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Flüchtlingstag: «Kinder brauchen Hoffnung»

Im Rollenspiel die Situation eines Flüchtlings erfahren. OSAR/SFH

Der diesjährige Weltflüchtlingstag steht unter dem Motto "Kinder brauchen Hoffnung". Am Wochenende sind zahlreiche Aktivitäten in der ganzen Schweiz geplant.

Erstmals spannen die Schweizerische Flüchtlingshilfe und das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge zusammen.

Bereits am Samstag feierte die Schweiz den nationalen Flüchtlingstag. Mit zahlreichen Aktionen und Aktivitäten in der ganzen Schweiz wurde auf die Situation von Menschen auf der Flucht aufmerksam gemacht.

So haben etwa die Religions-Gemeinschaften in der Schweiz einen gemeinsamen Aufruf lanciert. Darin mahnten sie zu einem menschenwürdigen Miteinander in der Schweiz.

Am Sonntag dann feierten die Kirchen den so genannten «Flüchtlingssonntag». Der Weltflüchtlingstag schliesslich ist am Freitag, 20. Juni.

Dieser ist den jüngsten Flüchtlingen gewidmet: «Kinder brauchen Hoffnung». Geplant ist ein Austausch zwischen Schweizer Kindern und Flüchtlingskindern.

So treten Berner und Lausanner Gymnasiumsklassen übers Internet mit Kindern aus Flüchtlingslagern in Kasulu (Tansania) und Largo (Sierra Leone) in Kontakt. Dies unter der Regie des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH).

Doch auch durchs Jahr wird das Thema «Flüchtlinge» greifbar gemacht. So zum Beispiel mit dem Projekt «Schule» der SFH.

Brennendes Thema

Nach der letzten Asyl-Initiative der Schweizerischen Volkspartei (SVP) im Herbst 2002 wurde man sich in den Schulen der Deutschschweiz bewusst, dass mehr über das Asylproblem informiert werden muss.

Die SFH erhält immer mehr Anfragen zur Durchführung von Ausbildungs- und Sensibilisierungstagen.

«Es nützt niemandem – weder den Schweizern, noch den Flüchtlingen – einen Teil der Bevölkerung ins Abseits zu drängen», erklärt Kais Fguiri, Koordinator des Projekts «Schule» sowie Mitglied der Eidgenössischen Ausländerkommission (EKA).

Aber unter dem starken Migrationsdruck in der Schweiz wie im übrigen Europa besteht eine eindeutige Tendenz, die Grenzen dicht zu machen.

Damit polarisiert das Asylproblem auf politischer Ebene. Die Zwangsmigration wird immer mehr einer wirtschaftlichen Migration gleichgestellt.

Fertig ausgearbeitete Projekttage

Wie kann man den Hindernislauf eines neu in der Schweiz angekommenen Flüchtlings verstehen, wie begreifen, was wirklich vor sich geht, was es bedeutet, zu einer von überall her zurückgeschickten Ware zu werden, was Angst, Flucht, Verlust von Orientierungspunkten, Demütigungen bedeuten? Und wie kann man Toleranz und Gastfreundschaft lernen?

Auf all diese Fragen bietet die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) mit fertig ausgearbeiteten Projekttagen eine Antwort an. Mit einem Rollenspiel und einem didaktischen Teil.

Hier können Jugendliche in der Ausbildung sowie Schülerinnen und Schüler Krieg, Unterdrückung und Zwangsexil «erleben».

Zuerst in der Romandie

Das Projekt «Schule» wurde 1998 in der Romandie gestartet, nach mehreren Jahren intensiver Vorarbeit durch das Westschweizer Sekretariat der SFH. Seit 1999 wird es auch in der Deutschschweiz angeboten.

«Aber seit der knappen Ablehnung der SVP-Asylinitiative im November 2002 – die in der ganzen Deutschschweiz angenommen wurde, sogar in Zürich, wo fremdenfeindliche Initiativen im Allgemeinen keine Chance haben – wächst die Nachfrage von Seiten der Schulen und Kirchgemeinden», stellt Jean-Daniel Fivaz fest.

«Die vier ersten Jahre hatten wir 150 Auftritte, allein in diesem Jahr waren es schon vierzig», fährt der Verantwortliche für das Deutschschweizer Projekt fort. «Es findet also eine Bewusstseinsbildung statt: Die Zeit, davon zu sprechen, ist richtig.»

Immer grösseres Zielpublikum

Seit Beginn des Programms nahmen rund 30’000 Personen an diesen Sensibilisierungstagen teil.

In der Romandie wurde ausserdem das Zielpublikum ausgeweitet. Das Programm richtete sich zuerst an die Sekundarschulen, heute werden auch in Ausbildung stehende junge Erwachsene angesprochen.

Dazu gehören namentlich Polizeianwärter und -anwärterinnen der Kantone Waadt und Neuenburg, Studierende der medizinischen und sozialen Fachhochschulen und der Höheren Lehranstalten sowie die Zivilschutzkader des Bundes.

«Es ist wichtig, dass diese zukünftigen Berufsleute die Werkzeuge erhalten, die ihnen helfen, den kulturellen Pluralismus zu verstehen, mit dem sie es zu tun haben», bekräftigt Jean-Daniel Müller, der für das Westschweizer Programm verantwortlich ist.

Medienschelte

«Dieses Thema darf nicht verpolitisiert werden», findet Kais Fguiri. «Trotzdem greifen es alle Parteien auf. Und die Presse macht sich zu deren Sprecherin. Letztes Jahr war es das Thema Nummer eins in den Medien.»

Fguiri hält fest, dass in den Medien nur die Spitze des Eisbergs sichtbar werde. Diese konzentrierten sich auf straffällige Asyl Suchende oder schrieben, dass die Asyl Suchenden den Einheimischen Arbeitsplätze wegnehmen könnten.

Nun, das Rollenspiel hilft als Erstes, den Hindernislauf der Asyl Suchenden gefühlsmässig zu verstehen. Im zweiten, didaktischen Teil des Tages, in dem anerkannte Flüchtlinge zu Wort kommen, kann objektiv über die schweizerische Asylpolitik diskutiert werden.

Da werden namentlich die Kriterien für die Erlangung des Status als Flüchtling untersucht. Und man stellt dabei fest, wie restriktiv und streng sie in Bezug auf die zu liefernden Beweise sind.

Zahlen zeigen die Realität

Die Teilnehmenden werden auch mit Zahlen konfrontiert. Namentlich damit, dass in der Schweiz «nur» 26’000 anerkannte Flüchtlinge wohnen. Sie erfahren auch, dass zwischen 2 und 10 Prozent der Asylgesuche positiv beantwortet werden.

Die Teilnehmenden des Rollenspiels erfahren weiter, dass die Asyl Suchenden 15 Franken pro Tag für Verpflegung und Kleidung erhalten. Damit kosten sie weniger als Sozialhilfe empfangene Schweizerinnen und Schweizer.

So wird ein weiteres Märchen widerlegt, das von den Befürwortern einer totalen Abschottung der Schweiz geschickt eingesetzt wird.

Im Rollenspiel wird auch daran erinnert, dass Asyl Suchende die ersten drei Monate nicht arbeiten dürfen. Und dass sie nachher nur Arbeiten annehmen können, welche Leute mit einer Arbeitsbewilligung nicht ausüben wollen.

All diese Elemente helfen, das Asylproblem in einen objektiven und menschlichen Zusammenhang zu stellen, weg vom Populismus einiger politischer Parteien.

Und das ist wichtig, denn zur Zeit wird das Asylgesetz revidiert.

swissinfo, Anne Rubin

Weltweit 50 Millionen Entwurzelte
1 Person von rund 140 ist auf der Flucht
In der Schweiz werden zwischen 2 und 10% der Asylgesuche gutgeheissen

Der Schweizerische Flüchtlingstag beginnt am 14. Juni mit diversen regionalen Anlässen unter dem Titel «Kinder brauchen Hoffnung» in der ganzen Schweiz.

Am Sonntag, 15. Juni, feiern die Kirchen den «Flüchtlingssonntag».

Der 20. Juni ist Weltflüchtlingstag. Wichtige Schweizer Monumente werden blau beleuchtet.

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) ist die Dachorganisation der im Asylbereich aktiven Hilfswerke. Sie wurde 1936 gegründet, um Opfern des Naziregimes zu helfen.

Sie vertritt die Interessen der Asyl Suchenden und der Flüchtlinge bei den Behörden und in der Politik.

Sie begleitet die Asyl Suchenden auf allen Stationen ihres Weges, von der ersten Anhörung bis zur Rückreise im Fall einer Ablehnung.

Die SFH ist politisch unabhängig und konfessionell neutral. Sie übernimmt Aufträge für den Bund und für das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR).

Im Übrigen wird sie von privaten Spenden finanziert.

Das Projekt «Schulen» kostet rund eine halbe Million Franken pro Jahr. Die Schulen übernehmen 20% der Kosten.

Es betreut durchschnittlich 110 Schulen oder Institute pro Jahr. In der Romandie sind 40% der Interessierten Erwachsene.

Bis heute nahmen rund 30’000 Personen an den Rollenspielen zur Sensibilisierung teil.

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