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Salzburger Musikpreis 2009 an Klaus Huber

Aussereuropäische Musiken als Inspirationsquelle: Klaus Huber. Keystone

Mit dem renommierten Musikpreis wurde am Sonntag der Schweizer Komponist Klaus Huber für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Nach dem Ernst von Siemens Preis ist es die zweite hohe Auszeichnung für den zeitgenössischen Komponisten.

Der Mann hat einen ausgeprägten Charakterkopf und würde jederzeit als Gandalf in Tolkiens Herr der Ringe durchgehen. Genauso mystisch und monumental wie Tolkiens Werk ist Klaus Huber als Mensch und so sind auch seine Kompositionen.

“Klaus Huber ist weltweit anerkannt und ist sicher einer der bekanntesten Komponisten zeitgenössischer Musik unserer Zeit”, sagt Werner Schmitt, der ehemalige Direktor am Berner Konservatorium gegenüber swissinfo.

Mit “unserer Zeit” meint Schmitt das Musikschaffen zwischen 1970 und heute. “Huber ist momentan der einzige noch lebende Schweizer Komponist mit Weltgeltung.”

“Ein unbequemer Zeitgenosse, der sich mit seiner künstlerischen und politischen Intransigenz (Kompromisslosigkeit) nicht nur Freunde gemacht hat”, sei er, dieser Klaus Huber, schreibt der Schweizer Musikkritiker Max Nyffeler.

Hubers kompositorische Qualitäten stelle niemand in Zweifel, seine visionären Anschauungen würden auch da respektiert, wo sie zum Widerspruch herausforderten. “Und trotzdem”, so Nyffeler, “würde das Werk des nun bald 85-Jährigen in der Schweiz kaum beachtet.

Auch Werner Schmitt sieht das so. “Im Radio wird er hier kaum gespielt.” Das sei in Deutschland und Frankreich etwas anders. “Aber die haben wohl auch mehr Geld.”

Überwältigt

Und der englische Komponist Brian Ferneyhough sagt über Huber: “Seine musikalische Kunst ist humanistisch im doppelten Sinn: einerseits im Sinn der Treue zu traditionellen Konzepten des handwerklichen Könnens, andererseits im Sinn der beharrlichen Ansprüche, die er (zu Recht) an die Musik als die letzte visionäre Vermittlerin eines hohen ethischen Bestrebens stellt.”

Der Geehrte – aber oft verschmähte – selber sagt gegenüber swissinfo – bevor er in epischer Weite über seine Musik zu erzählen beginnt – dass er überwältigt, ja auch irgendwie erschüttert sei, dass er im selben Jahr zwei der ganz grossen Musikpreise erhalte.

Auf die Tatsache angesprochen, dass er die Preise auch für sein Lebenswerk erhalte, die ja in der Regel gegen Ende eines Lebens ausgerichtet werde, meint Huber lachend: “lieber spät als zu spät.”

Immense Bandbreite

Dieses Lebenswerk liest sich wahrhaftig gigantisch. Es beginnt mit der Beschäftigung mit polyphonem Denken. Wird geprägt durch ein starkes Interesse an der christlichen Mystik. An Sufismus und Zen.

Huber setzt sich mit abendländischer, wie auch mit asiatischer und lateinamerikanischer Musik auseinander. Er vertont die Bergpredigt neben dem Kommunistischen Manifest. Texte der südamerikanischen Befreiungstheologen stehen neben aussereuropäischen Gegenwartsautoren. Aber auch Hildegard von Bingen und Heinrich Böll.

Wichtige Anregungen bezieht der Komponist auch aus der arabischen Musik. “Eine Hochkultur, die wir durch die Kreuzzüge ausgelöscht haben”, sagt Huber. “Verschüttet wurde auch deren Musik.”

Als Beispiel nennt er das Kanun, eine Form der Zither, wie sie im Orient schon im 10. Jahrhundert bekannt war und via die Mauren in unsere Zivilisation fand. “Ich bin gegen die Verteufelung des Islams. Unsere Musik wäre ohne die Araber nicht da, wo sie heute ist.”

Glaube an Transzendenz

Wer so komponiert und musiziert, wer sich so mit der Verfeinerung des Tonsystems befasst, der macht keine Mehrheitsmusik. Für einen Mainstream-Musikhörer und Laien tönen Hubers Kompositionen gelinde gesagt gewöhnungsbedürftig. Das weiss der Komponist.

“Wenn mir jemand sagt, das ist nicht meine Musik, dann empfinde ich das als ehrlich und legitim.” Er entgegne dann jeweils: “Nicht der Kopf muss die Musik verstehen, die Seele muss mitschwingen.” Und er spüre immer wieder, dass viele Seelen mitschwingen, wenn es ihnen denn erlaubt würde.

Und was empfindet er, wenn -wie jetzt auch in Salzburg – von ihm als dem weltweit führenden Ausdrucks- und Bekenntnismusiker gesprochen wird?

Da erhebt Klaus Huber seine Stimme, damit es auch alle hören können: “Ich glaube nicht an eine Musik ohne Transzendenz. Und ich glaube auch nicht an eine Menschheit ohne Transzendenz.”

swissinfo, Urs Maurer

Geboren am 30.11.24 in Bern.

Kompositionsunterricht bei Willy Burkhard (Zürich) und bei Boris Blacher (Berlin).

1959 Internationaler Durchbruch beim Weltmusikfest der IGNM in Rom mit der Kammerkantate “Des Engels Anredung an die Seele”.

1969 Gründung des Internationalen Komponistenseminars in Boswil.

1970 Beethovenpreis der Stadt Bonn.

1984 Beginn der internationalen Tätigkeit als Gastprofessor.

2009 Ernst von Siemens Preis (200’000 Euro) und Musikpreis Salzburg.

Klaus Huber ist Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, der Akademie der Künste Berlin, der Freien Akademie der Künste Mannheim, Ehrenmitglied der IGNM und Ehrendoktor der Universität Strassburg. Er lebt in Bremen und Panicale (Umbrien).

Hubers Werkverzeichnis umfasst rund 120 Kompositionen (1952 – 2009)

Bei der Verleihung des Salzburger Musikpreises wurden die Werke “Tempora” (1970) und “Intarsi” (1994) aufgeführt.

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