
Horror,Terror und Analysen

In der Schweizer Presse tauchen unweigerlich die Begriffe "Horror" und "Terror" auf, um die Anschläge vom Donnerstag in London zu beschreiben.
Die Kommentatoren versuchen aber auch Analysen anzustellen und denken grundsätzlich über den Terror und den Krieg gegen Terror nach.
Am kürzesten bringt der «Blick» die Ereignisse auf den Punkt: «9/11 in London» titelte das Massenblatt bereits in der Spezialausgabe, die am Donnerstag an Pendlerinnen und Pendler verteilt wurde. Die Gratiszeitung «20 Minuten» braucht fünf Worte, um die Ereignisse zusammenzufassen: «Islamisten griffen Londoner City an». Für die «Berner Zeitung» tragen die Anschläge mindestens «Al-Qaidas Handschrift».
Diese Handschrift ist auch für den Kommentator des Berner «Bund» «kaum zu übersehen.» Und: «Grossbritannien hat sich als wichtigster Verbündeter der USA im Irak-Krieg die kompromisslose Feindschaft weiter Teile der islamischen Welt eingehandelt.» Jetzt habe der Terror London erreicht, den Hintermännern des Massenmords gehe es nicht um politische Ziele, sondern um die Verunsicherung der Öffentlichkeit. «Es sind nicht mehr ’nur› Nadelstiche, sondern ein Frontalangriff.»
Faschisten des Dschihad
«Il Corriere del Ticino» aus dem Tessin warnt vor Illusionen und davor, dass «der islamistisch-fundamentalistische Terror durchaus noch am Leben ist». «Der Westen hat sich geschickte Ausreden konstruiert, um nicht koordiniert agieren zu müssen.» «La Regione» schlägt in dieselbe Bresche und erklärt, dass «der Krieg nicht beendet ist», betrachtet allerdings die bisherige Militärstrategie im Kampf gegen den Terror als unbrauchbar.
«Al-Qaida ist im Begriff das zu werden, was die Nazis vor sechzig Jahren waren: eine Bedrohung des Lebens von uns allen», schreibt der Chefredaktor der Westschweizer Boulevardzeitung «Le Matin». Auch «Le Temps» schlägt mit einem Zitat des ehemaligen britischen Europaministers Dennis McShane den Bogen zu den Nächten unter Feuer, welche die britische Hauptstadt während des Zweiten Weltkriegs durchlebte: «Nach den Bomben der Nazis, jene der Faschisten des Dschihads.»
Machtlose Staatsmänner
Die «Neue Zürcher Zeitung» zeigt sich gewohnt zurückhaltend. «Wenn der Verdacht auf Täter aus dem Dunstkreis islamistischer Extremisten für die Londoner Anschlagserie erhärtet werden sollte, würde das einen weiteren schweren Schatten auf die Zwischenbilanz der globalen Terrorbekämpfung werfen, wie sie die Mitglieder der G8-Staaten und zahlreiche andere Länder regelmässig in Erklärungen und Vereinbarungen beschwören.»
Die Staatschefs, die gegenwärtig in Schottland tagen, sind für den «Tages-Anzeiger» aus Zürich «nach dem blindwütigen Treiben des internationalen Terrorismus» noch «Machtlose Mächtige». «Kein Land, keine Stadt kann sich auch mit noch so rigorosen Sicherheitsmassnahmen vor solchen Anschlägen schützen.» Die einzige richtige Antwort, welche die Staatschefs geben konnten, sei gewesen, den Gipfel fortzusetzen, um die Armut in der Welt zu lindern und den Klimaschutz zu fördern. «Neben der internationalen Zusammenarbeit im Polizeibereich kann nur ein Abbau der grössten Ungerechtigkeiten in der Welt zum Erfolg führen.»
Politik statt Gewalt
Auch für den Kommentator der «Südostschweiz» ist klar: «Es braucht politische Mittel.» Und im Berner «Bund» wird die Frage aufgeworfen, ob der Krieg gegen den Terror überhaupt das richtige Mittel sei. «Allein mit der Erhöhung der Dosis – also noch mehr militärischem Druck – ist das Problem nicht zu lösen. Vielleicht ist die ganze Therapie falsch.»
Auch der Kommentator der Londoner «Financial Times» warnt, dass weder Gewalt noch Politik allein den Terror besiegen könnten. «Der Westen wird noch viele Jahre verletzbar bleiben. So sehr wir uns diese auch wünschen, es gibt keine schnelle Lösungen für diesen Kampf. Das ist kein ‹Krieg›, sondern viel mehr ein tiefer Zusammenprall von Werten.»
swissinfo, Philippe Kropf

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