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Glorreicher Tag für “verrückte” Schweizer Forscher

Roboter, die immer mehr den Menschen ähneln: Ausstellung in Budapest. swissinfo.ch

Ab 2012 wird die EU zwei aussergewöhnliche und visionäre Forschungs-Projekte mit je bis zu einer Milliarde Euro unterstützen. Sechs Projekte sind noch im Rennen, darunter drei aus der Schweiz. Die Projekte wurden dieser Tage in Budapest vorgestellt.

Roboter, deren Fähigkeiten immer mehr jenen von Menschen ähneln, Professoren, Studenten, die ihre Erfindungen vorstellen: Die Atmosphäre in Budapest erinnert an einen Science-Ficition-Film.

Mit ihren so genannten Flaggschiff-Initiativen will die EU ambitiöse Forschungsvorhaben in der Informations- und Kommunikations-Technologie fördern. Dazu stellt sie über einen Zeitraum von zehn Jahren pro Projekt bis zu einer Milliarde Euro zur Verfügung.

Insgesamt wurden 26 Projekte eingereicht. An der 2. FET-Konferenz zwischen dem 4. und 6. Mai in Budapest wurden nun die sechs aussichtsreichsten Projekte ermittelt. Drei der Projekte stammen von den technischen Hochschulen der Schweiz, zwei davon sind von der ETH Zürich, eines von der EPF Lausanne.

Die ausgewählten Forschungsgruppen haben nun bis Mai 2012 Zeit, einen detaillierten Subventions-Antrag auszuarbeiten. Dieser wird die Grundlage sein für den definitiven Entscheid. 2013 können die siegreichen Forschungsteams mit der Arbeit beginnen.

Virtuelles menschliches Gehirn

Henry Makram von der l’Ecole polytechnique fédérale Lausanne (EPFL) hat ein grosses Ziel. Er will einen Computer konstruieren, der fähig ist, die Funktionen des menschlichen Gehirns zu stimulieren.

Bereits ist es Makram und seinem Team gelungen, ein Modell der neokortialen Spalte von Ratten nachzubauen. Diese besteht aus 10’000 Neuronen, die untereinander bis zu 30 Millionen Synapsen verbinden können. Zum Vergleich: Das menschliche Gehirn besteht aus 100 Milliarden Neuronen.

“Wir leben länger, die Medizin erhält unsere Körper länger am Leben, doch es fehlen uns Lösungen zur Bekämpfung der Gehirnkrankheiten, von denen weltweit zwei Milliarden Menschen betroffen sind. Wenn wir hier weiterkommen wollen, müssen wir das Gehirn begreifen lernen”, sagt Makram, der elegante Wissenschafter mit sonorer Stimme.

“Ich denke, die meisten Menschen anerkennen, dass die Forschung über das menschliche Gehirn eine dringende Angelegenheit ist. Es ist eine akademische Herausforderung. Das kann nicht die Industrie lösen”, so Makram.

Energieautonome Chips

Im Bereich der Informations- und Kommunikations-Technologien angesiedelt ist das Projekt “Guardian Angels”. Das Projekt hat eine europaweite Dimension. Federführend sind die ETH Zürich und die EPF Lausanne. “Das Projekt ist wirklich sehr zukunftsorientiert; es ist so ambitiös, wie auf den Mond zu fliegen – vor 50 Jahren”, sagt Christofer Hierold, Professor für Mikro- und Nanosysteme an der ETH Zürich.

“Guardian Angels”, das sind die Mikrochips der Zukunft: Unauffällige, intelligente und energieautonome Geräte, welche die Menschen im Alltag begleiten. Dazu zählen etwa Sensoren, die Kleinkinder oder Pflegebedürftige in komplexen Lebenssituationen unterstützen”, schreibt die ETH.

Die Sensoren sollen aber auch fähig sein, die Umwelt zu überwachen und damit Umweltgefahren zu erkennen. Die Geräte werden auch untereinander kommunizieren können. Ihre Energieversorgung soll autonom erfolgen. Das heisst, die Geräte werden in der Lage sein, Vibrationen oder Bewegungen, Temperaturunterschiede oder Strahlungsenergie in elektrische Energie umzuwandeln.

Da die damit erzeugten Energiemengen sehr klein sein werden, sind auch neue elektronische Bauelemente und Softwarekonzepte mit minimalem Energiebedarf Bestandteil des Forschungsprojektes.

Krisen im Voraus erkennen

In Zusammenarbeit mit britischen Forschern entwickeln die Schweizer Hochschulen das Projekt FuturICT, eine Analyse-Plattform, die Soziologie und Technologie miteinander verbindet. “Es kommt mir vor, wie wenn ich bei der Geburt einer neuen Wissenschaftsrichtung dabei wäre”, sagt der Londoner Forscher Stephen Bishop.

FuturICT will sämtliche verfügbaren Daten der Welt analysieren. Ziel ist es, gesellschaftliche Entwicklungen vorauszusehen und Krisen – wie etwa die Finanzkrise im Jahr 2008 -zu verhindern.

Die Schweiz nimmt seit 1999 als vollwertige Partnerin an den Forschungsrahmen-Programmen der EU teil.

Zurzeit läuft das 7. Europäische Forschungsrahmen-Programm. Das Programm, das für die Jahre 2007-2013 mit einem Gesamtbudget von 50,5 Milliarden. Euro dotiert ist.

Es hat zum Ziel, die wissenschaftlichen und technologischen Grundlagen der europäischen Industrie sowie deren internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

Zurzeit ist innerhalb der EU die Debatte zum 8. Programm im Gang. Bis zum 20. Mai 2011 läuft das formelle Konsultationsverfahren.

Gegen Ende 2011 wird die Europäische Kommission ihre offiziellen Vorschläge zu den Projekten vorlegen.

Diese werden anschliessend im Rat der Europäischen Union und im Europäischen Parlament beraten und verabschiedet.

Danach wird die Gesetzgebungsphase rund anderthalb Jahre in Anspruch nehmen. Die ersten offiziellen Ausschreibungen für die Projekte werden im Jahr 2013 erfolgen.

(Übertragung aus dem Französischen: Andreas Keiser)

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