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Schweiz vergisst die Guantanamo-Gefangenen nicht

US-Kriegsgefangenen-Lager Guantanamo in Kuba. Keystone

Auch ein Jahr nach Ankunft der ersten Gefangenen auf der US-Basis Guantanamo Bay ist ihr juristischer Status unklar. Menschenrechts-Organisationen verurteilen diese Situation.

Und die Schweiz versucht, mit einem Expertentreffen in Boston Ende Monat eine Änderung herbeizuführen.

Ins Camp X-Ray – das Gefängnis auf der US-Marinebasis in Guantanamo Bay – werden weiterhin Gefangene gebracht, die von Washington verdächtigt werden, mit dem Terroristennetz Al Kaida in Verbindung zu stehen.

Dieser Ansicht ist jedenfalls Amnesty International. Die Menschenrechts-Organisation untersucht den Fall zweier Männer, die letzten November in Gambia festgenommen wurden.

“Da sie der Verbindung mit Al Quaida verdächtigt werden, wurden sie insgeheim nach Guantanamo gebracht”, erklärte Catherine Morand von Amnesty International gegenüber swissinfo.

“Wir untersuchen auch andere Fälle aus jüngster Zeit. Wenn unser Verdacht sich erhärtet, zeigt dies, dass in Guantanamo nicht nur Gefangene aus dem Afghanistan-Krieg sitzen”, präzisiert sie.

Besuche des IRKR

Das IKRK, die einzige unabhängige Organisation, die ins Camp X-Ray gelassen wird, kann die Information weder bestätigen noch entkräften. Die Organisation ist der Vertraulichkeit verpflichtet.

“Bei unserem letzten Besuch Anfang Januar konnten wir mit 619 Gefangenen sprechen”, sagt IKRK-Sprecher Florian Westphal immerhin.

Sicher ist nur eins: Die Gefangenen haben noch immer keinen klaren juristischen Status. Für Washington sind sie nach wie vor illegale feindliche Kämpfer.

Das heisst, dass die USA ihnen den Status der Kriegsgefangenen weiterhin absprechen. Resultat: “Den Gefangenen wird jeder Kontakt mit den Gerichten, ihren Anwälten und ihren Familien verweigert”, empört sich Morand von AI.

“Sie müssen auch damit rechnen”, so Morand weiter, “für unbestimmte Dauer dort bleiben zu müssen und möglicherweise von militärischen Gerichten abgeurteilt zu werden, welche die Todessprache aussprechen können.”

Einen Status für Terroristen finden

Um dieser juristischen Lücke und den daraus entstehenden Menschenrechts-Verletzungen ein Ende zu setzen, hat das IKRK von den USA wiederholt verlangt, den juristischen Status jedes einzelnen Gefangenen festzulegen.

Die Schweiz organisiert inzwischen in Boston ein Expertentreffen, das dazu beitragen könnte, diesen juristischen Nebel zu lichten.

Ende Monat werden im “Harvard program on humanitarian policy and conflict research”, einem von Bern finanzierten Zentrum, Fachleute aus Regierungen und Universitäten sowie Vertreterinnen und Vertreter der UNO und des IKRK zusammen kommen.

“Die rund 70 Personen werden in Boston darüber diskutieren, wie das humanitäre Völkerrecht angesichts der Entwicklung der gegenwärtigen Konflikte und der Privatisierung der Gewalt angepasst werden könnte”, erklärt Barbara Fontana, eine der Organisatorinnen des Treffens und wissenschaftliche Beraterin im Schweizer Aussenministerium.

Bei den Überlegungen geht es unter anderem um den Status der Gefangenen von Guantanamo und die Folgen des Kriegs gegen den Terrorismus.

Eine weltweite Herausforderung

Für die Organisation Human Rights Watch sind solche Überlegungen wichtig.

In ihrem am 14. Januar veröffentlichten Jahresbericht schreibt die Organisation: “Terroristen verletzen die grundlegenden Persönlichkeitsrechte, indem sie ihre Angriffe gegen Zivilpersonen richten.”

“Aber die USA”, heisst es im Bericht weiter, “schaden diesen Prinzipien, wenn sie die im Kampf gegen den Terrorismus von ihren Alliierten wie Pakistan, China, Saudi Arabien oder den afghanischen Kriegsfürsten begangenen Missbräuchen nicht beachten.”

Dieser Ansicht pflichtet Amnesty International voll und ganz bei.

swissinfo, Frédéric Burnand, Genève
(Übersetzung: Charlotte Egger)

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