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Olympia in Zürich an einem einzigen Abend

Usain Bolt (hier nach dem Olympiasieg der 4x100m-Staffel) wird in Zürich und Lausanne als Highlight erwartet. Keystone

Fünf Tage nach dem Ende der Olympischen Spiele treten die Top-Welt-Stars der Leichtathletik am Freitag am Meeting der Superlative "Weltklasse Zürich" auf. Am Dienstag geht die Jagd nach Rekorden an der "Athletissima" in Lausanne weiter.

“Weltklasse Zürich” – noch nie war der Name dieses Leichtathletik-Meetings in Zürich derart zutreffend. Das Meeting feiert 2008 seine 80. Austragung. Erstmals fand es 1928 statt.

Mehr als dieses Jahr kann sich das Publikum gar nicht wünschen: Im Letzigrund-Stadion messen sich gut 41 olympische Medaillentragende, davon 14 mit einer Goldmedaille.

“Wir hatten ein gutes Gespür dieses Jahr”, sagt Meeting-Direktor Patrick Magyar zufrieden. Praktisch alle Medaillenträger hätten ihren Vertrag mit Zürich schon vor den Olympischen Spielen unterschrieben.

Die Medaillen ziehen jedoch auch ein grösseres finanzielles Engagement nach sich. “Ausser in wenigen Fällen sehen unsere Verträge Boni von 10’000, 5000 und 3000 Dollar vor, für jene, die sich Gold, Silber oder Bronze holen.”

Sechsstellige Summen für die Stars

Auch wenn “Weltklasse Zürich” zum engen Kreis der Golden League gehört, genügt das nicht, um die besten Athleten anzuziehen. So hatten zum Saisonbeginn beispielsweise die Sprinter Tyson Gay, Asafa Powell und Usain Bolt auf eine Teilnahme am prestigiösen Meeting in Berlin verzichtet und an weniger bekannten Anlässen teilgenommen, die für sie lukrativer waren.

“Ich habe nicht das Gefühl, dass der Wettkampf unter den Austragungs-Meetings zugenommen hat”, sagt Magyar. Doch in letzter Zeit hätten sich einige der Sportler zu waschechten Stars entwickelt.

“Nach den Jahren von Carl Lewis, Linford Christie oder Colin Jackson gab es weniger Stars. Jetzt hat es wieder mehr davon, der Druck auf sie steigt, und sie versuchen, sich die Meeting vom Hals zu schaffen.”

Um Grössen wie Usain Bolt, Kenenisa Bekele oder Jelena Isinbayewa nach Zürich zu holen, müsse “Weltklasse Zürich” sechsstellige Summen springen lassen, so Magyar.

“Für praktisch alle jedoch hält sich das Engagement unter 50’000 Dollar”, so der Direktor des Letzigrund-Anlasses. “Viele kommen nur für das Preisgeld, das sich pro Disziplin auf 53’000 Dollar beläuft.”

Revanche liegt in der Luft

Dank seiner langen Tradition hat das Meeting in Zürich aber im allgemeinen keine Mühe, die Besten zusammenzutrommeln. Begonnen beim “Blitz” Usain Bolt, der in Peking die 100 und 200 Meter- sowie die 4 x 100 Meter-Läufe gewann, und dabei gleich alle bisherigen Rekorde in den Schatten stellte.

“Selbstverständlich gefällt es allen, Bolt beim 100-Meter-Sprint zuzuschauen. Ich persönlich warte jedoch mit Ungeduld auf den 100-Meter-Hürdenlauf der Frauen”, so Magyar. “Die beiden grossen Favoritinnen in Peking, Susanna Kallur und Lolo Jones, sind dort gestolpert. Die beiden möchten sich jetzt sicher bei den drei Medaillenträgerinnen Dawn Harper, Sally McLellan und Priscilla Loper-Schliep revanchieren.”

Zwei weitere Läufe, auf die man achten müsse, sind die 800-Meter Frauen und die 3000 Meter Hindernislauf der Männer. Beispielsweise dürfte sich die Kenianerin Pamela Jelimo im Wettkampf für den Jackpot der Golden League vor allem vor ihrer eigenen Landsfrau Busienei fürchten.

Und für ihren 15. und letzten Auftritt schliesslich möchte sich Maria Mutola nochmals von ihrer besten Seite in Szene setzen – vor einem Publikum, das sie 12 Mal triumphieren sah, was ebenfalls einem Rekord gleichkommt.

Rekorde in Sicht?

Zu den mit Spannung erwarteten Revanchen gehören auch der 400-Meter-Lauf der Männer mit dem inneramerikanischen Duell zwischen dem Olympiade-Sieger LaShawn Merrit und Jeremy Wariner und die 4 mal 100 Meter-Sprints der Männer, an denen sich Jamaika und die USA gegenüberstehen.

Ebenfalls dazu gehört der Lauf für Frauen, bei dem die Kroatin Blanka Vlasic bestimmt ihre Pekinger Schmach gegenüber der Belgierin Tia Hellebaut wiedergutmachen möchte.

Vlasic zählt auf den Support des Zürcher Publikums: “Als ich mit 17 Jahren erstmals im Letzigrund teilnahm, kannten die Leute dort meinen Namen bereits.” Jetzt hofft sie, dass dieses Jahr die Stange an ihrem Platz bleibt – 2007 verpasste sie deswegen knapp ihren Angriff auf den Hochsprung-Weltrekord.

Patrick Magyar ist überzeugt, dass der Abend voller Rekord-Potenzial steckt. “In Zürich fanden die besten Meetings immer gleich im Anschluss an grosse Meisterschaften statt.”

Dabei könnten auch die klimatischen Verhältnisse nachhelfen: “Die Voraussagen gehen von einem gegenüber dem Vorjahr gemässigteren Wetter aus. 2007 wurden 12 Grad gemessen.”

Athletissima

Und sollten die guten Resultate nicht in Zürich anfallen, gibt es für die Leichtathletik-Fans sofort eine Fortsetzung in Lausanne. Dort findet nächsten Dienstag das andere grosse schweizerische Meeting statt.

Athletissima verfügt zwar nicht übere die Mittel, um mit dem Letzigrund zu rivalisieren. Dennoch hat der Lausanner Organisator Jacky Delapierre einen Respekt erheischenden Athleten-Cast zusammen gestellt.

So werden auch im Stadion La Pontaise die Reflektoren auf Usain Bolt gerichtet sein, er läuft dort 200 Meter.

An den 100-Meter-Läufen der Frauen werden alle acht Finalistinnen von Peking starten. Bei den Männern dürfte Asafa Powell versuchen, seinen enttäuschenden 5. Rang von Peking zu neutralisieren.

Nach den Lausanner Weltrekorden von 1994 (Leroy Burrell), 2005 (Jelena Isinbayewa), 2006 (Liu Xiang) könnte das Publikum auch 2008 einen unvergesslichen Abend verbringen.

swissinfo, Daniele Mariani
(Übertragung aus dem Italienischen: Alexander Künzle)

Das Leichtthletik-Meeting in Zürich wurde zum ersten Mal am 12. August 1928 ausgetragen.

2007 ist das Stadion Letzigrund komplett renoviert worden.

24 neue Weltrekorde wurden erzielt. Der erste vom Deutschen Martin Lauer, der 1959 die 110- und 200-Meter-Höchstwerte durchbrach.

Ein Jahr später war sein Landsmann Armin Hary der erste Athlet, der bei der 100-Meter-Distanz die 10-Sekunden-Schwelle durchbrach.

1988 erreichte Carl Lewis auf 100 Meter 9″93; 1998 erreichte Butch Reynolds 43″29 für 400 m; 1997 Haile Gebreselassie für 5000 m 12’41″86.

2006 machte Asafa Powell 100 Meter in 9″77.

Die IAAF Golden League ist eine jährlich stattfindende Serie von Leichtathletik-Meetings, die von der International Association of Athletics Federations organisiert werden.

Zu Beginn dabei waren die Städte Oslo, Rom, Monaco, Zürich, Brüssel und Berlin.

1999 stiess das Meeting von Paris dazu, während 2003 Monaco ausschied.

Zürich ist dieses Jahr die zweitletzte Station der Golden League, der letzte Wettkampf findet am 5. September in Brüssel statt.

Der Athlet, der sich jeweils in seiner Disziplin in allen sechs Meetings durchsetzt, gewinnt die Golden League und eine Million Dollar.

Gewinnen zwei gemeinsam, wird der Preis geteilt.

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