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Montreux Jazz: Le festival OFF

Jazz-Festival und Kommerz: Der sanfte Zwang zum Plastikgeld. swissinfo.ch

So bunt das Musik-Programm in den Konzertlokalen, so schillernd geht es vor dem Haus zu und her. Jazz Festival Montreux ist, wie die Musikwelt auch, eine durch und durch kommerzielle Angelegenheit mit einer Einheitswährung: CASH. Aber auch Gratiskonzerte locken.

Mexican Fajitas, Sushi King, World-Burger, Fondue, Assiete Valaisanne oder Rösti Bernois – der «mondiale Fastfood» gruppiert sich rund um das Auditorium Stravinsky und die Miles Davis Hall.

Weiter geht der Jazz-Festival Jahrmarkt mit zahlreichen Ständen dem See entlang. Es gibt alles: vom sprechenden Kunststoffpapagei bis hin zum Schlüsselanhänger mit Jazz-Festival Emblem.

Dazu Musik in sämtlichen Facetten. Die Freiluft-Zweimann-Band, die gepflegten Gitarrenjazz anbietet, bis zum Bongohämmerer, der unsere Ohren strapaziert. Auf diversen Bühnen sind Gratiskonzerte zu hören. Ein 220 Personenchor aus Ohio singt Gospel. Auf der OFF-Bühne beim Auditorium hört man von der Karibik bis zum Balkan und zurück nach Brésil (fast) alles: Le festival OFF!

Der Zwang zu CASH

Montreux Jazz-Festival ist ein grosser Jahrmarkt. Kaum ein Türöffner, kaum eine WC-Spülung, die nicht gesponsert ist. Immer noch wird darüber debattiert, ob Kunst (und das wird hier ja in reichem Masse geboten) tatsächlich so kommerziell zu sein hat. Dabei ist das alles wohl einfach das Spiegelbild der Wirklichkeit. Wer will behaupten, Jazz und Popmusik-Business seien nicht kommerziell? Die ganz Erfolgreichen, so erzählte hier einer, der es wissen muss, verwenden bald die Hälfte des Rockmusiker-Daseins, um Geldgeschäfte zu regeln.

Alles ist gesponsert, sogar das Geld. Rund um das Festival kann man nur mit dem sonst wenig erfolgreichen CASH-Kleingeld-Plastikgeld bezahlen. Schweizer Franken sind wertlos. Hast Du keine CASH-Karte, musst Du Dich mühsam in eine Reihe stellen, wo Dir jemand für bares Geld einen Jeton gibt, «Tschass» genannt. Damit kannst Du dann Deinen Burger berappen. Da geht man früher oder später zu den netten CASH-Häuschen und lädt sich eine Karte runter!

Montreux-Palace oder bei Nobs

Montreux hat etwa 22’000 Einwohner und rund 5’000 Hotelbetten. Zur Zeit ist alles restlos ausgebucht, sagt Corinne Baume von Montreux-Tourismus. Die Zimmerpreise bewegen sich auf sehr hohem Niveau, um es nobel auszudrücken. Da seufzt auch Corinne Baume, um gleichzeitig zu erzählen, dass man nicht wisse, wo man 40 angekündigte Topmanager aus den USA unterbringen soll. Diese wollen das Jazz-Festival mit einem Seminar verbinden.

Das Festival, so Corinne Baume, trägt den Namen Montreux in die Welt hinaus. Das sei wahr. Aber für Montreux, das fast vollständig vom Tourismus lebt, ist die Jazz-Festival-Zeit auch ein zweischneidiges Schwert. Viele Gäste müssen abgewiesen werden, weil das Haus einfach voll ist und wer weist schon gerne Gäste ab?

Da haben es die Topstars einfacher. Wenn sogar die Nobelherberge «Montreux-Palace» ausgebucht ist, dann wohnt man halt bei Festivalgründer Claude Nobs persönlich. Wer das schafft, gehört zu den Unsterblichen.

Urs Maurer, Montreux

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