer der Rega einen Gönnerbeitrag bezahlt, leistet eine Spende und hat deshalb keinen Rechtsanspruch auf Rettungsflüge.

Aber die Rega übernimmt die Kosten für eigene Einsätze, wenn sie von keiner anderen Seite getragen werden.

Eine Gönnerschaft bei der Rega lohnt sich vor allem bei Rückführungen aus dem Ausland, denn da übersteigen die Kosten häufig die Deckungsgrenzen der Versicherungen.

(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)

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