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Zwangsarbeiter- Frage: Zahlreiche Schweizer Firmen im Fokus

Häftlinge des KZ-Lagers Ausschwitz auf dem Weg zum "Arbeitseinsatz"; undatierte Aufnahme. Keystone

Die Bergier-Kommission untersucht bei zahlreichen Schweizer Firmen die Zwangsarbeiter-Frage. Die Forschungen seien bald abgeschlossen, sagte der Präsident der Expertenkommission, Jean-Francois Bergier, am Freitag (28.07.) auf Anfrage.

Im Rahmen ihres Forschungsauftrags zur Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg untersucht die von Bergier geleitete unabhängige Expertenkommission auch die Frage von Zwangsarbeitern, die während des Zweiten Weltkriegs im Namen von Schweizer Firmen in Deutschland beschäftigt wurden.

Die Kommission hat Zugang zu vielen Firmenarchiven, die laut Bergier mehr oder weniger intensiv untersucht würden. Er habe aber noch keinen Überblick über die Ergebnisse und könne deshalb auch keine inhaltlichen Angaben machen. Die Zusammenarbeit mit den Unternehmen verlaufe aber gut, erklärte Bergier.

Die Ergebnisse dieser Nachforschungen werden nicht als separater Bericht sondern im Rahmen der geplanten Publikationen veröffentlicht, wie Bergier sagte. Laut früheren Angaben der Expertenkommission ist geplant, die Resultate der gesamten Forschungsarbeiten in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres in drei Etappen zu publizieren.

Die Zwangsarbeiter-Frage hat nach der Genehmigung des Grossbankenvergleichs über 1,25 Milliarden Dollar durch den New Yorker Richter Edward Korman vom vergangenen Mittwoch (26.07.) zusätzlich an Interesse gewonnen.

Korman hielt unter anderem in seinen 55 Seiten umfassenden Ausführungen zu dem Vergleich fest, dass Schweizer Industrieunternehmen, die Zwangsarbeiter beschäftigten, nur dann vom Vergleich profitierten, wenn sie sich bei ihm innerhalb von 30 Tagen melden. Korman benötigt diese Angaben, um die Anspruchsberechtigungen abzuklären.

Für die betroffenen Firmen bedeutet das, dass sie sich nicht mehr hinter den Banken verstecken können und ihre Vergangenheit aufarbeiten müssen. Bisher meldeten sich erst drei Firmen bei Korman: der Aluminiumkonzern algroup, die Nestle-Tocher Maggi sowie der Maschinenkonzern Georg Fischer, die zusammen rund 2’500 Zwangsarbeiter indentifizierten.

Die Tageszeitung «Blick» veröffentlichte am Freitag zwei Listen, auf denen über 100 Schweizer Unternehmen aufgeführt sind, die während des Zweiten Weltkriegs in DeutschlandTochterfirmen hatten. Die Listen wurden laut der Zeitung einerseits 1946 von der französischen Besatzungsmacht, andererseits 1945 vom Schweizer Konsulat in Baden-Baden erstellt.

Vorort von Kooperationsbereitschaft der Wirtschaft überzeugt

Peter Hutzli, Sekretär des Wirtschaftsspitzenverbands Vorort, wies auf Anfrage darauf hin, dass einige Schweizer Firmen bereits seit längerem an der Aufarbeitung ihrer Firmengeschichte in der Nazizeit arbeiten. Die gewonnenen Erkenntnisse seien der Bergier-Kommission zur Verfügung gestellt worden.

«Ich bin sicher, dass diejenigen Unternehmen, die in ihren Tochterfirmen in Deutschland Zwangsarbeitende zugeteilt erhielten, dabei helfen werden, dass ehemalige Zwangsarbeitende ihr Recht bekommen», sagte Hutzli weiter.

Hutzli beklagte, dass die Situation durch neue Drohungen aus den USA unnötig belastet worden sei. Er räumte aber ein, dass einige Kreise die Aufforderung von Richter Edward Korman, sich innert 30 Tagen zu melden, falsch verstanden haben könnten.

Hier gehe es nicht um zusätzliche Zahlungen, sondern allein um die Mitteilung, dass einer Tochterfirma Zwangsarbeiter zugewiesen worden seien, präzisierte Hutzli.

swissinfo und Agenturen

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