
Wahlfälschung: Parlamentarier verurteilt
Die politische Laufbahn des Sozialdemokratischen Nationalrats Ricardo Lumengo droht ein abruptes Ende zu nehmen. Eine Bieler Einzelrichterin verurteilte ihn am Donnerstag wegen Wahlfälschung zu einer bedingten Geldstrafe von zehn Tagessätzen zu 180 Franken.
Die Berner Sektion der Sozialdemokratischen Partei (SP) forderte Lumengo umgehend zum sofortigen Rücktritt als Nationalrat auf – unabhängig von der angekündigten Berufung. Wahlfälschung wiege schwer und sei nicht entschuldbar.
Doch von einem Rücktritt will Lumengo vorerst nichts wissen. Er fühle sich unschuldig und sei bislang nicht rechtskräftig verurteilt, betonte er nach der Urteilsverkündung. Sein Verteidiger, der einen Freispruch gefordert hatte, kündigte bereits Berufung gegen das Urteil an.
Das Verfahren dreht sich um 44 Wahlzettel, die bei der bernischen Grossratswahl 2006 den Weg ins Stimmbüro fanden und allesamt Lumengos Handschrift trugen. Lumengo beteuerte vor Gericht, er habe nur einigen seiner potenziellen Wähler das Wahlprozedere erklären wollen.
Zu diesem Zweck habe er Beispiel-Wahlzettel ausgefüllt und verteilt. Die Wähler – zumeist Immigranten mit geringen staatsbürgerlichen Kenntnissen – hätten dann gleich diese Beispiel-Zettel ins Couvert gesteckt.
Dass Lumengo nicht betrügen wollte, zeigt sich nach Darstellung seines Verteidigers André Gossin daran, dass 42 der 44 Wahlzettel ungültig erklärt werden mussten. In den meisten Fällen war der Stimmausweis nicht unterschrieben.
Hätte Lumengo wirklich eine Wahlfälschung beabsichtigt, wäre ihm dies als Jurist und Politiker auch gelungen, befand Gossin. «Doch er wollte den Leuten nur helfen.» Ausserdem habe er ihnen ausdrücklich gesagt, dass sie den Wahlzettel selber ausfüllen müssten.
Anders beurteilte Staatsanwalt Flotron den Fall. Zwar handle es sich nicht um einen Wahlbetrug von enormem Ausmass, räumte er ein. Doch «44 Wahlzettel sind nicht nichts». Und gerade ein Jurist und Politiker wie Lumengo hätte sich bewusst sein müssen, dass er eine Form von Wahlfälschung zumindest in Kauf nehme.

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