
Blutbad im Zuger Kantonsrat -insgesamt 15 Tote

Ein Amoklauf im Zuger Kantonsrat hat am Donnerstagmorgen insgesamt 15 Todesopfer gefordert. Unter den Toten sind drei Regierungsmitglieder. Zudem sind 13 Personen mit Verletzungen in Spitäler eingeliefert worden. Viele davon befinden sich in kritischem Zustand. Offenbar handelt es sich um die Tat eines Einzeltäters. Dieser ist laut Polizeiangaben tot aufgefunden worden. Er hatte sich nach der Tat selbst gerichtet.
Laut Angaben der Polizei kamen beim Amoklauf im Zuger Kantonsrat am Donnerstagmorgen die drei Regierungsmitglieder Peter Bossard, Jean-Paul Flachsmann und Monika Hutter-Häfliger sowie 11 Mitglieder des Parlaments – unter ihnen der Präsident Herbert Arnet – ums Leben.
Unter den Schwerverletzten sind auch Medienleute, die im Saal anwesend waren.
Wie Urs Hürlimann, Kommandant der Zuger Kantonspolizei, sagte, habe der mit einer orangen Polizeiweste bekleidete Täter den Kantonsrats-Saal um 10.35 Uhr betreten und mit einem Sturmgewehr 90 in die Reihen der Parlamentarier und der vollzählig anwesenden Kantonsregierung geschossen.
«Die Menschen haben sich fluchtartig auf den Boden geworfen», berichtete der im Saal anwesende Journalist Dominik Hertach. «Er ist offenbar durch den ganzen Saal marschiert und hat regelmässig Schüsse abgegeben.»
Laut Polizei verliess der Täter dann den Saal, kehrte nochmals zurück und brachte eine Handgranate oder einen Sprengkörper zur Detonation.
Verwüstungen
Nach dem Überfall sah der Kantonsrats-Saal entsetzlich aus. Überall lagen Verletzte. Alles war voll Blut. Durch die Detonation entstanden auch zahlreiche Glimmbrände. Laut Augenzeugen kam es nach der Detonation des Sprengsatzes zu starker Rauchentwicklung.
Mögliches Motiv: Abgewiesene Aufsichtsbeschwerde
Beim Täter handelt es sich um einen im Raume Zürich wohnhaften 44-jährigen Schweizer, wie die Polizei mitteilte. Er wurde nach dem Amoklauf tot aufgefunden. Nach Angaben der Kantonspolizei Zug dürfte der Täter Selbstmord begangen haben.
Vor dem Regierungsgebäude entdeckte die Polizei ein Auto mit weiteren Waffen. Ebenso wurde ein Bekennerbrief gefunden, in dem von einem «Tag des Zorns für die Zuger Mafia» die Rede ist.
Zu den Anschlägen vom 11. September in den USA besteht laut Polizei kein Zusammenhang. Es handle sich um ein lokales Ereignis.
Der Täter handelte offenbar aus Rache und Wut. Er hatte – ohne Erfolg – sieben Anzeigen gegen Personen des öffentlichen Lebens in Zug eingereicht. Bei seiner Kritik ging es in erster Linie um Personal der Zugerland Verkehrsbetriebe. Die Wut des Täters richtete sich dabei vor allem gegen den Vorsteher der Volkswirtschafts-Direktion, Robert Bisig, dem die Zugerland Verkehrsbetriebe unterstellt sind. Bisig blieb beim Amoklauf unverletzt.
Verstärkung der Sicherheit im Bundeshaus
In Bern unterbrach der Nationalrat seine Sitzung für eine Schweigeminute. Der Präsident des Parlaments, der Zuger CVP-Vertreter Peter Hess, gab während der Debatte in der grossen Kammer bekannt, er habe angeordnet, die Sicherheitsmassnahmen im eidgenössischen Parlament zu verstärken. Das Parlament in Bern dürfe nicht auch noch zum Ziel von Anschlägen durch irre geleitete Menschen werden.
In der Folge markierte die Polizei vor dem Haupteingang und im Haus sichtbar Präsenz.
Bundesanwalt Valentin Roschacher begab sich bereits am frühen Nachmittag zusammen mit einem Vertreter der Bundes-Kriminalpolizei nach Zug. Die Bundesanwaltschaft eröffnete ein gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren wegen Gefährdung durch Sprengstoff, wie Sprecher Hansjörg Mark Wiedmer bekannt gab.
Schock, Betroffenheit und Warnung vor Überreaktion
Der Bundesrat hat mit Bestürzung auf den Amoklauf im Zuger Kantonsrat reagiert. Die Regierung sei fassungslos über diese schreckliche, unverständliche Tat, welche an die Grundlagen des Zusammenlebens greife, heisst es in einer Mitteilung der Bundeskanzlei. Den betroffenen Familien, der Zuger Regierung und dem Zuger Kantonsrat sprach der Bundesrat sein tiefes Beileid und Mitgefühl aus.
Mitglieder der eidgenössischen Räte haben sich nach dem Amoklauf in Zug schockiert gezeigt. Es seien Volksvertreter und Regierungsräte in der Ausübung ihres Amtes getroffen worden, sagte Nationalratspräsident Peter Hess (CVP/ZG) und versicherte den betroffenen Familien das Mitgefühl des Parlaments.
Er kenne die Opfer persönlich von seiner politischen Tätigkeit in seinem Kanton, erklärte Hess weiter. Er bedaure es, dass auch in einem freiheitlichen Land wie der Schweiz strengere Sicherheitsmassnahmen nötig seien. Die Hemmschwelle nach den Attentaten in den USA sei offenbar auch in der Schweiz gesunken.
Die Tat sei entsetzlich, sagte Cecile Bühlmann (Grüne/LU). Sie denke an die Betroffenen, aber auch daran, was diese Tat für die Arbeit der eidgenössischen Parlamentsmitglieder bedeute und ob das in Bern auch passieren könnte.
Die Regierungen der Zentralschweizer Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Obwalden und Nidwalden sind bestürzt über die Ereignisse im Zuger Kantonsrat. Zugleich bieten sie den Zuger Behörden ihre Unterstützung an.
Fahnen auf Halbmast
Die Fahnen auf allen Gebäuden der Eidgenossenschaft werden auf Halbmast gesetzt. Der Bundesrat ordnete diese Massnahme bis zum kommenden Sonntagabend an, wie die Bundeskanzlei mitteilte. Letztmals hatte der Bundesrat die Fahnen nach den Attentaten vom 11. September in den USA auf Halbmast setzen lassen.
Hotline
Für Menschen, die von ihren allenfalls in Mitleidenschaft gezogenen Verwandten und Bekannten keine Nachricht haben, hat die Polizei eine Hotline eingerichtet: 041 / 728 49 00.
Die Liste der Todesopfer
Beim Amoklauf im Zuger Kantonsrat sind 14 Personen ums Leben gekommen, dazu der Täter. Bei den Opfern im Rat handelt es sich um 3 Mitglieder des Regierungsrates und 11 Mitglieder des Parlamentes. Die Liste der Opfer:
Mitglieder der Regierung:
Peter Bossard, 1938, FDP, Zug
Jean-Paul Flachsmann, 1936, SVP, Zug
Monika Hutter, 1949, SP, Baar
Mitglieder des Kantonsrates:
Herbert Arnet, 1950 Kantonsrats-Präsident, CVP, Cham
Martin Döbeli, 1944, FDP, Zug
Karl Gretner, 1961, CVP, Cham
Hein Grüter, 1948, FDP, Baar
Konrat Häusler, 1956, CVP, Unterägeri
Dorly Heimgartner, 1947, FDP, Zug
Erich Iten, 1957, FDP, Unterägeri
Kurt Nussbaumer, 1952, FDP, Oberägeri
Rolf Nussbaumer, 1965, FDP, Baar
Käthi Langenegger, 1942, CVP, Baar
Willi Wismer, 1957, CVP, Risch

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