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Renommierter Preis fürs Malen mit Messer und Säge

Ein Bild von Pia Fries wird an der Internationalen Spanischen Kunstmesse in Madrid am 11. Februar 2003 aufgehängt. Keystone

Die in Düsseldorf lebende Schweizer Malerin Pia Fries hat den renommierten Fred Thieler Preis für Malerei erhalten. Die Auszeichnung wird alle zwei Jahre vergeben und ist mit 10'000 Euro dotiert.

Pia Fries ist Malerin – aber mit Pinsel, Staffelei und Leinwand hat sie nichts am Hut. Viel lieber klatscht Pia Fries die Farbe mit dem Spachtel zentimeterdick auf grossformatige, weiss gestrichene Holztafeln. Dann schiebt sie die Ölfarbe zu dicken Wülsten zusammen, kratzt und riffelt mit dem Messer Reliefs hinein und schlägt ganze Batzen wieder ab.

In Pia Fries Atelier hängen Flaschenzüge, mit deren Hilfe sie die schweren Tafeln kippt, bis die Farbwürste zu rutschen anfangen und bunte Schlieren ziehen. Manchmal greift die zierliche Frau mit dem schulterlangen glatten Haar zur Lochsäge und bohrt fingerdicke Löcher in die getrocknete Masse.

“Für mich ist Farbe etwas Körperliches. Es käme mir nie in den Sinn, flach zu malen”, sagt Fries gegenüber swissinfo. “Farbe als Materie ist die Basis für alle meine Bilder.”

Fred Thieler Preis

Pia Fries ist im luzernischen Beromünster geboren und lebt seit vielen Jahren zusammen mit ihrem Mann, der ebenfalls Maler ist, in Düsseldorf. Mittlerweile umfasst ihr Oeuvre einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren.

Nun hat die 54-jährige für ihr Werk den renommierten Fred Thieler Preis für Malerei erhalten. Diese mit 10’000 Euro dotierte Auszeichnung wird alle zwei Jahre von der Berlinischen Galerie verliehen und ehrt Künstler, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben und deren Schaffen sich im internationalen Vergleich behauptet.

Weder Routine noch Ermüdung

In der Laudatio vom Dienstagabend in der Berlinischen Galerie hob Stephan Berg, Direktor des Kunstmuseums Bonn, insbesondere die eigenständige Position der Schweizer Künstlerin hervor. “Pia Fries hat ihr ureigenes Paradigma gefunden und bespielt es mit einer ebenso kraftvollen wie frischen Entschiedenheit”, lobte Berg.

Ihre Werke hätten über die Jahre einen bestechenden Grad an Reife und Souveränität erreicht, der umso höher zu bewerten sei, als die Bilder keinerlei Züge von Routine, formalem Manierismus oder inhaltlicher Ermüdung aufwiesen. “Wenn es so etwas gibt wie das Physisch-Werden des Bildes, dann wird dies in den Arbeiten von Pia Fries Wirklichkeit”, sagte Berg.

International präsent

Tatsächlich studierte Fries zunächst Bildhauerei in Luzern, bevor sie in den 1980er-Jahren an der Kunstakademie in Düsseldorf Meisterschülerin bei Gerhard Richter wurde.

Fries, die seit 2007 eine Gastprofessur an der Universität der Künste in Berlin inne hält, ist seit vielen Jahren international präsent – von Frankreich über Spanien bis hin zu den USA.

Der Farbe gehorchen

Mit dem Preis verbunden ist auch eine Ausstellung mit Werken der Preisträgerin. Noch bis zum 11. Mai zeigt die Berlinische Galerie in Berlin-Kreuzberg einen Querschnitt durch ältere und jüngste Werke von Pia Fries.

Sie alle bewegen sich auf dem schmalen Grat zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion. So sind zwar oftmals einzelne Motive zu erkennen, die jedoch in der Gesamtheit des Bildes eine neue Dynamik und Bedeutung erhalten.

“Meine Malerei ist wie eine Metamorphose”, erklärt Fries ihr Schaffen. Alles sei im Fluss, im Entstehen und Werden. “Wenn ich Glück habe, entwickeln sich die Bilder ein Stück weit von selbst. Ich muss nur der Farbe gehorchen.”

Keine Rahmen

Die Übergänge von einem Zustand in den anderen ziehen sogar den die Bilder umgebenden Raum mit ein. So verzichtet Pia Fries bei ihren Werken auf einen Rahmen – den Bildern fehlt damit die Abgrenzung. Ganz im Gegenteil scheinen die weiss gestrichenen Flächen des Untergrunds mit der Wand dahinter zu verschmelzen.

Immer wieder spielt die Künstlerin in ihrem Oeuvre auch mit verschiedenen Facetten von Original und Kopie. Etwa bei der Arbeit “lochtrop”, für welche sie Fotos von Details ihrer eigenen Bilder anfertigte und diese als Siebdrucke ins neue Bild einbaute – gleichsam wie ein Trompe-l’oeil: Dem Betrachter präsentiert sich dann zum Beispiel die tatsächliche räumliche Farbe neben einem Abbild eines Farbbatzens.

Mehrmals hinsehen

Man muss schon mehrmals hinsehen und sich die Details von nahe anschauen, um zu erkennen, was sozusagen Original und was Surrogat ist.

Auch ihre neuesten Werke spielen mit diesem Thema. So lässt die Künstlerin auf “kappast UE” einzelne Bahnen der Holzplatten frei. Im Ergebnis wirken die unbearbeiteten Holzflächen, die doch eigentlich der Untergrund für die Bilder sind, künstlicher als das Bild selbst.

swissinfo, Paola Carega, Düsseldorf

Die Berlinische Galerie ist das Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur Berlins. Sie wurde 1975 als Verein von kunstinteressierten Bürgern gegründet, mit dem Ziel, die in Berlin entstandene Kunst zu präsentieren.

In den ersten Jahren residierte der Verein in einem Büro, Ausstellungen wurden dann zum Beispiel in der Neuen Nationalgalerie gezeigt. 1995 wurde das Museum zu einer öffentlich-rechtlichen Stiftung umgewandelt.

Seit 2004 befindet sich die Berlinische Galerie in einer ehemaligen Industriehalle im Stadtteil Kreuzberg. Auf zwei Stockwerken sammelt, erforscht und präsentiert das Museum in Berlin entstandene Kunst von 1870 bis heute.

Dazu gehören die Sezessionisten und die Jungen Wilden, Dada und Fluxus, Neue Sachlichkeit und Expressionismus, Russen in Berlin, die Avantgarde in Architektur und Fotografie, Berlin unterm Hakenkreuz, die Stadt in Trümmern, Ost-Berlin und West-Berlin, die vereinte Metropole.

Regelmässige Sonderschauen befassen sich ausserdem mit der zeitgenössischen Szene.

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