
Blocher für Telefonüberwachung

Der Schweizer Justizminister fordert im Kampf gegen Terrorismus schärfere Präventionsmassnahmen, etwa das Abhören von Telefongesprächen.
Um Missbräuche zu vermeiden, soll ein aussenstehendes Gremium die Überwachungen bewilligen.
«Nach den Terroranschlägen in London, die im Umfeld islamischer Extremisten vorbereitet wurden, erhalten solche Massnahmen eine neue Aktualität», sagte Blocher. Es müsse allerdings genau geprüft werden, wie weit sich solche Massnahmen mit der Freiheit des Einzelnen vereinbaren liessen.
Für die Schweiz sei es wichtig, zu wissen, wie sich extremistische Gruppierungen bewegten. «Heute wissen wir noch zu wenig. Diese sind oft wie eine Black Box», sagte Blocher, der ein Vertreter der rechtsbürgerlichen Schweizerischen Volkspartei (SVP).
Nicht von Bundesorganen durchgeführt
Die Einführung der präventiven Telefonüberwachung ist Bestandteil der geplanten Revision des Bundesgesetzes über die Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit.
Um Missbräuche zu vermeiden, werde Blocher vorschlagen, «dass die Abhörungen nicht durch die Bundespolizei oder das Eidgenössische Justiz-und Polizeidepartement bewilligt werden, sondern durch Aussenstehende.»
Als Beispiel nannte er eine mit ehemaligen Richtern bestückte Gruppe. Leichtfertige Abhörungen seien mit einem Freiheitsstaat nicht vereinbar.
Verbindungen zu Terror-Organisationen
El-Kaida-ähnliche Strukturen seien in der Schweiz derzeit keine erkennbar. Das sagte der Chef des Dienstes für Analyse und Prävention (DAP) im Bundesamt für Polizei, Jürg Bühler, gegenüber der «SonntagsZeitung».
Allerdings gebe es je nach Einschränkung mehrere hundert bis tausend Personen in der Schweiz, die mit Terrororganisationen «in irgendeiner Verbindung» stünden, sagte Bühler weiter. «Diese Leute sind aber nicht automatisch selbst gewaltbereite Terroristen.»
«Einheimische» Terroristen schliesst der DAP-Chef nicht aus: «Erfahrungen aus dem In-und Ausland zeigen, dass sich isolierte Gruppen sehr gewaltorientiert entwickeln können und schliesslich Gewalt anwenden.» Der Niederstechung eines Imams in Lausanne vergangenen Oktober könnte laut Bühler eine ähnliche Entwicklung vorausgegangen sein.
swissinfo und Agenturen
Am 7. Juli 2005 zündeten vier mutmassliche Selbstmordattentäter in London vier Bomben in der U-Bahn und in einem Bus.
Mindestens 55 Menschen kamen ums Leben, über 700 wurden verletzt.
Die Schweizer Regierung diskutiert im Herbst über Massnahmen zur Terrorismus-Prävention, darunter auch die Telefonüberwachung (in Deutschland Lauschangriff genannt).
Die Überwachung von Bürgern wurde nach der so genannten Fichen-Affäre von 1989 eingeschränkt.
Die Polizeiorgane des Bundes hatten rund eine Million Personen ausspioniert und die Informationen auf Fichen festgehalten.
Die EU-Innenminister wollen alle Verbindungsdaten von Telefon, Handy, Fax und Internet ein Jahr lang speichern lassen. Das soll im Anti-Terror-Kampf helfen.
Zu den Verbindungsdaten gehören die Angaben, war wann mit wem telefoniert, gefaxt oder gemailt hat, welche Webseiten besucht oder SMS verschickt wurden.
Die Schweiz speichert diese Daten bereits seit dem Jahre 2002, allerdings nur für sechs Monate.

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