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Neue Elitetruppe der Armee im Einsatz

Keystone

Zur Evakuation von Landsleuten aus Krisengebieten hat die Schweizer Armee eine Truppe hoch spezialisierter Berufssoldaten aufgebaut. Das Kommando hat die Regierung, nicht das Parlament.

Damit soll ein rascher Einsatz sichergestellt werden. Die vorläufig 40 Soldaten sind auf Kooperation mit Partner-Armeen getrimmt. An den Armeetagen Lugano stellte sich die Einheit der Öffentlichkeit vor.

Die Mission ist klar, aber schwierig. Schweizer Bürgerinnen und Bürger befinden sich in einem fiktiven Krisengebiet und müssen evakuiert werden.

Das Armee-Aufklärungsdetachement 10 (AAD 10) eilt zu Hilfe. Die Schweizer haben sich in einem Haus – denkbar ist ein Konsulat – versammelt und warten auf ihre Rückkehr.

Die bewaffneten Aufklärer erscheinen in zivilen Fahrzeugen. Die Situation scheint ruhig. Doch der Schein trügt. Es kommt zu Unruhen, Strassenschlachten, Scharmützeln mit einer aufgebrachten Bevölkerungsgruppe. Knallkörper explodieren, Schüsse knallen.

Die Soldaten und die im Haus versammelten Schweizer werden von einem Armee-Helikopter an einem so genannten Extraktionsseil ausgeflogen. Der Super Puma verschwindet hinter den Rauchschwaden.

Die Szene stände einem Kriegsfilm gut an, spielt sich jedoch vor den Augen von mehreren Hundert vorwiegend männlichen Zuschauern ab.

Sie haben Lärmschutz-Pfropfen in den Ohren und trotz kaltem Nieselregen Mützen und Hüte abgenommen. Der vom Rotor erzeugte Wind würde die Kopfbedeckungen wegblasen.

Multinationale Zusammenarbeit

Das ist das Ende einer spektakulären und hochpräzisen Leistungsschau des AAD 10 und der Grenadier- und Fallschirmtruppen auf dem Waffenplatz von Isone, in den Bergen im Hinterland von Lugano.

Was, wenn die Fiktion Realität wird? “Wir haben unsere Einsatzbereitschaft erreicht und haben die Fähigkeit, heute Einsätze zu planen und zu führen”, erklärt Marc Antoine Tschudi, Kommandant des Grenadier Kommando 1, im Gespräch mit swissinfo.

“Unsere Einsätze finden in einem multinationalen Rahmen statt. Deshalb arbeiten wir eng mit andern Armeen zusammen.”

Das heisst auch: Das AAD 10 wendet international geltende militärische Standards an und absolviert einen grossen Teil der Ausbildung im Ausland. So hat die Truppe im Frühjahr an einer NATO-Übung in Norwegen teilgenommen.

NATO-Standards

Im Ernstfall würde die Truppe auch logistisch mit andern Armeen zusammenarbeiten. Die Armeespitze verlangt seit Jahren ein Transportflugzeug für solche Einsätze. Das Parlament hat den Kauf abgelehnt.

Für Tschudi ist der Entscheid der Politik kein Unglück. “Es ist immer möglich, Einsatz-Fahrzeuge vor Ort bei einem Kooperations-Partner zu beziehen oder zu mieten. Da findet man immer eine Lösung.”

Natürlich gebe es Ähnlichkeiten mit den Spezialeinheiten anderer Armeen, räumt er ein, “aber wir sind eine Schweizer Lösung, ausgerichtet auf die Neutralitäts-Politik, wir sind keine Kopie”.

Die NATO sei keine Option für die Schweizer Armee, betont Armee-Chef Christophe Keckeis gegenüber swissinfo. “Aber dank der ‘Partnerschaft für Frieden’, bei der die Schweiz seit 1996 mitmacht, können wir von den NATO-Standards profitieren.”

So habe sich die Schweizer Armee mit ihren Transporthelikoptern im vergangenen Sommer bei den Waldbränden in Griechenland problemlos in die Löscheinsätze integriert.

Politisch umstritten

Einsätze der Schweizer Armee im Ausland sind politisch umstritten. Die Neutralität werde verletzt, die Landesverteidigung geschwächt. Der AAD 10 fehle zudem die demokratische Kontrolle durch das Parlament, argumentiert die Rechte.

Pazifisten und Linken fehlt ein UNO-Mandat. Die Truppe sei eine “Fortführung der kolonialistischen Kanonenbootpolitik”, kritisiert der Grüne Nationalrat Joe Lang.

Die Befehlskompetenz für einen Einsatz liegt bei der Landesregierung. Eine Parlamentsmehrheit braucht es laut Militärgesetz lediglich für Truppen mit einem Bestand von mehr als 2000 Soldaten.

Rechtlich stützt sich die AAD 10 auf eine Verordnung, welche die Sicherheitspolitische Kommission des Parlaments im Jahr 2006 erlassen hat.

Keine Rambos

Die Selektion der Soldaten geschieht in einem mehrstufigen Auswahlverfahren. Bewerben können sich Angehörige aller Truppengattungen. Von 300 Bewerbungen werden jedes Jahr 10 ausgewählt. Die Ausbildung dauert 18 Monate und besteht aus “allen denkbaren Kampfeinsätzen, zu Land, zu Wasser und in der Luft”.

Rambos wolle man nicht, erklären die Verantwortlichen. Die Ausbildung umfasst auch Themen wie Sprachkompetenz sowie Respekt gegenüber Zivilpersonen und Religionsgemeinschaften.

swissinfo, Andreas Keiser, Isone

Das Armee-Aufklärungsdetachement 10 ist eine schnelle Eingreiftruppe, die seit dem 1. August 2007 mit einem Teilbestand einsatzbereit ist.

Zurzeit stehen 40 Mann im Einsatz. 2011 soll mit 91 Mann der Vollbestand erreicht werden.

Das Detachement ist Teil der Aufklärungs- und Grenadierformationen, zu denen auch Fallschirmaufklärer und spezialisierte Lufttransportmittel gehören.

Es dient nach dem Vorbild ausländischer Elitetruppen vorab der Rettung und Rückführung gefährdeter Schweizerinnen und Schweizer im Ausland.

Mit dem Aufbau der Truppe wurde 2005 begonnen.

Die jährlichen Kosten belaufen sich auf 16 Mio. Franken.

Vom 20. – 25. November stellt sich die Schweizer Armee in Lugano zum ersten Mal in einer Stadt der Öffentlichkeit vor.

Die letzten Armeetage fanden 1998 in Frauenfeld statt.

Seither hat das Schweizer Volk im Mai 2003 das Reformprojekt Armee XXI gutgeheissen.

Neben einer Verkleinerung der Truppenstärke und vermehrter Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern beinhaltet die Arme XXI auch eine Verlagerung von der Verteidigungsarmee auf die drei Säulen Friedensförderung, Existenzsicherung sowie Raumsicherung und Verteidigung.

Mit einem weiteren Reformpaket soll die Armee vermehrt subsidiäre Sicherungs-Einsätze leisten und infanterielastiger werden. Die Panzertruppen sollen reduziert werden.

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