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Swissair-Führung als “Schönwetterequipe” tituliert

Die Anklage wiegt schwer: Die Staatsanewälte Christian Weber (links) und Ralph Ringger. Keystone

Am ersten Tag der Anklage im Swissair-Prozess hat die Staatsanwaltschaft harsche Worte gegen die ehemalige Führung gebraucht. Diese sei direkt für den Untergang der Airline verantwortlich.

Verwaltungsrat und Management hätten die Alarmsignale missachtet, die Pflicht versäumt und im kritischen Moment versagt, so die Plädoyers.

Die Staatsanwälte sparten bei ihrem ersten Auftritt nicht mit Vorwürfen an die Swissair-Verantwortlichen. In der Befragung der Angeklagten in der ersten Prozessphase hatten die Ankläger noch heftige Anwürfe gegen ihre Arbeit über sich ergehen lassen müssen. Zudem waren ihre Fragen von den Angeklagten konsequent ignoriert worden.

Mit den Plädoyers der Anklage ist der Swissair-Prozess nach zehntägiger Pause am Donnerstag nun fortgesetzt worden. Anwesend war eine Mehrheit der 19 Angeklagten, darunter die ehemaligen Konzernchefs Mario Corti, Eric Honegger und Philippe Bruggisser.

Handeln und Nicht-Handeln

Klartext sprach der leitende Staatsanwalt Christian Weber in seinem Eröffnungsplädoyer: “Nicht die Anschläge des 11. September und nicht die böse UBS sind schuld am Untergang der Swissair, sondern das Handeln oder besser das Nicht-Handeln der Angeklagten”.

Verwaltungsrat und Management hätten ihre Pflichten nicht erfüllt und in kritischen Momenten versagt. Weber zitierte einen Ausspruch Christoph Blochers, wonach Verwaltungsräte “in guten Zeiten nutzlos und in schlechten Zeiten hilflos” seien.

Laut Staatsanwalt Hanspeter Hirt waren sich die Verwaltungsräte stets über die Situation der Swissair im Klaren. Sie hätten aber Konzernchef Philippe Bruggisser “nicht im Griff” gehabt. Dessen Hunter-Strategie mit den “konzeptlosen” Zukäufen von Fluggesellschaften sei erst Ende 2000 aufgegeben worden.

Kein Regierungsdruck

Eine im Februar 2001 bewilligte Zahlung über 150 Mio. Euro an die belgische Sabena sei “à fonds perdu” gewesen, sagte Hirt. Aussagen der Angeklagten, dass der Bundesrat Druck wegen der bilateralen Verhandlungen mit der EU gemacht habe, begegnete der Ankläger mit Skepsis: Die Akten belegten dies nicht.

Die Umstrukturierung der SAirGroup im März 2001 diente für Hirt nicht zuletzt der Verschleierung des schlechten Zustands des Flugkonzerns. Mit der Übertragung der werthaltigen Beteiligungen aus der Mutter SAirGroup in die marode Flugtochter SAirLines seien die Gläubiger der Muttergesellschaft geschädigt worden.

Taschenspieler

Die Angeklagten hatten diese Betrachtungsweise in der Befragung heftig kritisiert. Die Übertragung der Gesellschaft sei, als ob man etwas “von einer Hosentasche in die andere stecke”, hatte etwa Bruggisser im Januar gesagt. Man habe offenbar mit “Taschenspielertricks” sanieren wollen, entgegnete Hirt nun.

Bezüglich der Anklage der Steuerhinterziehung gegen Eric Honegger bezeichnete es Staatsanwalt Ralph Ringger als erwiesen, dass der Angeklagte die Steuerbehörden habe täuschen wollen. Der ehemalige Finanzdirektor des Kantons Zürich hatte Einkommen und erhaltene Sachwerte wie ein Auto und einen Computer in Höhe von 146’000 Franken nicht deklariert.

Die Plädoyers der vier Staatsanwälte werden am Freitag fortgesetzt und voraussichtlich am Montag abgeschlossen. Die Strafanträge will die Anklage am nächsten Montag bekannt geben. Die Angeklagten haben sich als unschuldig bezeichnet.

swissinfo und Agenturen

Der Prozess vor dem Bezirksgericht Bülach hat am 16. Januar begonnen und dauert bis am 9.März.

Die Einvernahme der 19 Angeschuldigten wurde am 5. Februar abgeschlossen.

Die Verhandlungen in der 1500 Personen fassenden Stadthalle Bülach sind öffentlich.

Ab 15. Februar erfolgen die Anklage der Staatsanwaltschaft und die Plädoyers der Verteidigung.

Der Zeitpunkt der Urteilsverkündung steht noch nicht fest.

Die Anklageschrift umfasst 100 Seiten. Die Akten füllen 4150 Aktenordner.

Die Zürcher Staatsanwaltschaft hat in 40’000 Arbeitsstunden mehr als 300 Personen einvernommen und 20 Hausdurchsuchungen veranlasst.

Eine erste Version der Anklageschrift vom 30. März 2006 hat das Gericht wegen Mängeln zurückgewiesen. Die überarbeitete Anklageschrift liegt seit dem 31. Dezember 2006 vor.

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