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Klima-Rutsch bei Zürcher Wahlen

Junge Frau mit Megaphon an der Spitze von Demonstrierenden gegen Klimapolitik.
Die Proteste der Jugend gegen die Klimapolitik finden beim Zürcher Wahlvolk Gehör. Die grünen Parteien legen stark zu. Ennio Leanza /Keystone

Die grünen Parteien legen bei den Wahlen im Kanton Zürich deutlich zu, vor allem zulasten der Bürgerlichen. Sie profitieren von der politischen Grosswetterlage in der Klima-Debatte. Analysten sind sich einig, dass sich der Öko-Trend auch bei den Eidgenössischen Wahlen im Herbst niederschlagen wird.

«Klimadebakel für die Bürgerlichen», titelt die neue Zürcher Zeitung (NZZ) am Montag nach den Wahlen im bevölkerungsstärksten Kanton der Schweiz.  Für diese hätten sich am Wahlsonntag in Zürich, an dem Parlament und Regierung gewählt wurden, die schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet. Ein bis vor kurzem wenig bekannter 32-jähriger grüner Kantonspolitiker habe der traditionsreichen freisinnigen Partei (FDP.Die Liberalen) den zweiten Sitz in der Regierung abgejagt. Immerhin behalten die bürgerlichen mit vier von sieben Sitzen die Mehrheit.

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Zürcher Regierungsrats-Wahlen

Nach vier Jahren ziehen die Grünen mit einem Sitz wieder in den siebenköpfigen Zürcher Regierungsrat ein. Die Freisinnigen (FDP. Die Liberalen) verlieren einen ihrer zwei Sitze. Die Sozialdemokraten (SP) und die Schweizerische Volkspartei (SVP) verteidigen je ihre beiden Sitze. Die Christlich-demokratische Volkspartei (CVP) behält ihren einzigen Sitz.

Noch deutlicher zeigt sich die Wahlschlappe des bürgerlichen Lagers in den Parlamentswahlen (Kantonsrat), wo die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) neun Sitze und die Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP) alle fünf Sitze verlieren. Die Gewinner sind die Grüne Partei und die Grünliberale Partei (GLP), die je neun Sitze dazugewinnen. Die SVP bleibt aber trotz der Sitzverluste mit 45 von insgesamt 180 Sitzen die grösste Partei im Kanton.

Signal für die eidgenössischen Wahlen

«Offenbar wollten die Wählerinnen und Wähler mit ihrer Stimmabgabe die Klimaproblematik, die nach den verbreiteten Schülerprotesten rasch zum Wahlkampfthema Nummer eins herangewachsen war, weiter oben auf die politische Agenda setzen», kommentiert die NZZ.

Zürcher Parlamentswahlen

Die Grünliberale Partei GLP und die Grüne Partei gehen als grosse Sieger aus den Zürcher Wahlen hervor, sie gewinnen im Parlament je neun Sitze dazu. Grosse Verliererinnen sind die Schweizerische Volkspartei (SVP) und die Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP). Die SVP verliert neun Mandate und hat neu als grösste Fraktion noch 45 Sitze. Die BDP fliegt ganz aus dem 180-köpfigen Rat. Die GLP kommen neu auf 23 Sitze, die Grünen auf 22. Die Sozialdemokratische Partei (SP) kommt auf 35 Sitze (-1), die FDP auf 29 (-2).

In der Regel sind die Wahlen in Zürich ein Gradmesser für jene auf eidgenössischer Ebene, die im Herbst dieses Jahres stattfinden. «Der Wahltag im grössten Kanton dürfte in den bürgerlichen Parteizentralen in Bundes-Bern einige Hektik auslösen», sagt die Solothurner Zeitung mit Blick auf die nationalen Wahlen im Herbst voraus. «Vorab bei der SVP. Die Zürcher Resultate bestätigen den negativen Trend vergangener kantonaler Wahlen. Sie zementieren das schlechte Bild, das die grösste Partei auf nationaler Ebene abgibt. Die SVP wirkt strategielos.»

Wenig überrascht ist die Regionalzeitung von der grünen Welle im Kanton Zürich, aber von deren Ausmass: «Die Sitzverschiebungen sind für hiesige Verhältnisse massiv … Das hat auch eine Signalwirkung für die nationalen Wahlen. Im Zürcher Kantonsparlament haben die Bürgerlichen ihre Mehrheit verloren. Das gleiche Szenario droht SVP und FDP auf eidgenössischer Ebene.

Der Erfolg der grünen Parteien falle nicht vom Himmel, ist der Kommentator der «Tribune de Genève» überzeugt. «Er belohnt die beiden Parteien, welche die Verteidigung des Planeten konsequent in den Mittelpunkt ihrer politischen Botschaft stellten. Lange bevor die Kantonsparlamente die «Klimakrise» als Reaktion auf Studentenstreiks zur Kenntnis nahmen, hatten sie sich diese zur Aufgabe gemacht.»

Der Triumph, den sie in Zürich feierten, werde keinen ihrer Gegner gleichgültig lassen, prophezeit die Westschweizer Tageszeitung. «Es ist daher wahrscheinlich, dass der Wettlauf auf nationaler Ebene in den kommenden Wochen und Monaten grün werde, um die Anliegen der Bürger zu berücksichtigen.»

Der Vormarsch der Grünen zeigt sich auch in den Sitzverschiebungen bei den Kantonswahlen seit 2015.

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Setzt sich die grüne Welle fort?

Dass sich die politische Grosswetterlage aber manchmal sehr rasch ändern kann, hat sich schon bei der «Waldsterbe-» und der «Fukushima-Debatte» gezeigt, die schnell aus dem Bewusstsein der Wählenden verschwanden. Trotzdem mag die NZZ nicht darauf wetten, «dass das Klimathema bis zum Herbst wieder aus den Schlagzeilen verschwunden sein wird».

Dass die Debatte um die Klimaerwärmung nicht so schnell abflauen werde, ist auch der Tenor in anderen Zeitungen. Der Grünliberalen Partei für die eidgenössischen Wahlen aber jetzt schon einen Erdrutsch-Sieg wie in Zürich vorauszusagen, wäre unrealistisch, lässt sich Lukas Golder, Co-Leiter des Forschungsinstituts gfs.bern, in verschiedenen Regionalzeitungen zitieren. Abgesehen von den Zürcher Kantonsratswahlen habe die GLP schweizweit keine Wählerprozente gewonnen. In Zürich sei sie sehr gut organisiert, so Golder. Einiges traut der Meinungsforscher aber der Grünen Partei zu, die in vielen Kantonen systematisch zulegen konnte.

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