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“Ich will die Flötenmusik aller Erdteile kennen lernen”

Der Mann mit dem goldenen Atem: Der Schweizer Solo-Flötist Emmanuel Pahud.

Der Schweizer Emmanuel Pahud ist einer der erfolgreichsten Solo-Flötisten der Welt. Rund 150 Konzerte bestreitet der internationale Preisträger pro Jahr. Zur Unterstützung eines Nachwuchsdirigenten tritt Pahud am 6. Februar in Berlin auf.

Der Mann mit dem goldenen Atem – so wird Emmanuel Pahud gern beschrieben. Der Schweizer Solo-Flötist ist ein Ausnahmetalent, und seine musikalische Karriere bislang wohl einzigartig.

Als fünfjähriger Bub, während eines Italien-Aufenthalts, hörte er zum ersten Mal eine Flöte. Ein Nachbarsjunge übte Mozarts 1. Flötenkonzert. “Ich war total fasziniert von dem Instrument”, erinnert sich der heute 39-Jährige. Der kleine Emmanuel überzeugte seine Eltern, ihn ebenfalls zum Flötenunterricht zu schicken.

Schlag auf Schlag

Bald geht es Schlag auf Schlag: Nach einer fundierten Ausbildung und ersten Stationen in Paris, Brüssel und Basel wird der gebürtige Genfer 1992 von den Berliner Philharmonikern zum ersten Flötisten berufen. Da ist Pahud gerade einmal 22 Jahre alt.

Der Karrieresprung ist allerdings mit einem enormen Arbeitspensum verbunden, da Pahud gleichzeitig als Solist in Kammermusik-Ensembles auftritt und auch noch eine Virtuositätsklasse an der Musikhochschule in Genf leitet.

2000 schmeisst Pahud den Job in Berlin hin. “Die Doppelbelastung, das viele Reisen wurden zu viel für mich”, sagt er. Die Kündigung entpuppt sich indes als eine Art Sabbatical: Denn zwei Jahre später kehrt Pahud an die Spree zurück – die Philharmoniker haben seine Stelle frei gehalten.

Honorarloser Auftritt für Nachwuchsdirigenten

Heute ist Pahud einer der gefragtesten Solo-Flötisten der Welt. Sein festes Engagement in Berlin und seine internationalen Verpflichtungen als Solist lassen ihm nur wenig Freiraum.

Doch am 6. Februar tritt der Schweizer in der Berliner Philharmonie mit dem International Mahler Orchestra auf – als Solist und ohne Honorar. Damit will Pahud den erst 22-jährigen Nachwuchsdirigenten Yoel Gamzou unterstützen, der am Anfang einer viel versprechenden Karriere steht.

“Gamzou lebt und brennt für die Musik. Sein totales Engagement, verbunden mit einem hohen künstlerischen Anspruch, haben mich überzeugt”, sagt Pahud. Der Schweizer wird das Flötenkonzert von Carl Nielsen spielen sowie eine für ihn geschriebene Bearbeitung von Claude Debussys “Prelude à l’après-midi d’un Faune”.

“Ich habe momentan eine Bach-Phase”

Drei Tage später, am 9. Februar, startet Pahuds Deutschland-Tournee, mit Stationen unter anderem in Erlangen, Köln und Münster. Musikalischer Schwerpunkt wird hier Johann Sebastian Bach sein.

“Ich habe momentan eine Bach-Phase”, sagt Pahud. Bach habe in seinem langen Leben viele interessante musikalische Phasen durchlaufen. “Bach zu spielen, erfordert Reife und Erfahrung.”

Mit der Querflöte musikalische Türen aufstossen

Ein Musikkritiker meinte einmal, Pahud besitze die Fähigkeit, Werke aus dem Barock ebenso stilsicher zu spielen wie zeitgenössische Musik oder gar Jazz. Tatsächlich schafft es Pahud, mit seiner Querflöte Türen aufzustossen, wie bislang kein Flötist vor ihm. Wie selbstverständlich bewegt er sich dabei durch die Jahrhunderte.

Darauf angesprochen, gibt Pahud das Lob an sein Instrument weiter: “Wie die Flöte umschalten kann vom Barock über die Romantik und dann zum Jazz, verblüfft mich selbst immer wieder.”

Denn eigentlich sei die Flöte im Gegensatz zu vielen anderen Instrumenten nicht gerade mit einer klanglichen Unendlichkeit gesegnet, findet Pahud. Allein vier, fünf Lehrbücher mit verschiedenen Fingersätzen reichten aus, um das gesamte Spektrum des Flötenspiels so ziemlich im Griff zu haben.

Nie Langeweile

So etwas wie Langeweile kennt der Musiker jedenfalls nicht. “Es gibt für mich noch so viel zu entdecken”, sagt Pahud. “Ich will die Flötenmusik aller Erdteile kennen lernen, besonders ihre Anfänge.”

In den kommenden Jahren will sich der Schweizer verstärkt mit zeitgenössischer Musik auseinandersetzen. Zudem faszinieren ihn musikübergreifende Projekte, wie die Zusammenarbeit mit Videokünstlern oder DJs.

“Jedes Konzert ist wichtig”

Viel Zeit kann Pahud derzeit allerdings nicht für seine vielen Interessen aufbringen. Rund 150 Konzerte gibt Pahud pro Jahr, etwa die Hälfte davon mit seinen Berliner Orchesterkollegen. Zu den beruflichen Reisen hinzu kommt, dass Pahud, so oft es geht, das Flugzeug nach Genf besteigt, wo seine zwei kleinen Söhne mit ihrer Mutter leben.

Trotz der vollen Agenda fühlt sich der 39-Jährige kein bisschen müde. Natürlich sei das Drumherum einer Konzerttour anstrengend, räumt er ein: “Das Fliegen und die damit verbundenen Wartezeiten, und dass man jede Nacht in einem anderen Hotel schläft.”

Doch seine Lust, vor Publikum aufzutreten, ist ungebrochen. “Es gibt kein grosses oder kleines Konzert, nur weil man schon in der Carnegie Hall oder in der Berliner Philharmonie gespielt hat”, sagt Pahud. Für ihn sei jedes Konzert wichtig, weil er für die Menschen spiele und jeden im Saal erreichen wolle.

swissinfo, Paola Carega

Emmanuel Pahud begann mit 6 Jahren Flöte zu spielen. Ausgebildet wurde er in Rom, Brüssel und Paris. 1990 schloss er sein Studium am Pariser Conservatoire National Supérieur de Musique mit einem Ersten Preis ab.

Orchester-Erfahrungen sammelte er als Solo-Flötist im Radio-Sinfonieorchester Basel und bei den Münchner Philharmonikern, bevor er 1993 als erster Flötist zu den Berliner Philharmonikern kam.

Aus vielen renommierten Wettbewerben ging Pahud als erster Preisträger hervor. Er erhielt unter anderem den “Juventus”-Preis des Europarates und einen “Choc du Monde de la Musique”. Ausserdem ist Pahud Preisträger der Yehudi Menuhin-Stiftung und des “International Tribune for Musicians” der UNESCO. In der Kategorie Kammermusik-Einspielung des Jahres wird ihm seit 1998 zudem regelmässig der ECHO-Klassik verliehen.

Pahud ist gemeinsam mit dem Pianisten Eric Le Sage und dem Klarinettisten Paul Meyer Mitbegründer des “Musique à l’Empéri”-Festivals in Frankreich.

Seit 1996 steht Pahud bei der Plattenfirma EMI unter Vertrag. 2003 hat er zusammen mit dem Jazzpianisten Jacky Terrasson das Jazz-Album “Into the Blue” aufgenommen.

Pahud ist Vater von zwei Kindern und lebt in Berlin.

Die Querflöte ist ein Holzblasinstrument mit Anblaskante, das aus der mittelalterlichen Querpfeife beziehungsweise Schwegelpfeife hervorgegangen ist.

Um 1750 (gegen Ende des Barock) verdrängte sie die Blockflöte und wurde ein bedeutendes Solo- und Orchesterinstrument.

Auch im Jazz und der Rockmusik wird die Querflöte eingesetzt.

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